Alle baskischen Gewerkschaften und anarchosyndikalistischen Gewerkschaften CGT und CNT treten heute zum zweiten Generalstreik in diesem Jahr an, der fünfte seit dem Ausbruch der Krise. Obwohl die übrigen spanischen Gewerkschaften immer wieder große Töne spucken, wollen sie mit Demonstrationen wie dem Marsch auf Madrid nur Druck machen, um die Sozialpaktgespräche wieder aufzunehmen, in denen sie mit den Sozialdemokraten die Rentenreform abgenickt hatten. Der neue Generalstreik im Baskenland vertieft die Gräben zwischen dem Baskenland und Spanien weiter und die Bestrebungen nach Unabhängigkeit werden hier immer stärker. Katalonien wird demnächst darüber abstimmen, nachdem nun auch den konservativen Katalanen der Kragen geplatzt ist.
Heute wird im Baskenland zum fünften Mal seit Beginn der spanischen Wirtschafts- und Finanzkrise ein Generalstreik stattfinden. Im zweiten Generalstreik seit Jahresbeginn wird hier weiter auf Mobilisierung der sozialen Basis gesetzt, um den "neoliberalen Durchmarsch" zu stoppen, der von der rechten spanischen Regierung beschleunigt wurde. "Ohne die Mobilisierung der Bevölkerung ist nichts zu machen, man überlässt ihnen den Raum in dem sie entscheiden und tun, was sie wollen", rief Adolfo Muñoz am späten Montag die Bevölkerung zur Beteiligung auf.
Der Generalsekretär der großen Gewerkschaft "Baskische Arbeitersolidarität" (ELA) sagte: "Wenn wir nicht aufstehen, machen sie uns fertig". Man müsse "in der gemeinsamen Aktion die Angst besiegen", die verbreitet werde. Ainhoa Etxaide, Chefin der kleineren "Patriotischen Kommissionen der Arbeiter" (LAB) hat daran erinnert, dass die sozialen Rechte einst Streiks erkämpft werden mussten. Nun lasse die Politik, "die der ökonomischen Macht untergeordnet ist", erneut keinen anderen Weg.
Wie schon beim Streik im März gegen die Arbeitsmarktreform, haben die Basken sofort mit der Streik-Mobilisierung auf neue Einschnitte ins Sozialsystem reagiert, welche die rechte Regierung unter Mariano Rajoy im Sommer dekretierte. Erwartet wird, dass dieser Generalstreik die Autonome Baskische Gemeinschaft (CAV) und die Provinz Navarra erneut weitgehend lahmlegen wird, die historisch zum Baskenland gehört. Dem Aufruf haben sich vier weitere kleine baskische Gewerkschaften und die beiden anarchosyndikalistischen spanischen Gewerkschaften CGT und CNT angeschlossen.
Mitglieder der großen spanischen Gewerkschaften Arbeiterkommissionen (CCOO) und Arbeiterunion (UGT) werden als Streikbrecher auftreten, obwohl sie sich lautstark gegen die Sparpolitik wenden und kürzlich Hunderttausende nach Madrid mobilisierten. Vor allem die CGT hatte gehofft, dass sich CCOO und UGT dem baskischen Aufruf anschließen, wie es erstmals im März geschah. Dass dies nicht geschah, hat ihr Misstrauen gegen diese Gewerkschaften geschürt, die schon unter der sozialistischen Vorgängerregierung die Rentenreform und die Rente mit 67 im Sozialpakt abgenickt und sich mit Einschnitten arrangiert hatten. Das kritisiert die anarchosyndikalistische CGT. Sie meint, die "Spontanität und die Effektivität des Kampfs verlaufen sich".
Die CGT traut, wie andere Gewerkschaften auch, CCOO und UGT nicht, weil die sich immer wieder mit den neoliberalen Sparvorhaben arrangiert und mit den Sozialdemokraten (PSOE) sogar die Rente mit 67 beschlossen haben. Es war die PSOE, die ihren Stimmen eine Verfassungsreform ermöglicht hat, um die Schuldenbremse darin zu verankern und das ist die Absicherung für den Kurs der PP. Für die CGT ist unbegreiflich, warum der Generalstreik verzögert wird, womit sich die "Spontanität und die Effektivität des Kampfs verlaufe". Ohnehin gab es an der Arbeitsmarktreform bisher keine Änderungen. Kündigungen wurden viel billiger, Abfindungen sind der einzige Kündigungsschutz, weshalb verstärkt auch Stammbelegschaften gekündigt werden. Statt neue Stellen zu schaffen, hat die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) ermittelt, dass Spanien unrühmlicher "Weltmeister" bei der Arbeitslosigkeit ist.
Ständig neue Gründe für Generalstreiks gibt es auch für CCOO und UGT, die sogar schon von einem "Volks-Generalstreik" gesprochen hatten. Sie müssen ihre Basis bei Laune halten, http://www.heise.de/tp/blogs/8/152378) ">die sich längst radikalisiert. Sie werfen Rajoy schließlich einen "gnadenlosen Wahlbetrug" vor, weil er praktisch alle Wahlversprechen gebrochen hat. Erfolglos fordern sie von ihm ein Referendum über seine Politik, womit sie letztlich nur wieder ins Gespräch mit der Regierung kommen wollen. Rajoy Er war im vergangenen November mit den Versprechen gewählt worden, weder Steuern zu erhöhen, noch Löhne im öffentlichen Dienst zu senken, Einschnitte am Bildungs- und Gesundheitssystem vorzunehmen oder Milliarden an Steuergeldern in marode Banken zu stecken. Doch genau das Gegenteil geschieht. Zuletzt wurde am 1. September die Mehrwertsteuer von 18 auf 21 Prozent erhöht, was Menschen mit wenig Geld besonders hart trifft.
CCOO und UGT hätten sogar deutlich mehr Gründe als die Basken, um in einen Generalstreik zu ziehen, denn hier im Baskenland ist die Arbeitslosigkeit nur halb so hoch. Zudem setzen die Regionalregierungen viele Madrider Sparbeschlüsse nur teilweise um. Der Streik wendet sich präventiv auch gegen eine weitere Rentenreform. Der ELA-Chef mahnte, dass man dabei nicht darauf warten könne, bis CCOO und UGT aufstehen. "Wir müssen uns bewegen und wir haben unsere eigene soziale und gewerkschaftliche Agenda." Die werde man umsetzen, kündigte Muñoz eine permanente Mobilisierung an. Der Aufruf fand schon am Montag gehör. Mit einer besonderen Geste riefen baskische Feuerwehrleute die Bevölkerung zur Beteiligung auf. Sie dürfen nicht streiken, weil sie zum Minimaldienst verdammt wurden. Die 100 Euro, die man ihnen wie den übrigen Beschäftigten bei einer Streikbeteiligung vom Lohn abgezogen hätte, spendeten sie am Montag öffentlich. Gut 10.000 Euro kamen zusammen, die an die Vereinigung der Arbeitslosen in Navarra gingen.
© Ralf Streck, den 26.09.2012
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