Russland-Bashing – Volkssport der Verdammten

Russland-Bashing – Volkssport der Verdammten

Das Regime ist in der Rhetorik der Niederlage angekommen: Russland dürfe nicht „den Eindruck bekommen in der Sache Recht zu haben,“ so der demokratiefaschistische Finanzminister Schäuble in einem Interview. Das zeigt die Sorge darüber dass diese Wahrnehmung schon lange gefestigt ist. Denn eine plausible Anfechtung der Krim-Unabhängigkeit wäre nur möglich wenn sich keinerlei Besatzungstruppen mehr in Europa befinden. Und selbst dann ist erst einmal abzuwägen ob die Insel überhaupt einen Teil Europas darstellt. Eine solche Definition setzt jedoch eigene Unabhängigkeit voraus. Ist dies nicht der Fall können auch keine unabhängigen Ansprüche gestellt werden. Ein europäischer Anspruch wäre dann lediglich ein Anhang amerikanischer Vorstellungen und als solcher nichtig.

 

Schäuble kommentiert die Hochzinspolitik der russischen Notenbank, die in der Krise antizyklisch handelt um die Geldmenge zu senken. Gleicht die Euro-Währung mit ihrer Niedrigzinspolitik einer Energiekatastrophe bei der das Geld an die Getreuen strömt wie ein unkontrolliert austretender fossiler Rohstoff, so entspricht die russische Leitzinsanhebung einer Drosselung des Ausflusses auf ein Maß welches Alternativen attraktiv macht. Wirtschaftlich bedeutet das einen erhöhten Anreiz das vorhandene Geld im Umlauf zu halten anstatt die Geldmenge zu erhöhen. Dadurch ist der Rubel weitaus weniger spekulativ als die westlichen Krisenwährungen, was in der Sache auch für diese richtig ist. Schäuble kritisiert also Russland dafür dass es das tut was Europa tun sollte, sich aber nicht leisten kann weil es befürchten muss sich dann als ungedecktes Kartenhaus herauszustellen.

 

Der Hauptgrund des politisch motivierten Personenkults mit negativem Vorzeichen ist, wie es der Person im Staatsfernsehen offenbar aus Unachtsamkeit entschlüpfte, nackte Angst. Die Deutschen befürchten, wenn sie sich mit dem sprachkundigen Nachbarn ehrlich auseinandersetzen, ihre unrealistische Unterstützung des ukrainischen Militärputsches nicht länger rechtfertigen zu können. Dann müssten rückwirkend die begangenen Fehler korrigiert, die Anfeindungen zurückgenommen und die politisch motivierten Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Das wäre für sich genommen kein Problem, es setzt lediglich den Rücktritt derjenigen voraus welche die Fehlentscheidungen zu verantworten haben. Doch letztere sind sind stattdessen, je offensichtlicher die Richtigkeit der russischen Position wurde, immer weiter gesteigert worden, so dass selbst in Moskau jedes väterliche Verständnis von ihrer Absurdität überfordert ist.

Wozu hat Europa es nötig sich selbst derart bloßzustellen, wenn es doch viel einfacher wäre mit Russland über einen Interessensausgleich zu verhandeln? Vor der Krim-Unabhängigkeit wäre das noch damit erklärbar gewesen dass in Europa derzeit noch amerikanisches Militär vorhanden ist, dessen Präsenz die dortigen Regimes einschüchtert. Doch jetzt wo in dieser Hinsicht symbolischer Gleichstand erreicht wurde ist diese Erklärung nicht mehr hinreichend: Wenn die Deutschen willens sind eine russische Militärpräsenz abzulehnen, dann können sie sich auch gegen amerikanische Ansprüche selbst verteidigen. Ist das nicht der Fall, dann ist die eigene Haltung eine Neid-Position und als solche nicht zu rechtfertigen: Sie verdenken die Krim der Unabhängigkeit weil sich diesen Zustand selbst nicht erreichen.

Dass die deutsche Herangehensweise dennoch Geltung beansprucht erklärt sich aus einem autoritären Bedürfnis: Putin, der als Sündenbock hingestellt wird, braucht überhaupt nichts verkehrt gemacht zu haben damit eine ideologische Meute über ihn herfällt. Und der ist es im Grunde genommen egal gegen wen sie sich wendet, solange das nur ihrer durchaus fragwürdigen Selbstvergewisserung zugutekommt. Hieß es über die Pussy-Riot-Affäre zu Recht, damit habe Russland einen Rückfall in die Zeit vor der Sowjetrevolution erlebt, so bedeutet die russische Wende in der Sache eine Rückkehr in die äußere Rolle der Sowjetzeit als Russland als marxistischer Tempelstürmer gefürchtet wurde.

Seit der Haftentlassung, die insofern als authentischer Entschluss gewertet werden muss dass das Verfahren tatsächlich aus inneren Motiven angestrengt worden war und nicht lediglich um ein Requisit für eine leere außenpolitische Geste zu beschaffen, verhalten sich die europäischen Regierungen genau so als hätten sie dadurch von Russland jene narzisstische Kränkung erfahren die der Pussy-Riot-Auftritt aus russischer Sicht darstellte. Putin Riot sozusagen, nur dass dieser gar keine Provokation geliefert haben will, aber das haben ja auch Pussy Riot nach ihrem eigenen, nachträglich als realitätsgetreu belegten Selbstverständnis nicht. Diese Verschiebung belegt auch dass das Geschlechterverhältnis in der ganzen Angelegenheit lediglich eine marginale Rolle spielt.

So wie es schon bei dem inneren Konflikt in Russland weniger um Frauen und Männer ging als um die Unabhängigkeit der Sakralräume, welche die Gruppe gegen staatliche Repression und kirchliche Kollaboration verteidigte, so ist auch der Konflikt der Europäer mit Putin kein Geschlechterkonflikt, sondern umfasst dieselben politischen Fragen auf einer höheren Dimension. Weder präsentierten sich Pussy Riot als seelisch zu kurz gekommene Haus-Frauen noch stellt Putin den herrschüchtigen Macker dar. Eher im Gegenteil, seine Stellungnahmen wirken treffend und gelassen gemessen an der hysterischen Marktschreierei deutscher Politiker als deren Parodie sich Pussy Riot auch auffassen lassen. Aber das Thema Unabhängigkeit hat es eben in sich, jedenfalls was die Bandbreite der Gefühlsartikulationen betrifft, so dass nahezu jede pathische Projektion sich daran anhängen kann. Entscheidend ist die Rollenumkehr, die damit hergestellt wurde: Seitdem gilt Putin den naiven Europäern als Unruhestifter, wenngleich er lediglich vorhandene Probleme transparent macht.

Wo findet der Sanktionswahn seine Grenze? Putin sind diese Eitelkeiten anscheinend gleich, wenn Europa sich auf solche Weise beschämen will dann soll es das tun. Das ist eine realistische Sichtweise, die auf der Tatsache fußt dass die Sanktionen ihren Urhebern mehr schaden als denen auf die sie zielen. Ebenso gut könnten sich diese Leute an einem Ersatzobjekt abreagieren. Doch anders als im persischen Sanktionsstreit, der sich gegen ein alleinstehendes Land richtete, und ohne überdosierte Hassideologien geführt wurde so dass jetzt direkt zwischen höheren Stellen verhandelt wird, legt wer sich mit Russland anlegt mit einer unabhängigen Wirtschaftsmacht an, in Gestalt der Fünferkoalition BRICS der dieses auch angehört. Die derzeitigen europäischen Sanktionen dürften es wohl nicht überleben wenn diese Gruppe an einem koordinierten Ansatz ankommt.

Dabei gilt es zu berücksichtigen dass diese Sanktionen keinen allumfassenden Hintergrund haben, wie etwa die kosmisch Isolation der Erde, sondern als Waffen eines Handelskriegs intendiert sind, d. h. aus der Intention entworfen Schaden zuzufügen. Für die Erwiderung eines solchen Handelskrieges gibt es bereits erste Beispiele, wie etwa als China auf Photovoltaik-Zölle mit einer Abgabe auf Wein reagierte. Doch dabei ging es um einen Schutzzoll, d. i. die Abschirmung eines unnötig zerbrechlichen Geschäftsmodells, dessen Nachteile für China lediglich eine Nebenwirkung darstellten, die daraufhin mit der reziproken Einschränkung beantwortet wurde.

Ist die Erzielung eines Nachteils auf der anderen Seite jedoch die beabsichtigte Hauptauswirkung, dann muss auch auf diesem taktischen Niveau gekontert werden. Ansatzpunkte für Sanktionen gegen Europa die darauf zugeschnitten sind europäische Sanktionen gegen einzelne BRICS-Angehörige so zu kompensieren dass sie bei Einsicht gleich zusammen mit diesen entfallen können gibt es genügend, insbesondere wenn der taktische Wert einer koordinierten Sanktionsabwehr erkannt wird. Überhaupt ist es eine groteske Situation wenn aus einer total überzogenen Bankrottwährung wie dem Euro ein Handelskrieg gegen Verbündete derjenigen geführt wird die das marode Geld gegen seinen völligen Zusammenbruch abfedern.

Für die den größten zusammenhängenden Brocken des militärisch-industriellen Komplexes an Handelsumfang übertreffende Fünfergruppe sollte es kinderleicht sein handeskriegslustige Bankrottwährungen in die Schranken zu weisen, indem jede europäische Willkürsanktion mit einer gezielten Neutralisation beantwortet wird, deren Zweck es ist den übergriffigen Politikern mehr Beschäftigung mit den unmittelbaren Interessen ihrer eigenen Wirtschaftsbasis zu verschaffen.

Was haben Solarzellen mit Wein zu schaffen außer dass beides Sonnenschein benötigt? Antwort: Dieselben Politiker, die sich mit dem Schutzzoll vom Druck ihres Lobbyumfelds entlasten wollten haben durch die daraufhin verhänge Neutralisation zusätzlichen Druck von dort erhalten, der sich lediglich auf eine andere Branche verlagerte, so dass es diesem im Endeffekt leichter war vernünftig zu verhandeln als die Sache der Lobby zu erklären. Situationsspezifisch geeigneten Ansatzpunkte jedweden Handelskrieg ins Leere laufen zu lassen gibt es genug, und zudem kämen die BRICS neben ihrem Eigeninteresse damit auch einem öffentlichen Bildungsauftrag nach der in Europa eine realistischere Wahrnehmung der Kräfteverhältnisse ermöglicht.

Handelskrieg als Surrogat für nicht vorhandene Sachargumente, das ist eine nicht zielführende Idee, das müssen die Europäer jetzt lernen. Die Krise des Subkontinents ist viel zu ernst um zu glauben ihr mit der zwanghaften Schuldabwehr wie sie gegen Russland aufgefahren wird entkommen zu können. Für die Fünfergruppe die nach dem Abschied Russlands von der alten Siebenergruppe der Japaner, Amerikaner und Europäer diese auf einen Nachfolgerang zurückgestuft hat bedeutet das: Die Gelegenheit Europa die Unsinnigkeit eines Handelskrieges aufzuzeigen ist auch eine Gelegenheit dem Rest der Welt, insbesondere Amerika, die veränderten Kräfteverhältnisse zu demonstrieren und so zukünftige Irritationen zu vermeiden.

Die westliche Einmischung in die ukrainischen Angelegenheiten war ein Fehler, der aufgeputschte Präsidentendarsteller steht nach dem Platzen der demokratiefaschistischen Illusion mit leeren Händen da, die Reaktion gegen Russland ist ein Ausdruck geistiger Unreife. Wie ein kindlicher Hilferuf hört sich das autoritäre Getöse an sobald bedacht wird dass der Ruf nach Sanktionen nur die Folge eigener Fehler ist – erst fahren sie die Ukraine gegen die Wand, dann erwarten sie von Putin der mit diesem Unfug schon genug Arbeit hat, für sie den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Ähnlich hat sich der übermütige amerikanische Spion Snowden verhalten: Auch er sah in Putin die Vaterfigur welche ihn für seine Lebensfehler entschädigen sollte.

In den Augen des europäischen Sanktionskindergartens ist er der Erziehungsberechtigte von dem sie es als selbstverständlich erwarten diejenigen zu adoptieren die ihm mit Vorliebe den Garten zertrampeln. Putin hatte die Größe hierauf nicht einzugehen sondern darauf zu setzen dass sich diese Absurdität wirtschaftlich von selbst erledigt. Und so geht es auch bei der herzustellenden Sanktionsabwehr nicht um Kostenausgleich, den sich Russland dank der Verfügung über die Gasressourcen leicht verschaffen kann, sondern um die Erzeugung von Reibung in der dafür verantwortlichen Interessenvertretung deren Auftreten eine makellose Aufhebung aller unrechtmäßiger Sanktionen erzielt.

Der Handelskrieg ist eine Erscheinung die zwischen Staaten auftritt welche politisch gegeneinander aufgestellt wurden. Die derzeitige Aufstellung dient dem Zweck, das europäisch-amerikanische Unrechtsregime endgültig zu knacken. Auch Russland ist ein kapitalistischer Staat mit Ausbeutung und Repression, und Oppositionellen die sich vielleicht fragen ob das was sie erleben ein offenes Bild dessen darstellt was andernorts verdeckt geschieht – schlimmstenfalls den westlichen Demokratie-Faschismus nicht als solchen erkennen weil er nicht wie im vorigen Anlauf einer Monarchie aufgepfropft wurde sondern aus der Demokratie hervorgeht. Der anarchistische Ansatz ist es die Staaten so gegeneinander aufzustellen dass sich aus der Gesamtkonstellation insgesamt ein signifikantes Weniger an Staatlichkeit ergibt und damit ein Mehr an menschlicher Lebensqualität, nicht den einen oder anderen davon in irgendeiner Weise in Fragen der persönlichen Lebensgestaltung einzubeziehen. Wenn dann die ökonomischen und ökologischen Verzögerungskräfte das politische System auf einen Bruchteil seines derzeitigen Volumens zusammenstauchen bleiben die tödlichen Auswirkungen auf das Innere ihrer Apparate beschränkt.

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Naja, mit der Länge des Textes hat das nichts zu tun, eher mit der Sprache und zwar sowohl rhetorisch als auch inhaltlich.

a danke für die aufwendige Recherche. Aber ich verstehe kein Wort.