Gunter Demnig verlegt zehn Stolpersteine zum Gedenken an Opfer des NS-Regimes
Zum zweiten Mal nach 2008 hat Künstler Gunter Demnig in Straubing
gestern Stolpersteine verlegt. An der Wittelsbacher- und der Äußeren
Passauer Straße erinnern jetzt in den Gehweg eingelassene Granitsteine
an zehn Opfer des Nationalsozialismus: jeweils vor deren letztem
selbstgewählten Wohnort. Sichtbar ist von jedem Stolperstein nur eine
Messingplatte. Die Gravur verrät Name, Lebensdaten und einen Teil des
Schicksals, das jene Person erleiden musste.
An der Synagoge, wo
Demnig sieben Stolpersteine in den Gehweg der Wittelsbacher Straße
setzte, sprach Oberbürgermeister Markus Pannermayr von einem ganz
besonderen Termin für die Stadt. Menschen zum Stolpern zu bringen, das
passe im ersten Moment gar nicht in die heutige, von Geschwindigkeit
geprägte Welt, meinte der OB. "Doch stolpern ist nicht gleich fallen."
Die Stolpersteine sollen aus dem Tritt bringen und Möglichkeit geben,
etwas wahrzunehmen, was sonst nicht bewusst wird.
Diese Ansicht deckt sich mit der Philosophie des Künstlers, nach der ein Mensch erst vergessen ist, wenn sein Name vergessen ist. "Es sind nicht nur Namen, es sind Mitbürger und Nachbarn, die auf tragische Weise Verbrechen zum Opfer gefallen sind", sagte Pannermayr weiter. Es sei bequem, sich beim Gedanken an die NS-Zeit Bilder aus Hunderten Kilometer Entfernung ins Gedächtnis zu rufen, grausame Bilder von Krieg, Konzentrationslagern und dem fernen Berlin. "Aber das war nicht irgendwo, das war überall, auch in unserer Heimat!" Pannermayr forderte alle Straubinger dazu auf, ihren Beitrag zu leisten, dass so etwas nie wieder passiert. Und er freute sich darüber, dass in der Stadt trotz Verfolgung und Diskriminierung noch immer eine jüdische Gemeinde besteht. "Das ist fast ein Wunder", meinte der OB und übergab Rabbiner Shlomo Appel mit einem "herzlichen und aufrichtigen Schalom" das Wort. Im Anschluss an dessen Gebetsgesang begann Demnig mit dem Einsetzen der Stolpersteine, begleitet von Schülern, die aus den Lebensläufen der einzelnen Opfer lasen.
Im Juli wird der Kölner Künstler 154 Steine in Holland in den Boden
setzen, darunter den 40.000sten. Seinen Anfang nahm die Aktion 1996 in
Berlin. "An eine Genehmigung war damals nicht zu denken", sagt Demnig
rückblickend, der sich davon nicht aufhalten ließ.
Im Nachhinein
wurde die Initiative legalisiert. Vier Jahre später begann er, die
Denkanstöße europaweit zu verlegen, 2005 erhielt er dafür den
Verdienstorden der Bundesrepublik von Bundespräsident Horst Köhler. Bis
heute lässt er die Gedanken der Menschen gerne stolpern. "Es sind immer
andere Menschen, andere Schicksale, andere Orte. Langweilig wird mir
sicher nicht", erklärt Demnig, der für seine kleinen Kunstwerke eine
Patenschaft anbietet: für 120 Euro.
Paten der Stolpersteine
Für
den Gedenkstein von Julius Baumblatt hat die Klasse 9a des
Johannes-Turmair-Gymnasiums die Patenschaft übernommen, für Jenny
Baumblatt Dr. Ekkehard Bock, für Lore Baumblatt Klaus Schröder, für
Sabina Baumblatt Dr. Rosa Strohmeier und Gerhard Dendorfer, für Nathan
Tzvi Halevi Frank Anna-Maria Pfeilschifter, für Flora Frank Hans und
Gertraud Lohmeier, für Sara Frank die Klasse 9c der Mädchenrealschule
der Ursulinen, für Julie Loose die Volksbank Straubing und für Matthias
Miehling sowie Ludwig Egner die Barmherzigen Brüder.
Presseartikel im Vorfeld + Bericht von der Stolpersteinverlegung
- Presseartikel im Vorfeld: [Niederbayern] In Straubing werden Stolpersteine verlegt - Stolpern im Kopf
- Bericht von der Stolpersteinverlegung: "Demokratische" Zustände in Straubing