Kundgebung in Freiburg: Freiheit für Tomas!

Freiheit für Tomas - Weg mit 129/a/b

Am 2. Juni versammelten sich etwa 80 Linke, FreundInnen und KollegInnen von Tomas am Bertoldsbrunnen in der Freiburger Innenstadt. Tomas Elgorriaga Kunze wurde am 31. Oktober 2014 in Mannheim verhaftet und sitzt seitdem dort in Untersuchungshaft. Ihm droht aktuell die Auslieferung nach Frankreich, wo er in Abwesenheit verurteilt worden war. Zudem ermittelt das BKA gegen Tomas nach §129a/b. Der 1963 geborene baskische Linke war vor über 15 Jahren nach schwerer Folter aus Spanien geflohen und lebte bis zu seiner Verhaftung unter dem Namen José Gabriel Jiménez in Freiburg, wo er nach seinem Studium an der Uni arbeitete.

 

Nach zwei gut besuchten Info-Veranstaltungen Mitte Dezember 2014 und Ende Mai 2015 hatten jetzt die KTS, mehrere antifaschistische und anarchistische und einige studentische Gruppen zu der Kundgebung aufgerufen, um gegen die drohende Auslieferung von Tomas zu protestieren. Mit fünf Redebeiträgen, knapp 1.000 Flyern und baskischer Musik wurde auf Tomas' Situation aufmerksam gemacht, es wurde auf Folter in Spanien und die Paragraphen 129a/b eingegangen und der Konflikt im Baskenland thematisiert.

 


 

Gedichte, die als Flyer verteilt und auch als Lieder gespielt wurden

 

Aspaldian utzitako zelda // Seit langem verlassene Zelle


Ich wüsste gerne, wer jetzt die Zelle füllt
die ich einst hinter mir ließ
ob er wohl die typische Inschrift versteht:
„kämpfen oder sterben“


Ob man aus der Nachbarzelle mit ihm spricht
das Rohr vom Klo gelöst
wie sich per Telefon zu unterhalten


Ob die Tage dort unendlich sind
die Nächte eiskalt
die Sonnenaufgänge wie saure Milch


Ob das Auge im Türspion bei der Zählung
jemanden sieht oder ob da niemand mehr ist


Ich würde gerne wissen, ob wir Ausbrecher
wirklich geflohen sind
oder ob die Flucht nur ein einfache Ausrede war
um am Leben zu bleiben


Gedicht von Joseba Sarrionandia, der von der ETA aus dem Knast befreit wurde. Zusammen mit einem Mitgefangenen wurde er nach einem Konzert in einer Lautsprecherbox aus dem Gefängnis geschmuggelt. Diese Flucht inspirierte das berühmte Lied Sarri, Sarri der Ska-Band Kortatu.
Beide Texte vertont von Berri Txarrak.


Mundua begiratzeko leihoak // Fenster zur Welt hinaus


Schaut nicht aus dem Fenster, sagten sie uns
Fenster sind Guillotinen
durch halb offene Fenster
durch halb geschlossene Fenster
nach draußen zu blicken,
kann bedeuten, den Kopf zu verlieren
Drückt auf den Knopf und schaut in die Glotze,
das lehrende Auge


Schaut nicht aus dem Fenster
auch wenn das Glas zerspringt
lebt mit den Insekten im Haus,
bleibt mit eurem Tod
draußen gibt es nichts
nur abgehackte Köpfe derer, die geschaut haben
und Autos mit Alarmsystemen,
in Bereitschaft


Schaut nicht aus dem Fenster
Schaut nicht auf wilde Enten,
die  über das Firmament ziehen
Das kommt in eurem Alphabet nicht vor.

 


 

Redebeitrag: Freiheit für Tomas!


Wir sind heute hier, um unsere Solidarität mit Tomas Elgorriaga Kunze zu zeigen. Tomas wurde am 31. Oktober letzten Jahres verhaftet. Bis zu diesem Zeitpunkt war er Mitarbeiter am Institut für Soziologie hier an der Uni Freiburg.


Vor seiner Festnahme hatte er über Jahre hinweg in Deutschland unter dem Namen José Gabriel Jiménez gelebt, um sich vor einer Festnahme zu schützen.


Als Tomas noch in Spanien lebte, war er in der baskischen Unabhängigkeitsbewegung aktiv. 1998 wurde er von den spanischen Behörden festgenommen. Ihm wurde vorgeworfen, die in Spanien verbotene Organisation Euskadi Ta Askatasuna (kurz ETA) unterstützt zu haben; ein Vorwurf, der nach spanischer Rechstlage keiner starken Beweislage bedarf.


Menschen, die wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung der ETA festgenommen werden, sind oft Folterungen ausgesetzt, die außerhalb rechtsstaatlicher Kontrollen stattfinden.
Auch Tomas wurde nach seiner Festnahme 1998 schwer gefoltert. Dies geschah während der sogenannten Kontaktsperre, bei der den Gefangenen in den ersten 5 Tagen nach der Festnahme jeder Kontakt mit der Außenwelt vorenthalten wird. Auch mit ihren Anwälten und Anwältinnen.
Als Tomas vorübergehend freigelassen wurde, floh er vor der Folter nach Deutschland.


In Freiburg baute er sich ein neues Leben auf: Er studierte an der philosophischen Fakultät und war danach Mitarbeiter am Institut für Soziologie. Hier fand er Freundinnen und Freunde und einen Ort zum Leben im Exil.


Dieses neue Leben wurde ihm im vergangenen Herbst genommen, als die deutsche Polizei ihn per internationalem Haftbefehl festnahm. Der Haftbefehl war ausgestellt worden, weil er in Frankreich in Abwesenheit wegen Passfälschung verurteilt wurde.

 

Tomas versucht nun mit Hilfe seiner Anwält*innen die ihm drohende Auslieferung nach Frankreich zu verhindern. 


In Frankreich droht Tomas wiederum mit hoher Wahrscheinlichkeit die Auslieferung nach Spanien. Die französische Regierung liefert baskische Geflüchtete nach Spanien aus, obwohl ihr bewusst ist, dass ihnen in Spanien erneute Folter droht.


Amnesty International, der Ausschuss für Menschenrechte der UN und auch der europäische Gerichtshof für Menschenrechte weisen immer wieder auf die Menschenrechtsverstöße Spaniens hin. Die Folter politischer Gefangener in Spanien ist also kein Geheimnis und sie besteht auch nach der Beendigung des bewaffneten Kampfes der ETA 2011 fort.


In Deutschland ermittelt nun auch das BKA in Tomas' Fall. Von den Ermittlungen aufgrund der Paragraphen 129a und 129b sind auch auch das persönliche Umfeld, die Freund*innen und Bekannten von Tomas betroffen.

 

Die Leitung der Uni und des Instituts für Soziologie enthalten sich einer Stellungnahme in der Öffentlichkeit. Die drohende Folter eines ihrer nun ehemaligen Mitarbeiter wird nicht öffentlich kommentiert.

 

Wir sind heute hier, um die deutschen und französischen Behörden aufzufordern: Lasst Tomas nach Freiburg zurückkehren!
Wer Menschen wissentlich in Folterstaaten ausliefert, trägt die Verantwortung für das, was mit ihnen geschieht, mit.
Wir protestieren aufs schärfste das Fortbestehen von Folterstaaten in Europa und der ganzen Welt!
Wir verurteilen jede Beihilfe durch Auslieferung und Verschleppung!
Solidarität mit Tomas!
Keine Auslieferung, weder nach Frankreich, noch nach Spanien!
Für eine Gesellschaft ohne Knäste, Folter und Deportation!

 

 

Ausschnitt aus dem Audio-Mitschnitt von RDL

 


 

Grußbotschaft von Tomas aus dem Knast Mannheim, geschrieben Ende April


Ich versuche hier (im Knast in Mannheim, Anm. der Redaktion) die aktuelle Weltlage so gut es geht weiter zu verfolgen. Seit dem jähen Ende des grossflächigen Versuchs einer sozialen Moderne um 1990 haben sich die Folgen der privatwirtschaftlichen, profitorientierten liberalen Moderne drastisch verschärft. Die immer tragischer verlaufenden Migrations- und Fluchtbewegungen spiegeln paradigmatisch zugleich die Situation der Menschen in Europa, sowie in vielen Regionen der Welt wieder.


Einerseits bringen sie die Ungleichheiten zutage, unter denen immer mehr Menschen innerhalb Europas leiden, was ihre Chance betrifft, Zugang zu Bildung, Gesundheit, Wohnraum und ein menschenwürdiges Einkommen zu erlangen. Dies betrifft ebenso Alteingesessene, wie – verschärft – Neuzugezogene.


Andererseits werden auch die Umstände in den Herkunftsländern der Migrantinnen und Migranten meistens vom neoliberalen Bestreben verursacht, weltweit natürliche und menschliche Ressourcen durch Krieg und Ausbeutung zu enteignen und koloniale Gräben zu vertiefen. Die Probleme der Menschen im Baskenland gleichen denen der Menschen in ganz Europa. Aber der Konflikt dort, zwischen breiten Bevölkerungsschichten und den beteiligten, zunehmend autoritär agierenden Staaten bietet letzteren ein geeignetes Versuchsfeld, um repressive Sondermassnahmen gegen eine selbstbewusste und sozial aktive Gesellschaft einzusetzen.


Dazu gehören die massive Einschränkung der Meinungs-, Presse-, Demonstrations- und Bewegungsfreiheiten für systemkritischen Menschen und Organisationen. Ebenso die gewalttätige Verfolgung von politisch, gewerkschaftlich, sozial und kulturell aktiven Gruppen und Einzelpersonen mittels Festnahme, Folter, Inhaftierung, Kontrollauflagen, hoher Geldstrafen, Berufsverboten, Bewegungseinschränkungen und Beschlagnahmungen. Zuletzt wurde dies unter pauschalen, medienwirksamen („Terrorismus“-)Vorwürfen intensiviert durch die Kriminalisierung solidarischer Bewegungen (z.B. gegen Zwangsvollstreckungen, oder für politische Gefangene), von Jungendorganisationen, von internationalistischen und ökologischen Initiativen (Askapena, Itoiz, AHT, . . . ), bis hin zu soziokulturellen Vereinen.

 

Die polizeiliche und juristische Gleichschaltung in der EU, z.B. über EU-Haftbefehle und Schengen-Abkommen, unterstützt bewusst und legitimiert ungeprüft rechtsfreie Räume in deren Mitgliedstaaten, um jeden sozialen und politischen Protest und Widerstand langfristig tot zu schweigen. Der Weg aus der neoliberalen Sackgasse führt nicht über rassistische Ausgrenzung oder vermeintlich europäische Werte, sondern über den Aufbau von nachhaltigen, demokratischen Gesellschafts-strukturen. Der soziale und rechtliche Rückschritt der letzten Jahrzehnte bietet auch die Chance, diese von Grund auf neu zu gestalten: antipatriarchalisch, ökologisch und solidarisch. Hier, im Baskenland, und überall in der Welt.

 

Erstveröffentlicht auf info-baskenland.de

 

 

Auschnitt aus dem Audio-Mitschnitt von RDL

 


 

Redebeitrag von Wiebke Keim, ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie, Kollegin von Tomas Elgorriaga Kunze


Liebe Leute,


ich schreibe diese Zeilen aus dem Ausland und bedaure sehr, bei der heutigen Kundgebung nicht dabei sein zu können. Es ist ein wichtiges Zeichen, dass Menschen aus Freiburg auf die Straße gehen, um sich mit Tomas, den wir als José kennen, zu solidarisieren.


Ich habe in den letzten vier Jahren mit Tomas in einem Forschungsprojekt am Institut für Soziologie zusammen gearbeitet. Unser Arbeitsverhältnis war sehr gut. Ich schätze Tomas als Menschen sehr und habe großen Respekt vor seinen intellektuellen Positionen, die er in vielen und vielseitigen Diskussionen vertreten hat. Man kann sicherlich sagen, dass wir in den letzten Jahren beide viel voneinander lernen konnten. Und ich erwarte mit größter Ungeduld das Ende seiner Haft, um unsere sozialwissenschaftlichen Vorhaben fortsetzen zu können.


Es erfüllt mich mit Wut und Ohnmacht, dass er nun seit sieben Monaten in U‐Haft sitzt, und dass wir kaum etwas für ihn zu tun vermögen. Besonders schwierig ist dabei, dass es derzeit, unter den Bedingungen der U‐Haft und bei laufenden Ermittlungsverfahren, keine Möglichkeit gibt, sich mit ihm selbst über die Vergangenheit und die Zukunft, über die Stoßrichtung von möglichen solidarischen Aktivitäten und über seine Einschätzung zu aktuellen Lage im Baskenland und in Europa auszutauschen. Wenn ich heute zu der Sache etwas sagen soll, was über eine persönliche Sympathiebekundung hinausgeht, so kann ich mich dabei nur auf die Informationen und die Meinung von Dritten stützen. Insbesondere, was die Presse betrifft, sind wir mit weit auseinander klaffenden Berichterstattungen konfrontiert.


Doch vielleicht kommt es im Moment auch gar nicht darauf an, was wirklich geschehen ist und ob überhaupt irgendeine der insbesondere in der spanischen Presse verbreiteten Anschuldigungen gegen Tomas begründet sind. Diese Fragen stellen derzeit Ermittlungsbehörden und Justiz, ich will sie nicht stellen. Ein gewisses Maß an Unwissen hält mich nicht davon ab, heute zunächst die Nichtauslieferung von Tomas nach Frankreich zu fordern. Es ist sein Wunsch, sowie die Zielsetzung der Familie und der solidarischen Bewegung im Baskenland, dass das Verfahren in Deutschland stattfinden soll. Hier hat er die letzten 10 Jahre gelebt, und hier erhofft er sich ein faireres Verfahren als in Frankreich. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass er von Frankreich aus nach Spanien ausgeliefert werden könnte. Alleine diese Befürchtung ist für einen durch Folter Traumatisierten unzumutbar. Ich unterstütze daher voll und ganz die Forderung, dass Tomas nicht nach Frankreich ausgeliefert wird!


Ich will noch eine weiterreichende Forderung stellen. Die ETA befindet sich seit mehreren Jahren auf dem Weg hin zu einer friedlichen Lösung des Konfliktes und hat den bewaffneten Kampf aufgegeben. Die Geschichte des Konfliktes zwischen ETA und spanischem Staat ist auf beiden Seiten eine blutige.


Sie nahm ihre Ursprünge in der Errichtung der Franco‐Diktatur als Ergebnis des spanischen Bürgerkriegs. Am spanischen Bürgerkrieg war nicht zuletzt die deutsche Legion Kondor zur Unterstützung der spanischen Faschisten maßgeblich beteiligt. Die deutschen Truppen fanden hier ein Versuchsfeld zur Vorbereitung des nächsten Krieges vor. Mein Großvater war für die Faschisten im spanischen Bürgerkrieg. Und kurz nach Tomas Verhaftung traf ich mich mit seinem baskischen Rechtsanwalt, Jonan Lekue, der aus Guernica stammt. Das sind Umstände, die mich in all den vergangenen Monaten sehr viel zum Nachdenken angeregt haben.


Bis heute hat es die baskische Bewegung geschafft, zumindest nach außen hin, keine klare Trennlinie zu ziehen zwischen der bewaffneten ETA einerseits und der breiteren linken Bewegung im Baskenland andererseits. Eine eindeutige Distanzierung der breiteren Bewegung und der legalen Parteien von den Aktivitäten der ETA, die von Kritikern stets gefordert und erwartet wurde, hat, soweit ich informiert bin, nie ausdrücklich stattgefunden. Dies ist gerade im europäischen Kontext, wo die Gewaltfrage regelmäßig zur Spaltung linker Bewegungen geführt hat, bemerkenswert. Es macht gleichzeitig für Externe wie mich die Positionierung gegenüber dieser Bewegung als Ganzer problematisch. Es ist ein Privileg, in Zeiten und in einem gesellschaftlichen Umfeld aufgewachsen zu sein, wo es nicht allzu viel verlangt war, pazifistische Positionen einzunehmen. Und es ist nachvollziehbar, dass Menschen, die in einem von Gewalt geprägten Umfeld aufwachsen, selbst eine andere Disposition gegenüber der Gewaltfrage entwickeln und den Einsatz von Gewalt zur Erreichung politischer Ziele anders beurteilen. Umso wichtiger erscheint es mir für beide Seiten, die entgegengesetzten Positionen stets in immer erneuten Auseinandersetzungen zu formulieren und jeweils erneut zu überdenken. Gemäß Jonan Lekue, dem baskischen Anwalt von Tomas, der auch jahrelang auf europäischer Ebene politische Arbeit für die baskische Bewegung geleistet hat, waren es unter anderem die unablässigen Zweifel der sympathisierenden Gruppen quer durch Europa an der Haltung der ETA und der breiteren baskischen Bewegung gegenüber der Gewaltfrage, die zum Richtungswechsel 2010 geführt haben. Auf die einzelnen Etappen des nachfolgenden, bisher weitgehen einseitig geführten Friedensprozesses möchte ich nicht weiter eingehen. Die spanische Regierung hat auf das Friedensangebot bisher weitgehend mit Blockadehaltung und anhaltender Kriminalisierung reagiert. Die baskische Seite dagegen verhandelt gerade die Frage der politischen Gefangenen im Zuge des Friedensprozesses als Ganzem.


Das Kollektiv der Baskischen Politischen Gefangenen schreibt 2013: „Aufrichtig anerkennen wir all das Leid und den vielseitigen Schaden, der als Konsequenz des Konflikts entstand“. Eine solche ethisch begründete Einsicht scheint mir eine wesentliche Grundvoraussetzung für den Erfolg einer friedlichen Lösung. Das Kollektiv fordert außerdem: „Der politische Ursprung des Konflikts verlangt eine politische Lösung“. Weiterhin: „Wir unterstützen das neue Szenario, das nach dem Ende der bewaffneten Aktivitäten von ETA entstand, die politischen und demokratischen Wege und Methoden für die Freiheit des Baskenlands, wir stimmen den Entscheidungen, die in dieser Hinsicht getroffen wurden, zu. Deshalb bekräftigen wir nochmals unsere Abkehr von den Methoden, mit der in der Vergangenheit Unterdrückung, Repression und Verletzungen von Rechten bekämpft wurden“. Ferner schreibt das Kollektiv: „Wir akzeptieren die volle Verantwortung für die Konsequenzen unserer politischen Aktivitäten im politischen Konflikt. Wir sind bereit, unsere individuelle Verantwortung in einem abgestimmten Prozess unter entsprechenden Bedingungen und Garantien zu analysieren“ (1).

 

Seit seiner Festnahme kann und muss sich Tomas nicht mehr verstecken. So wie ich ihn kenne, bin ich überzeugt, dass er all sein Engagement daran setzen würde, um den Friedensprozess weiter voranzubringen und an einer friedlichen Lösung im Baskenland mitzuwirken. Er hat mir aus dem Gefängnis geschrieben, dass es zu seinem größten Leidwesen war, dass er in all der Zeit in Freiburg nie politisch aktiv werden konnte. Wir sollten uns vergegenwärtigen, dass die linke Bewegung im Baskenland Visionen von einer besseren Gesellschaft nährt, die in Europa heute weitgehend mangeln. Auch wenn einige der Beteiligten diese über lange Jahre mit Mitteln durchzusetzen versuchten, die ich für falsch halte, wäre es wichtig, aus den positiven Aspekten der baskischen Bewegung zu lernen. Der Versuch, im Baskenland auf kleiner Ebene ein Experiment für eine egalitärere, demokratischere Gesellschaft zu wagen, könnte durch den Friedensprozess eine neue Chance erhalten. Ich bin überzeugt, dass Tomas seine intellektuellen und politischen Fähigkeiten zum Einsatz bringen wird, um die Baskenfrage im Sinne einer friedlichen Lösung heute voranzubringen.


Ich zögere daher nicht, die Freilassung von Tomas zu fordern, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich mit voller Kraft für eine friedliche Lösung einzusetzen. Im Sinne des Friedensprozesses im Baskenland, Freiheit für Tomas! Freiheit für alle politischen Gefangenen!

 

 

(1) „Erklärung des Kollektivs der baskischen politischen Gefangenen EPPK“ vom 28.12.2013, in deutscher Übersetzung. http://www.info‐baskenland.de/1363‐0‐EPPK+Erklaerung.html (Zugriff 2.6.2015).

 

Fragmentarischer Audio-Mitschnitt von RDL

 


 

Redebeitrag gegen Folter in Spanien, Auslieferung und die Paragraphen 129a/b

 

Wir stehen heute hier, um die Auslieferung von Tomas Elgorriaga Kunze zu verhindern.

Tomas war 1998 als linker Stadtrat im Baskenland politisch aktiv. Er wurde von den spanischen Behörden verdächtigt, die ETA zu unterstützen. Er wurde festgenommen und 5 Tage in Isolationshaft gesteckt. Während dieser Zeit wurde er von der spanischen Polizei gefoltert. Er wurde bedroht, es gab Scheinhinrichtungen, es wurde gedroht, auch seinen Freunden und Verwandten etwas an zutun, er erhielt Elektroschocks und die Foltermethode Bolsa, bei der dem Betroffenen eine luftundurchlässige Tüte über den Kopf gezogen wird, so dass die Gefahr der Erstickens entsteht, wurde bei Tomas angewendet.

Wir befürchten, dass eine Auslieferung dazu führt, dass Tomas wieder den spanischen Behörden in die Hände fällt. Wir befürchten, dass Tomas wieder gefoltert wird.

Wir haben gute Gründe dafür, obwohl der spanische Staat doch Teil der Europäischen Union ist, die zumindest per verbindlicher Konvention vorgibt, die Menschenrechte zu schützen. Auch hat der spanische Staat die Menschenrechtskonvention der EU ratifiziert. Und er hat die Konvention der Vereinten Nationen gegen Folter unterzeichnet. Dennoch gibt es in Spanien eine traurige Tradition von Menschenrechtsverletzungen. Ein Bruch mit der Diktatur Francos fand nicht statt, die schweren Menschenrechtsverletzungen aus dieser Zeit wurden nie strafrechtlich aufgearbeitet, die Täter blieben im Polizeidienst.

Gerade in den 1980er Jahren wurde die menschenrechtsverletzende Praxis fortgesetzt. Nicht nur, dass der Staat Folter als ein Mittel der Aufklärung im Strafverfahren einsetzte, es wurde auch eine staatsterroristsiche Gruppe, die GAL, gegründet, die politische Gegner gewaltsam ausschaltete. Diese Zeit ist als guerra suicia, der schmutzige Krieg, bekannt.

Auch heute noch kommt es, insbesondere gegen politisch unbequeme Menschen, im spanischen Staat zu Folter. 2012 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Spanien, weil Verstöße gegen die Antifolterkonvention festgestellt wurden, die einen baskischen Journalisten betrafen.

Der UN-Sonderberichterstatter über Folter, der UN-Menschenrechtsausschuss, das europäische Komitee zur Folterprävention sowie Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen kritisieren die gesetzlichen Sonderbestimmungen, die eine Haft unter Kontaktsperre (span. prisión incomunicada) ermöglichen. Gefangene äußern regelmäßig Beschuldigungen wegen Folterungen, Misshandlungen und erpressten Aussagen während dieses Zeitraums.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied außerdem 2013, dass die Praxis der Strafvollstreckung in Spanien gegen das Recht auf Freiheit und das Prinzip "keine Strafe ohne Gesetz" verstößt.

Wir sind auch hier, um für Tomas ein faires Verfahren zu fordern. In Zeiten, in denen die Gefahr vor vermeintlichem oder tatsächlichem Terrorismus dazu dient, sämtliche rechtsstaatliche Grundsätze außer Kraft zu setzten, müssen die Ermittlungsbehörden besonders kritisch und wachsam durch eine breite Öffentlichkeit beobachtete werden. Auch in Deutschland gibt es eine lange Tradition der Gesinnungsjustiz, die sich an dem § 129a StGB festmachen lässt. Allein die vermutete oder tatsächliche Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung reicht aus, um sich strafbar zu machen. Einer konkreten Handlung bedarf es dafür nicht. Selbst das Sympatisieren mit den politischen Ideen kann als Unterstützungshandlung ausgelegt werden.

Dabei bestimmt in geheimer Sitzung der EU-Ministerrat, welche Organisation auf der Terrorliste steht. Die ETA, auch wenn sie seit 2011 den bewaffneten Kampf eingestellt hat, gehört noch dazu. Dass es hierbei auch zu skurrilen, gar widersprüchlichen, Einschätzungen kommt, zeigt das Beispiel der PKK. In der Schweiz ist diese kurdische Organisation nicht verboten. Der irakische Ableger der PKK, sowie die Kurden und Kurdinnen in Nordsyrien wurden im letzten Jahr sogar durch die deutsche Bundesregierung unterstützt und Waffenlieferungen an diese diskutiert.

Verfahren, die in Deutschland gegen politisch linke Aktivitäten in den letzten 20 Jahren mit dem Vorwurf der Unterstützung oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung eingeleitet wurden, endeten nur in 3% der Fälle mit einer Anklage. Mehrfach schon wurden seitens des Bundesgerichtshofes in jüngster Vergangenheit Rügen an die Bundesgeneralstaatsanwaltschaft erteilt und Haftbefehle auf Basis des § 129a StGB aufgehoben.

Neben unserer Forderung, Tomas nicht auszuliefern, müssen wir also auch ganz deutlich verlangen, dass die Ermittlungen gegen Tomas objektiv, rechtsstaatlich und mit kritischer Prüfung der aus Spanien übernommen Mutmaßungen, für die bisher nicht ein einziger Beweis vorgelegt wurde, geführt werden.

Alto a la tortura!
Freiheit für Tomas!
Presos politicos libertad!

 

 

Ausschnitt aus dem Audiomitschnitt von RDL

 


 

Den Abschluss bildete eine sehr persönliche Schilderung einer Freundin von Tomas, die darin auch aus einem ihrer Briefe an ihn vorlas.

Audiomitschnitt von RDL

 

Schreibt Tomas:

 

Tomas Elgorriaga Kunze
Justizvollzuganstalt Mannheim
Herzogenriedstrasse 111
68169 Mannheim

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Keine Auslieferung an Frankreich oder Spanien! Freilassung von Tomás

 

Die Audiomitschnitte der Reden wurden auch oben im Text verlinkt.

Interview zur Situation von Tomas Elgorriaga Kunze vom 02.06.2015 mit Uschi Grandel von Euskal Herriaren Lagunak

Passend zum Thema: Die 3 Tornados mit Terror Rosita

05.06.2015: SWR-Radiobericht zur Kundgebung für Tomas Elgorriaga Kunze

Folter. Flucht. Freiheit! Tomas/Jose – eine baskischer Flüchtling in Freiburg

 

Mittwoch, 24.06.2015 // 19:30 Uhr // Hörsaal 3044 // KGIII // Uni Freiburg

Am 14. November findet wieder eine Kundgebung statt, diesmal mit Unterstützung von baskischen FreundInnen aus Tomas' Heimatdorf. Kommt alle!

 

https://linksunten.indymedia.org/de/node/156546