Die Regionalregierung hat eine entsprechende Resolution vorgestellt und vorgezogene Neuwahlen angekündigt. Nachdem die katalanische Linke sich seit Jahrzehnten dafür einsetzt, ist nun auch den katalanischen Konservativen angesichts des vorgehen der spanischen Regierung der Kragen geplatzt. Im vergangenem Herbst hat die postfaschistische Volkspartei (PP) die Wahlen gewonnen und den neoliberalen Kurs verschärft und treibt mit der Krise als Ausrede die Re-Zentralisierung voran. Im Baskenland findet heute ein Generalstreik statt.
Der katalanische Regierungschef Artur Mas hatte letzte Woche "Entscheidungen von großer Tragweite"angekündigt, nachdem die spanische Regierung einen "Fiskalpakt" abgelehnte. Nun hat er am Dienstag vorgezogene Neuwahlen für den 25. November angekündigt. Dem Parlament wurde einen Resolutionsentwurf vorgelegt, um Katalonien über die Unabhängigkeit abstimmen zu lassen. Die Katalanen sollen "frei und demokratisch über die Zukunft" entscheiden, heißt es darin. Ziel sei "ein eigener Staat, der so unabhängig und abhängig ist, wie alle anderen europäischen Staaten". Ein solch komplexer Vorgang könne nicht ohne Wahlen getroffen werden, sagte er.
Das Parlament in Barcelona soll nach Ansicht der regierenden konservativen Konvergenz und Einheit (CiU) beschließen, dass sich über 30 Jahre lang ein bedeutender Teil der katalanischen Nationalisten eingebracht habe, um den spanischen Staat zu reformieren. Katalonien wollte darin seinen Platz finden, ohne auf legitime nationale Ansprüche zu verzichten. "Dieser Weg ist nun am Endpunkt angelangt, Katalonien muss auf Basis des Selbstbestimmungsrechts den nationalen Übergang einleiten."
Die konservative spanische Regierung warnte die Katalanen vor einer "festen Antwort". Mas füge mit seinen separatistischen Plänen der "Krise nur mehr Krise bei", sagte die Regierungssprecherin Soraya Sáenz de Santamaría der postfaschistischen Volkspartei (PP . Ministerpräsident Mariano Rajoy antwortete aus New York, wo er an der Generalversammlung der Vereinten Nationen teilnahm. Seine Regierung denke nicht an Reformen und auch eine verbesserte Finanzierung Kataloniens sei "keine Priorität".
Der Oppositionsführer sprach sich dagegen nun für eine Staatsreform aus. Der frühere sozialistische Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba setzte sich für ein föderales System nach deutschem Vorbild als Ergebnis des Wegs ein, "der mit dem Autonomiemodell begonnen wurde". Dafür müsse wenn nötig die Verfassung geändert werden, die "nicht unveränderlich ist", wenn eine Art Bundesrat geschaffen werde, um den Regionen eine bessere Einflussnahme zu gewähren. Allerdings hatten die Sozialisten in fast acht Jahren an der Regierung nichts unternommen und es ist merkwürdig, wenn angebliche Sozialisten, eine vom Diktator eingesetzte Monarchie und putschistende Militärs verteidigen.
Über die Resolution wird am kommenden Donnerstag abgestimmt. Es bestehen keine Zweifel an der Annahme. Die CiU wird derweil mit der "Republikanischen Linken" (ERC), "Initiative für Katalonien / Grüne" (ICV) und der "Katalanischen Solidarität für die Unabhängigkeit" (SI) beraten. ERC und SI setzen sich seit langem für die Unabhängigkeit aus und auch die Linksgrüne ICV hat sich nun für diesen Weg entschieden. Im eigenen Entwurf weist sie auf die Lage hin, die das spanische Verfassungsgericht 2010 schuf, als wichtige Teile des neuen Autonomiestatuts als verfassungswidrig kippte, "über das Katalonien in einem Referendum 2006 entschieden hat". ICV streicht Eingriffe in Sprachenrechte und die "Offensive zur Re-Zentralisierung" heraus, mit dem Kompetenzen Kataloniens beschnitten würden. Wie beim Fiskalpakt, weigere sich Madrid oft, über katalanische Vorschläge zu debattieren. Deshalb müsse in der nächsten Legislaturperiode nach den Neuwahlen Katalonien über die "Zukunft des Landes" entscheiden.
Damit dürfte die Resolution eine klare Mehrheit von 86 der 135 Abgeordneten erhalten. Ausgeschlossen ist nicht, dass auch Parlamentarier der Sozialisten zustimmen. In der katalanischen Sektion der Partei gibt es eine starke katalanistische Fraktion. Die PSC (28 Sitze) hat bisher ihre Position nicht bestimmt. Nur die in Spanien regierende Volkspartei will sich mit ihren 18 Abgeordneten gegen die Resolution stellen, auch die kleine Partei "Ciutadans" mit drei Sitzen.
Die Unabhängigkeitsbewegung wird seit vielen Jahren stärker und mit riesigen Demonstrationen wurde die CiU unter Druck gesetzt. Am 11. September, dem katalanischen Nationalfeiertag, hatten mehr als 1,5 Millionen Menschen in Barcelona für "Katalonien als neuen Staat in Europa" demonstriert, gut ein Viertel der Bevölkerung. Mas hatte deshalb mit einem dem Fiskalpakt noch versucht, einen Kompromiss zu suchen. Dass die Region unterfinanziert ist, bestreitet niemand.
Deshalb hat sich die Situation ergeben, dass die wirtschaftlich stärkste Region gleichzeitig die mit 42 Milliarden Euro am höchsten verschuldete ist. Obwohl sie besonders zur Finanzierung des Staatshaushalts beiträgt, bekommt sie pro Kopf weniger Geld zurück, als der Durchschnitt aller Regionen. Mas muss Madrid nun sogar um fünf Milliarden Euro anbetteln, um bis zum Jahresende über die Runden zu kommen. Im Gegenzug will Madrid in die Region hineinregieren. Das hat dazu geführt, dass auch seiner CiU der Krage geplatzt ist. Die erklärt, das Geld fließe zu Unrecht an Spanien ab. Wie die Basken hätte auch Katalonien kaum Schulden, wenn sie wie die Basken die Steuern selbst einzögen und mit Madrid aushandeln könnten, welche Quote für staatliche Leistungen abgeführt werden. Dass Madrid es als verfassungswidrig bezeichnet, dass auch die Katalanen die Steuern einziehen, versteht in Katalonien kaum jemand, wenn das die Basken seit mehr als 30 Jahre tun.
© Ralf Streck, den 25.09.2012
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