Friedensinitiative ruft ETA zur Waffenruhe auf

Aberri Egung 2009 auch in diesem Jahr werden wieder Tausende die Grenze zwischen Spanien und Frankreich überschreiten, die das Baskenland (Euskal Herria) teilt

Im Europaparlament wurde eine Initiative zur friedlichen Konfliktlösung im Baskenland vorgestellt, die spanische Regierung dreht derzeit allerdings weiter an der Verbotsschraube. Kurz vor dem Aberri Eguna haben insgesamt 21 weltweit bekannte Persönlichkeiten, darunter vier Friedensnobelpreisträger sich am Montag für eine friedliche Konfliktlösung im Baskenland eingesetzt. Vor dem "Tag der Basken", der am Sonntag zwischen Irun und Hendaia begangen wird,  forderten sie am Montag in Brüssel in einem ersten und zentralen Schritt die baskische Untergrundorganisation ETA auf, eine "permanente und voll verifizierbare Waffenruhe" auszurufen. Damit soll die ETA das Bemühen der linken Unabhängigkeitsbewegung unterstützen. Kürzlich hatte nach monatelanger Diskussion die Basis der in Spanien verbotenen Partei Batasuna (Einheit) der Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele eine definitive Absage erteilt.

 

Der Südafrikaner Brian Currin, der sich als Friedensvermittler einen Namen gemacht hat, stellte das Dokument im Europaparlament vor. Der Kenner des baskischen Konflikts erklärte für die Gruppe, man begrüße den Vorstoß der patriotischen Linken, "exklusiv auf politische und demokratische Mittel" zu setzen , um die Ziele "in vollständiger Abwesenheit von Gewalt" zu erreichen. Dabei hatte sie die ETA unterschwellig schon zur Waffenruhe aufgerufen, um die Bedingungen zu schaffen, damit sich die "Initiativen der Zivilgesellschaft" entfalten können. "Vollständig umgesetzt kann diese Verpflichtung einen großen Fortschritt zur Beendigung des letzten Konflikts in Europa sein", stellte Currin in Bezug auf die Verpflichtung von Batasuna fest.

Die vier Friedensnobelpreisträger aus Südafrika und Irland, wie Erzbischof Desmond Tutu und Ex-Präsident Frederick de Klerk oder die Betty Williams und John Hume, wissen aus eigener Erfahrung, wovon sie sprechen. Getragen wird das Dokument auch von der Mandela-Stiftung und von den US-Friedenforschern, Andrea Bartoli, Aldo Civico, Sheryl Brown und Christopher Mitchel.  Dabei ist auch der frühere Interpol-Präsident, Raymond Kendall oder Jonathan Powell, Stabschef der britischen Regierung unter Tony Blair, ein Mitglied der Unesco und Silvia Casale, Ex-Präsidentin des Komitees zur Folterprävention des Europarats (CPT), das Spanien immer wieder wegen Folter angreift. Sie alle halten es für möglich, dass aus der Batasuna-Verpflichtung eine "unumkehrbare Realität" wird. Eine Waffenruhe der ETA, adäquat von der spanischen Regierung beantwortet, könnte ermöglichen, dass "die neuen politischen und demokratischen Bemühungen vorankommen, Differenzen gelöst und ein dauerhafter Frieden erreicht wird".

 

Als persönliche Meinung gekennzeichnet, erklärte Currin, eine adäquate Antwort aus Madrid bestehe darin, die Parteiverbote aufzuheben und die über viele Gefängnisse verteilten baskischen Gefangenen in die Heimat zu verlegen. "Das würde viel helfen", meinte Currin. Derlei Gesten hatte man nach der einseitigen Waffenruhe der ETA im letzten Friedensprozess vermisst, der 2007 definitiv scheiterte.

Es ist sicher kein Zufall, dass die Initiative jetzt kommt. Die ETA hatte kürzlich erstmals in ihrer Geschichte bei einer Schießerei einen französischen Polizisten getötet, womit die Lage in Frankreich eskaliert, nachdem die ETA dort schon zwei spanische Guardia Civils erschossen hatte. Und Madrid dreht weiter an der Repressionsschraube, um zu verhindern, dass bei den Regional- und Kommunalwahlen 2011 eine Liste der patriotischen Linken antreten kann (näheres unten). Das Parteiengesetz, 2002 extra zum Verbot von Batasuna 2003 geschaffen, soll verschärft und weitere Gesetze geändert werden. Die Unterzeichner des Dokuments wissen aus eigener Erfahrung, dass damit der Konflikt nur verlängert und verschärft wird.

 

Spanische Regierung dreht an der Verbotsschraube

Die spanische Regierung will ihre Verbotspolitik ausweiten. Um die baskische Linke aus den Institutionen zu drängen, hat sie auf ihrer Kabinettssitzung am vergangenen Freitag beschlossen, drei Gesetze zu ändern. Das Parteiengesetz, das extra verschärft wurde, um 2003 die baskische Partei Batasuna (Einheit) verbieten zu können, soll verschärft werden. Auch das Wahlgesetz, mit Verfassungsrang, und das Gesetz für lokale Belange sollen geändert werden.

Der Vorstoß zielt auf zwei Ebenen ab: Es soll verhindert werden, dass eine Partei oder Liste der baskischen Linken, an Wahlen teilnehmen kann. Dazu soll die Frist verlängert werden, in der im Wahlkampf eine Formation ausgeschlossen werden kann. Völlig neu ist, dass Gemeinde- oder Provinzräte, sowie Parlamentarier nach einem Verbot auch ihren Sitz verlieren. Es dürfe niemand vom demokratischen System profitieren, der einer "terroristischen Strategie dienen", wurde argumentiert, gemeint ist die der Untergrundorganisation ETA.

Mit der Reform soll ausgebügelt werden, dass man 2009 mit dem Versuch scheiterte http://linksunten.indymedia.org/de/node/7081, die neue "Internationalistische Initiative - Solidarität unter den Völkern" (II-SP) von den Europaparlamentwahlen auszuschließen. Beantragt wurde der Ausschluss erneut damit, dass es sich um ein "Instrument der ETA" handele. Wie bei den Verboten zahlloser Listen zuvor, wurde eine "ideologischen Nähe" zur ETA angegeben, weil auch II-SP für ein unabhängiges, wiedervereintes und sozialistisches Baskenland eintritt. Dem Obersten Gerichtshof hatte dies erneut gereicht, doch das Verfassungsgericht kassierte das Urteil. Indizien "können fundamentale Rechte zur politischen Teilnahme nicht aushebeln", um frei eine Ideologie zu vertreten, wurde geurteilt. Eine zentrale Rolle, dass erstmals ein Verbot kassiert wurde, lag darin, dass kein Baske für II-SP kandidierte.

Auch ohne neue Verschärfungen werden die Verbote international kritisiert. Der UNO-Sonderberichterstatter für Menschenrechte Martin Scheinin zeigte sich "beunruhigt darüber, welche Vielfalt an Bestimmungen“ des jetzigen Parteigesetzes Verbote ermöglichten.  "Schwammige" Formulierungen "können so interpretiert werden, dass sie auch auf jede politische Partei zutreffen, die mit friedlichen Mitteln ähnliche politische Ziele verfolgt, wie terroristische Gruppen“, kritisiert der UNO-Bericht. Scheinin forderte, die "vagen Formulierungen des Gesetzes an die internationalen Kriterien in Bezug auf die Einschränkung der Meinungsfreiheit anzupassen". Auch, die Strafrechtsbestimmungen zu "Terrorismus seien zum Teil vage". Es käme zu einer "Ausweitung des Terrorismuskonzepts auf Handlungen", die nicht in Verbindung zu schweren Gewaltakten (PDF) stünden. Eine Zusammenfassung auf Deutsch hier. , seien sie mit "vagen Formulierungen" im Parteiengesetz möglich.


Die Sozialisten (PSOE) wollen es mit Unterstützung der PP aber nun erneut ausweiten, während die baskische Linke neue Vorstöße für eine friedliche Konfliktlösung macht. Die PSOE lässt sich aber von der konservativen Volkspartei (PP) vor sich hertreiben. Es war Jaime Mayor Oreja, Ex-Innenminister, der zuvor im Europaparlament erklärt hatte, dass die Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero nach dem 2007 gescheiterten Friedensprozess erneut mit der ETA im Gespräch sei. Oreja ist jemand, der sich zum Beispiel nie vom Putsch Francos und der 40jährigen Diktatur distanziert hat. Zapatero werde der ETA erlauben, bei den Kommunalwahlen 2011 anzutreten und "die wird ihm den Gefallen zurückgeben", damit Zapatero 2012 die Parlamentswahlen gewinnt. Um "Spanien zu schwächen" handele sich um "potentielle Verbündete", sagte Oreja. "Lügen" nannte diese Vorwürfe Zapatero. Der in der Wirtschaftskrise schwer angeschlagene Ministerpräsident versucht nun offenbar alle Zweifel zu zerstreuen. Er geht auf das Spiel der PP ein, die jede Veränderung des Status Quo verhindern will. Einst waren sie gegen das Autonomiestatut, als dessen Verteidiger sie nun auftreten.

Ralf Streck den 30.03.2010

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Aufmerksam machen möchte ich noch auf die peinliche Verhaftung von Walter Wendelin in Venezuela. Er ist der Sprechers der baskischen Internationalismusorganisation Askapena. http://linksunten.indymedia.org/de/node/18564#comment-5385