Die "Stolperstein Verlegung" in Straubing suggerierte den Eindruck eine öffentlich demokratische Veranstaltung der Stadt zum Gedenken an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus in Straubing. Die Polizei allerdings bewies, dass an diesem Eindruck gar nichts dran war.
Als um kurz vor 09.00 Uhr zwei Antifaschisten_innen in der Absicht am Gedenken teilzunehmen und dieses daraufhin mit einem Transparent ("Kein Vergeben, kein Vergessen. Im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialimus. Gegen deutschen Geschichtsrevisionismus.") zu begleiten, dauert es nur wenige Sekunden bis die Polizei die beiden zur Ausweiskontrolle bittet. Als die beiden ihre Ausweise an die Polizei geben, wird einer der beiden aufgrund seines italienischen Personalausweises misstrauisch befragt ob er denn auch wohne, wo er vorgebe zu wohnen. Dies geschieht während sich eine Person mit einem Rucksack mit einem Aufdruck von "Landser" und einem "Good Night Left Side" - Aufnäher in die Wittelsbacherstraße, dem Ort der Stolpersteinverlegung einbiegt. Er passiert ungehindert mehrere Polizisten und die Veranstaltung selbst, wo keiner sich über die unfassbare Respektlosigkeit empört, die das zur Schau Stellen Rechtsextremer Inhalte an einem Ort, der dem Gedenken von jüdischen Opfern des Nationalsozialismus gewidmet ist, zeigt. Vielmehr sind die Besucher der Veranstaltung (zwei Schulklassen und einige geladene Gäste aus CSU und SPD) damit beschäftigt der Selbstbeweihräucherung des CSU Bürgermeisters Markus Pannermayer zu lauschen, der in seiner Rede doch tatsächlich die Größe hat, zuzugeben, dass die Barbarei des Nazi-Regimes nicht nur "im fernen Berlin, den Kriegsfronten und den Konzentrationslagern" abgespielt hat, sondern auch in "unserer Heimat", Straubing. Währenddessen wurde der Antifaschist, der das Transparent in seinem Rucksack trug, durchsucht, woraufhin das Transparent von der Polizei begutachtet wurde. Er wurde darauf hingwiesen, dass es verboten sei, das Transparent aus dem Rucksack zu holen und zu zeigen, bei Zuwiderhandlung werde er abgeführt werden, hieß es weiterhin. Die Beamten der Polizei entließen daraufhin die beiden kontrollierten Personen und gaben ihnen die Ausweise zurück, nachdem bei dem Antifaschisten mit dem italienischen Personalausweis überprüft worden war, ob dieser auch auf der in seinem Ausweis angegebenen Adresse gemeldet sei.
Nun wurden sechs Schüler_innen einer neunten Gymnasialklasse vor das Synagogentor gebeten um dort ihre Erkenntnisse über das Leben der Familie eines der Opfer, dem durch die Verlegung eines Stolpersteins Gedacht wurde, vorzutragen. Mangels Mirkophonen und Motivation seitens der Schüler war bei dem Straßenlärm durch den nahen Verkehr kaum etwas verständlich. Daher und aufgrund der angestrengten Mienen ihrer Mitschüler_innen kicherten einige Schüler_innen unermahnt während eines Vortrages über Opfer der Nazi-Barbarei. In diesem Vortrag wurde, während der Rabbi der Straubinger Gemeinde sichtlich empört über die bisherige Gestaltung des Gedenkens war und sich daher nach der Rede Pannermayers darauf beschränkte aus der Thora zu lesen (er hatte am Tag zuvor eine sehr treffende Rede am Gedenktag in Regensburg gehalten), berichtet, dass die Verhältnisse für Juden in Nazideutschland erst nach der Reichsprogromnacht "schwierig" geworden waren und das Wohnverhältnis von 80 Juden, die gezwungen waren sich eine Wohnung zu teilen als "beengt" bezeichnet. Daraus lässt nicht nur auf eine vollkommene Ignoranz der Schüler_innen, sondern auch der beteiligten Lehrer_innen schließen, die die verharmlosend geschichtsrevisionistischen Beschreibungen ihrer Schüler_innen absegneten.
Der Vortrag wurde außerdem durch das Handyklingeln eines Polizisten gestört, dessen Handy laut die bayerische Nationalhymne spielte, wieder sehr zum Missfallen der anwesenden Mitglieder der israelitschen Gemeinde. Nachdem anschließend noch ein Sprecher der Volksbank das Leben und Leiden eines der Opfer auch wenig treffend beschrieb, da er zu sehr damit beschäftigt war, zu betonen, dass die Volksbank Straubing, da sich diese nun in den Räumlichkeiten des ermordeten und zuvor enteigneten Mannes der besagten Frau befindet, sehr daran gelegen sei, das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus zu bewahren. Dies war aus seinem Beitrag jedoch kaum ersichtlich. Nun kündigte Herr Pannermayer an, dass der Abschluss der Veranstaltung bei einer Einrichtung der Barmherzigen Brüder ihr Ende finden würde. Als die beiden anwesenden Antifaschist_innen die Wittelsbacher Straße verließen wurden sie sofort von der Polizei befragt ob sie denn weiter an der Veranstaltung teilnehmen wollten. Als diese verneinten, meinte einer der Bamten dazu, dass dies auch "besser so" sei.
Die Einladung der Stadt an interessierte Bürger_innen wurde somit zur Farce. Es handelte sich nicht um eine öffentliche Veranstaltung, sondern vielmehr um die selbstverliebte Imagekampagne einer Stadt und ihres Bürgermeisters, die das bestehende und schnell schlimmer werdende Naziproblem in Stadt und Landkreis ignoriert und totschweigt, dies sogar in direkter Anwesenheit der dortigen israelitischen Gemeinde, was einem Schlag ins Gesicht gleichkommt. Stattdessen wird die Teilnahme Interessierter, die nicht erwartet wurden, kriminalisiert und weitestgehende verhindert. Es fand also weder ein demokratisches oder antifaschistes Gedenken statt, sondern Geschichtsrevision und Verharmlosung der NS-Barbarei unter den Augen des repressiven Staatsorgans. Eine weitere Bestätigung der bereits bestehenden und sich verschlimmernden rechtsoffenen Tendenzen bayerischer Politik.
Presse
Presseartikel im Vorfeld: [Niederbayern] In Straubing werden Stolpersteine verlegt - Stolpern im Kopf
Presse #2
- Bericht der Presse: [Niederbayern] Stolpern, um nicht darüber hinwegzusehen
Ausweiskontrolle
Nur als Tipp, falls nicht eh schon gemacht: Ausweispflicht besteht auch für Polizeibeamte. Also immer schön Dienstausweis herzeigen lassen, bevor man sich selbst ausweißt - da könnte ja jeder daherkommen.
Falls Sie sich (mit irgendwelchen Ausreden) weigern: zum Telefon greifen, 110 Wählen und sich über Bewaffnete die sich als Polizei ausgeben beschweren.
Dannach Formlose Dienstaufsichtsbeschwerde an die Polizei schicken (per Mail mit Bitte auf schriftliche Antwort). Solang so eine Beschwerde vorliegt, dürfen Sie nicht befördert werden. Man kann sie soweit nerven, bis es ihnen zu blöd ist, und man nicht mehr kontrolliert wird.
Ihr wart vermutlich auf dem Weg zu einer Versammlung, oder sogar auf einer. Damit gilt Versammlungsrecht - nicht Polizeirecht --> Sie dürfen keine Taschenkontrolle machen.