¡No Pasaron! Rückblick Dresden 2011

Dresden2011

¡No pasaron! - Sie kamen nicht durch. Die Mobilisierung gegen Europas größten Naziaufmarsch wurde zum Erfolg. 20.000 Antifaschist_innen blockierten am 19. Februar Dresdens Straßen und verhinderten damit den Marsch der Nazis. Wir standen gemeinsam und solidarisch und konnten durch verschiedene Aktionsformen eine Situation schaffen, in der es der Polizei unmöglich war, den „Trauermarsch“ der Rechten durchzusetzen. Doch die Blockierer_innen zahlten einen hohen Preis: hunderte Verletzte durch Polizeigewalt, Verletzte und Sachschaden durch Nazigewalt, Repression gegen Demonstrant_innen und eine Razzia gegen das Bündnis „Dresden Nazifrei“. Aber wir haben uns gewehrt! Gegen alle Widerstände konnten wir unsere Blockaden zum Erfolg werden lassen und die Nazis stoppen.

 

Daran gilt es auch im nächsten Jahr wieder anzuknüpfen und deshalb wollen wir unsere Erfahrungen reflektieren, aus Fehlern lernen, um 2012 einen Schritt weiter zu kommen, bis der Naziaufmarsch Geschichte ist.

 

1) Mobilisierung und Vorlauf
Zunächst können wir festhalten: Die Mobilisierung nach Dresden war ein voller Erfolg. Mit 20.000 Antifaschist_innen zählt die Mobilisierung zu den größten der letzten Jahre. Auch die regionale Beteiligung aus Süddeutschland war sehr groß und die lokale Reisegruppe aus der Rhein-Neckar-Region war mit vier Bussen mehr als ordentlich. Trotzdem wäre mehr drin gewesen. Die Demo gegen Nazis in Pforzheim, an der sich ca. 500 Antifaschist_innen beteiligten, war unglücklicherweise auf den selben Tag gelegt worden. Im Bündnis "Mannheim gegen Rechts" fiel die Beteiligung sehr unterschiedlich aus. Wir haben insbesondere die (personelle) Unterstützung aus Partei- und Gewerkschaftskreisen vermisst. In anderen Regionen der Republik konnten Gewerkschaften, Grüne und Die Linke eine große Zahl Menschen mobilisieren und beteiligten sich zudem an konkreten organisatorischen Aufgaben innerhalb des Bündnis "Dresden Nazifrei".
Am Rande sei erwähnt, dass die Mannheimer Mobilisierung fast komplett ohne Mobilisierungsmaterial (Plakate, Flyer, Zeitungen etc.) auskommen musste. Trotzdem haben wir die Busse voll bekommen. Das zeigt einerseits, dass Printmedien überschätzt werden und der Großteil der Werbung über Onlinemedien läuft. Andererseits wären mit zusätzlichen Werbemitteln weitere Kreise angesprochen worden und wir hätten vielleicht einen weiteren Bus voll bekommen.
Für den etwas chaotischen Ticketverkauf beim "Bündnis Mannheim gegen Rechts" möchten wir uns an dieser Stelle entschuldigen, vor allem bei denen, die deshalb kein Ticket mehr bekommen haben. Wir können aber so viel sagen: Wir haben aus den Fehlern gelernt und werden es nächstes Jahr besser machen.

2) An- und Abreise
Die An- und Abreise verlief problemlos, abgesehen vom Verfehlen des Zielortes eines Mannheimer Busses. Unser Ziel war es, nach Dresden zu kommen und Konflikte mit Nazis oder Polizei möglichst zu vermeiden. Die Insassen unserer Busse haben verantwortungsbewusst und solidarisch gehandelt. Die Reise ist also insgesamt gelungen, wenn auch etwas Glück dazu gehörte. Die bei der Organisation gemachten Fehler werden mit den beteiligten Gruppen intern diskutiert.

3) Die Blockaden und Aktionen
Das Konzept des Bündnisses "Dresden Nazifrei" ging auf. Die Anreise gelang und viele Blockierer_innen fanden sich an Blockadepunkte ein, zu denen sie nach Auffassung der Polizei nicht hätten kommen dürfen. Dabei war die Entscheidung richtig, auf der Autobahn auszusteigen. Problematisch waren hingegen die Polizeisperren. Ein "lockeres durchsickern" erwies sich als utopisch, da die Polizei die Antifaschist_innen sofort mit Pfefferspray und Knüppeln attackierte. Das offensive Durchbrechen der Polizeisperren war letztendlich erfolgreich, sorgte aber für zahlreiche Verletzte in unseren Reihen.
Dass die Blockaden erfolgreich waren, resultierte aus dem Zusammenspiel der unterschiedlichen Aktionsformen der Blockierer_innen. Die Vielseitigkeit des breit aufgestellten Bündnisses "Dresden Nazifrei" und seiner Unterstützer_innen war unsere Stärke. Sitzblockaden, stehende Menschenblockaden, brennende Materialblockaden, offensive Angriffe auf Polizeisperren und die Masse der Menschen in der ganzen Stadt – damit war die Polizeiführung überfordert und konnte die Nazidemonstration nicht durchsetzen. Uns hat die Entschlossenheit der Antifaschist_innen positiv überrascht. Die Menschen waren zum kollektiven Gesetzesverstoß bereit und setzten die Blockaden – jede_r auf seine/ihre Weise – gegen den Widerstand der Polizei durch.
Hilfreich waren die Organisations- und Infostruktur, z.B. über Infotelefon, twitter oder das Aktionsradio, die vielen Anmelder_innen, Sanis, Köch_innen und sonstigen Helfer_innen. Vielen Dank an die Dresdner_innen und die Leute von außerhalb, die bei der Organisation der Blockaden geholfen haben!
Die üblichen Spaltungsversuche in "gute" und "böse" Nazi-Gegner_innen gingen nicht auf. Zwar wurde eine solche Spaltung in der Berichterstattung in zahlreichen Medien betrieben, der Realität wurde dies aber nicht gerecht.

4) Solidarität und Repression
Trauriger Beigeschmack des antifaschistischen Erfolges waren die zahlreichen Verletzten durch Polizeigewalt, die Verhafteten und die Repression gegen das Bündnis "Dresden Nazifrei" (Razzia durch das LKA am Abend des 19.2.). Auffällig war, dass die Polizei von Anfang an sehr brutal vorging. Dabei kam es weniger zu Massenverhaftungen, als zu Massenverletzungen. Oft zogen die Polizist_innen einzelne Blockierer_innen heraus, verprügelten sie in Seitenstraßen und ließen sie danach wieder laufen. Doch der Polizei schlug heftiger Widerstand entgegen. Es kam zu offensiven Angriffen, selbst auf Sondereinheiten der Polizei. Die Leute beschützten sich gegenseitig vor den Angriffen der Polizei und konnten oft Schlimmeres verhindern. Vielen Dank an dieser Stelle auch an die zahlreichen Demosanis.
Bei einigen Vorfällen des Tages zeigte sich auch die Gefahr, die bei solchen Großevents von Nazis ausgeht. Dabei sei insbesondere der Angriff eines Nazi-Mobs auf ein Dresdner Wohnprojekt erwähnt. Außerdem soll es bei der Anreise zu einem Messerangriff gekommen sein, bei dem Antifaschist_innen Stichverletzungen davontrugen.
Am Rande sei noch ein Vorfall erwähnt, der uns sehr verärgert hat. Die allermeisten Nazi-Gegner_innen, die an diesem Tag auf der Straße waren, standen solidarisch beisammen, respektierten sich gegenseitig und konzentierten sich auf den gemeinsamen Feind: die Nazis. Es waren Menschen aus den unterschiedlichsten linken Spektren vertreten: Parteimitglieder, Gewerkschafter_innen, Antifas, Autonome, Jugendliche... Die politischen Stoßrichtungen gingen weit auseinander. Manche wollen die bestehende Gesellschaftsordnung vor den Nazis schützen, andere kämpfen für eine andere Gesellschaft und sehen die Nazis als reaktionärste Form der Konterrevolution. Doch der gemeinsame Erfolg wurde nicht trotz, sondern gerade wegen des Bündnisses aller Nazi-Gegner_innen, die sich auf gemeinsame Aktionsformen geeinigt hatten, erreicht. Diskutiert wurde davor und danach, auf der Straße standen wir geschlossen und solidarisch.
Einigen scheint jedoch das szeneinterne Geplänkel zwischen "Antideutschen" und "Antiimps" wichtiger zu sein als jede Vernunft. So kam es gegen Ende des Tages im Bereich des Hauptbahnhof zu einem Übergriff auf einen Menschen, der eine Union Jack-Fahne trug. Dieser wurde nach einer verbalen Auseinandersetzung (unter anderem beschimpften die Angreifer den Menschen als "Zionisten") gejagt und verprügelt. Anschließend kam es zu einem unnötigen Polizeieinsatz gegen umstehende Personen. Die obligatorischen Prahlereien und narzisstischen Selbstbeweihräucherungen der Angreifer_innen ("Denen haben wirs gezeigt", "Anideutsche-Schweine, Schüsse in die Beine") folgten am späteren Abend.
Wir verurteilen ein solches Verhalten und halten eine solidarische Grundhaltung bei allen inhaltlichen Differenzen in solchen Situationen für absolut notwendig. Ebenso problematisch ist das Zuhilferufen der Polizei zu sehen, wie es in einem Jungle-World-Interview zu lesen war. Die Polizei schafft in der Regel nur weitere Probleme, stattdessen wäre eine Einmischung aller umstehenden Antifaschist_innen nötig gewesen.

5) Resümee – Folgen für staatliche Behörden, Nazis und Antifaschist_innen
Kurz zusammengefasst lässt sich der 19. Februar 2011 als einen antifaschistischen Erfolg in den Kalender eintragen – wenn auch für den hohen Preis der Polizeigewalt und Repression, die für einige noch ein Nachspiel haben wird.
Im Vergleich zum Vorjahr waren die Behörden 2011 unter Zugzwang. Die Gerichte hatten ihnen auferlegt, den Naziaufmarsch auch mit Gewalt durchzusetzen. Auch die Nazis verfolgten eine neue Strategie. Das eigentliche Thema (Bombardierung Dresdens) geriet in den Hintergrund, stattdessen wollten sie sich die Straße zurück erobern. Neue Taktiken (verschiedene Treffpunkte, Sternmarsch etc.) wurden in der rechten Szene diskutiert. Alles half nichts, der antifaschistische Widerstand war zu groß, die Polizei nicht in der Lage, den Nazis die Straße frei zu prügeln. Es bleibt abzuwarten, wie die Nazis mit ihrer Schlappe umgehen werden, ob sich der Großaufmarsch von Dresden erledigen wird oder ob neue Taktiken und Strategien entworfen werden. Polizei und Nazis werden in jedem Fall weiterhin mit entschlossenem Widerstand rechnen müssen. Und wir dürfen Dresden nicht aus den Augen verlieren. Die Blockaden waren ein enormer Kraftakt und wenn wir 2012 wieder erfolgreich sein wollen, müssen wir mindestens genauso gut mobilisieren und besser vorbereitet sein als in diesem Jahr. In diesem Sinne: ¡No pasarán! - Sie werden auch 2012 nicht durchkommen!

 

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man sollte vllt auch erwähnen dass es auch nicht cool ist personen aus dem linken spektrum kollektiv als nazis zu denunzieren indem man im mob mit polizeischutz "nazis raus!" in richtung der vermeintlichen antiimps ruft und damit verwirrungen und revisionismus zu betreiben.

Kann bitte jemand den Link zu besagtem Jungle-World Interview nennen?

Danke.

Trifft den Punkt und enthält weniger unreflektiertes Abgefeiere und reflexartiges, undifferenziertes Gedisse als es hier anderswo zu lesen ist.

du sagst es, sehr schön wie hier solidarische, kritische linke Schlüsse draus gezogen werden...