Der „schmerzvolle Kompromiss“ in Brüssel aus Sicht der griechischen Regierung

Tsipras, what are you doing?

Momentan wird in der radikalen Linken viel diskutiert über die "Niederlage" von Syriza, den angeblichen "Reformismus" in der Partei und mögliche Alternativen. Nebenbei bemerkt: Vor allem die Springerpesse echauviert sich jetzt über die Streitereien in der Linken und versucht diese weiter anzuheizen, um an der Auflösung von Syriza mitzuwirken. Das Dilemma: Syriza wurde und wird mit dem Grexit-Szenario erpresst, hat daraufhin ein Memorandum unterzeichnet, das weit abseits des Parteiprogramms steht, und ist jetzt der Gefahr einer Spaltung ausgesetzt, in dessen Ergebnis eine Regierung aus Technokraten und korrupten Eliten von ND/Pasok das Programm umsetzen könnte und gleichzeitig die Nazis massiven Zulauf bekommen. Andererseits glaubt ein Großteil von Syriza, mit dem jetzt ausgehandelten 3. Memorandum tatsächlich kleine Erfolge erzielt zu haben - gegenüber dem was vorher war und gegenüber all dem, was in ihren Augen zum jetzigen Zeitpunkt eine realisierbare Alternative darstellt. Eine sehr komplexe Situation,  und um die zu verstehen sollte auch die Seite von A. Tsipras gehört werden. Der griechische Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis, der zugleich einer der drei wichtigsten wirtschaftspolitischen Ratgeber von Regierungschef Tsipras ist, hat sich gestern in der Zeitung Efimerida ton Syntakton zu der Kritik an Syriza geäußert. Der Blog Nachdenkseiten hat Auszüge davon ins Deutsche übersetzt:

 
Über die „neue Vereinbarung“
 
Von vielen Seiten wird die Frage gestellt: Was sind die Vorteile dieser Vereinbarung und welche Perspektiven eröffnet sie für die griechische Wirtschaft?

 

Erstens: Die Grundsubstanz der Übereinkunft ist ein neuer langfristiger Kredit vom Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der die kurzfristige Kreditierung der griechischen Volkswirtschaft durch den IWF und die EZB ablösen wird. Die Ersetzung kurzfristiger Darlehen für den Zeitraum 2015 bis 2018 durch Kredite mit 30jähriger Laufzeit stellt eine Mini-Umstrukturierung der griechischen Staatsschuld dar.

 

Zweitens: Obwohl das jetzige Abkommen viele Maßnahmen enthält, die in Richtung Rezession wirken, lässt es sich in keiner Weise mit den Memoranden 1 und 2 (von 2010 und 2012) vergleichen. Die früheren Programme beinhalteten eine „Anpassung“ der öffentlichen Haushalte um 15 Prozent des BIP innerhalb von vier Jahren und Kürzungen von Renten und Gehältern im Bereich zwischen 30 und 40 Prozent. Die Haushaltskürzungen, die das neue Abkommen enthält, sind viel milder. Es sieht einen deutlich niedrigeren Primärüberschuss vor, der schrittweise bis 2018 erreicht werden soll, und flexiblere Methoden, was das Erreichen dieses Zieles betrifft. Das bedeutet, dass die Anpassung der Haushaltsplanung pro Jahr im Bereich von 1 Prozent des BIP liegen wird.

 

Drittens: Der Text formuliert Vorbedingungen, die in bestimmten Punkten einen Rückzug (von unseren alten Positionen) fordern, doch in anderen Punkten ist es uns gelungen, einen Kompromiss zwischen der griechischen Regierung und ihren Gläubigern zu erzielen. Zum Beispiel musste die Regierung in der Frage der Privatisierungen und der Warenmärkte bedeutende Zugeständnisse an die Institutionen machen. …

Viertens und letztens: Die Regierung geht davon aus, dass sie innerhalb der neuen Vereinbarung einen klaren Zeitplan durchsetzen kann, was die absolut notwendige Diskussion über eine Umstrukturierung der öffentlichen Schulden Griechenlands betrifft, und zwar über die Kredite des ESM wie auch der Mitgliedsländer für die gesamte Periode 2022 bis 2048.

 

Die oben dargestellten Punkte stellen die Gründe dar, aus denen die Zustimmung zu einer neuen Vereinbarung als notwendig zu erachten ist; aber ebenso viele Gründe gibt es, die eine Ablehnung (der Vereinbarung) außerordentlich problematisch machen würden.

Erstens: Sowohl der Wählerauftrag (vom 25. Januar) als auch unser erklärtes Ziel, das wir mit dem Referendum verfolgt haben, war nicht der Austritt aus der Eurozone. Heute stellt der Grexit nicht etwa eine vage Bedrohung dar, sondern eine reale Möglichkeit, deren Verwirklichung unmittelbar einsetzen wird, falls die Verhandlungen zusammenbrechen. Dieses Szenario hätte konkrete und spürbare Folgen für die griechische Gesellschaft, die sich im Fall der Ablehnung einer „neuen Vereinbarung“ ergeben würden.

 

Ein Grexit unter den gegenwärtigen Bedingungen würde einen unkontrollierten Bankrott mit dramatischen Folgen bedeuten, als da wären: die unmittelbare Liquidierung von 50 Prozent der Bankguthaben der griechischen Bürger, die brutale Minderung der Gehälter und der Renten, die Entwertung vieler materieller und immaterieller Güter von Tausenden griechischen Unternehmen.

Eine solche Option ist für eine linke Regierung politisch ausgeschlossen. Eine linke Regierung mit dem Bankrott des Landes zu identifizieren, ist einfach undenkbar, zumal dies den ärmeren Schichten eine weit größere Beeinträchtigung ihres Lebensstandards bringen würde als alle Maßnahmen innerhalb der „neuen Vereinbarung“.

 

Des weiteren ist zu bedenken: Jenseits der unmittelbaren Folgen eines Austritts aus der Eurozone setzt die hypothetische Perspektive im Zuge eines Grexit der griechischen Wirtschaft voraus, dass man über Devisenreserven verfügt, die das Land derzeit nicht hat – und angesichts unserer  negativen Handelsbilanz auch nicht rasch bilden könnte. Angesichts dessen würde das Land, da es von den Märkten abgeschnitten ist, neue Kredite benötigen, also wahrscheinlich neue entsprechende Anträge an den IWF stellen müsste. Das ergibt sich aus den früheren Erfahrung europäischer Länder mit eigener Währung, wie etwa Ungarns, Rumäniens und Lettlands, die während der Krise gezwungen waren, sich an den IWF zu wenden, um ihre ökonomischen Schwierigkeiten zu bewältigen.

 

Aber auch jenseits solcher Fragen, die sich in dieser Situation unmittelbar stellen, wirft die „neue Vereinbarung“ eine weitere Frage auf. Sind die griechische Wirtschaft und Gesellschaft in der Lage, wieder eine Dynamik zu entwickeln? Unter den jetzigen Bedingungen – da das Land alle ausstehenden Schulden abzahlen muss, da es seit fast einem Jahr keine zusätzlichen Finanzmittel mehr bezogen hat, und das es Kapitalverkehrskontrollen einführen musste – hat unsere Wirtschaft eine leichte Rezession zu verzeichnen. Angesichts der Ungewissheit, die durch den Druck unserer Gläubiger erzeugt wurde… kann man unterstellen, dass der Abschluss einer Vereinbarung die Wachstumsimpulse für die griechische Wirtschaft wieder freisetzen würde. In Verbindung mit einem sofort wirksamen Entwicklungspaket könnte dies dazu führen, … dass die griechische Wirtschaft ab nächstem Jahr potentiell zum Wachstum zurückfindet.

 

Vor allem aber werden wir, ganz unabhängig von der neuen Vereinbarung, … die zentralen Strukturen in allen Bereichen der griechischen Gesellschaft verwirklichen müssen, die wir versprochen haben und die man von uns fordert. Die Veränderungen im Gesundheitswesen, im Bildungssektor, in der öffentlichen Verwaltung, in den Beziehungen zwischen öffentlichem und privaten Sektor, die Förderung von Forschung und Innovation, die Herausbildung eines neuen wirtschaftlichen Entwicklungsmodells, die Erweiterung der genossenschaftlichen Ökonomie, all dies müssen wir anpacken, ohne einen einzigen Tag zu verlieren.

 

Langfristig wird man den Erfolg dieser Regierung daran messen, was sie von diesen genannten Zielen umgesetzt hat – und nicht daran, ob sie es ohne demokratischen Auftrag zugelassen hat, dass das Land im ungeregelten Bankrott unter einer nationalen Währung versinkt.

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Man braucht überhaupt keine Währung, denn Antikapitalismus funktioniert nicht mit Geldwirtschaft, das is ein Widerspruch in sich. Geldwirtschaft brauchen nur Unsolidarische und Ausbeuter. Zum Übergang sollte man deshalb so viel Euros wie möglich drucken und in der Türkei Vorräte einkaufen, da Euros Falschgeld sind, kann da nix passieren und wenn, was: deutsche Soldaten würden innerhalb von Minuten Verluste in Donbasshöhe verzeichnen. Nur Staaten mit Verfassung dürfen Geld drucken, und die EU ist kein Staat, also in allen Automaten ist Falschgeld, die könnten zur Not auch mit Farbkopien gefüllt werden. 

Das lustige daran ist, daß sowas eh kommen wird und da kann niemand was gegen machen, kein Grieche wird mehr Steuern bezahlen und alle werden schwarz arbeiten, der Staat löst sich von ganz alleine auf.

niemand braucht eine währung, aber 99% der bevölkerung (in greece vielleicht 90%) sehen das leider anders und was willst du mit denen machen?

Allein schon, daß es 20% gibt, die überhaupt kein Einkommen mehr haben und deshalb auch nicht vor ATMs stehen, widerspricht dem. Was zu Fressen und ein Platz zum pennen interessiert, deshalb leben 500.000 Athener in abgemeldeten Autos und ähnlichen Unterkünften und fallen aus der Obdachlosenstatistik; ausserdem läuft alles für diejenigen, die elektronische Währung haben weiter, zumindest im Inland bis zu, je nach Bank, 10-15000

Denn von 200 MRD, die es bis 2030 zurück bezahlen soll, sind 150 MRD keine Schulden, sondern Zinsen, zudem alle Programme auch noch illegal sind. Man muß nur Klage einreichen und dann ist Pause bis zum Gerichtstermin in 7-10 Jahren.

Griechenland hat bis 2030 über 200 Milliarden Euro für den Schuldendienst aufzubringen, wovon 150 Milliarden allein auf Zinsen entfallen.

Gemäß den 2014 dem Parlament vorgelegten Daten des Trägers für die Verwaltung der öffentlichen Verschuldung Griechenlands (Public Dept Management Agency) erreichen die Verpflichtungen des griechischen Fiskus für das Jahrzehnt 2021 – 2030 den Betrag von 201,05 Mrd. Euro der Gesamtverpflichtungen von ungefähr 291 Mrd. Euro für die Periode 2015 – 2030.

Allein die in dem Jahrzehnt 2021 – 2013 zu begleichenden Zinsen betragen 114,45 Mrd. Euro. 

Fakten widerlegen den Mythos der billigen Kredite

Detaillierter hat Griechenland in der Periode 2015 – 2020, also innerhalb von sechs Jahren, 52,246 Mrd. Euro für Tilgungen und 37,93 Mrd. Euro für Zinsen, also insgesamt ungefähr 90,17 Mrd. Euro zu entrichten. Ebenfalls hat Griechenland in dem Jahrzehnt 2021 – 2030 insgesamt 86,6 Mrd. Euro für Tilgungen und 114,4 Mrd. Euro für Zinsen zu zahlen.

Für 2015 werden die Zinszahlungen auf 5,8 Mrd. Euro und die Tilgungen auf 16,08 Mrd. Euro veranschlagt. In der Periode 2021 – 2024 belaufen sich die Gesamtverpflichtungen auf 104,7 Mrd. Euro und die Zinsen stellen den größten Teil dar, der 66,6 Mrd. Euro tangiert. Allein 2022 hat Griechenland für Zinsen 24,4 Mrd. Euro zu entrichten.

"We apologise to Marxists worldwide for Greece refusing to commit ritual suicide to further the cause. You have suffered from your sofas."

Eigentlich schätze ich die Nachdenkseiten, sie geben einen wirklich guten Nachrichtenüberblick.

Aber über Texte wie den obrigen bin ich entsetzt, und frage mich was so ein spezialdemokratisches Geschreibsel auf Indymedia zu suchen hat.

Das Ganze klingt wie die lächerlichen Rechtfertigungsversuche der roten und grünen Partei nachdem der einigermaßen progressive Finanzminister Lafontaine rausgeekelt wurde, man müsse jetzt alternativlos einen auf Austerität machen. Und dann den extremsten Sozialkahlschlag zu veranstalten, den das Land bis dato gesehen hatte. Abe ganz sicher ohne die rote und grüne Partei wäre alles noch schlimmer geworden. Und Syriza wird alles noch schlimmer werden.

Für wie blöd halten die uns eigentlich?

Das ganze zeigt doch nur, daß Parlamentarismus nicht funktioniert, im Sinne der Repräsentation der Bevölkerung, weil jede Partei korrumpierbar ist. Tsipras hat seine Schäfchen ins trockene gebracht und bekommt bestimmt noch einen guten EU Posten. Ist halt nicht jeder ein Allende!

Noch lächerlicher als Tsipras geht es doch gar nicht. Innerhalb einer Woche vom OXI Referendum zum Austeritätsextremisten!

Ganz schlicht und einfach: Tsipras und seine Verbündeten bei Syriza haben ihre Wähler verraten, genauso wie die rot-grüne Bundesregierung ihre Wähler verraten hat!

Rechtfertigungsversuche von ehemaligen linken Parteien haben aber auf Indymedia nichts zu suchen.

 

Nochmal ganz kurz inhaltlich. Varoufakis hat ein Interview gegeben, in dem er sagt die Syriza Regierung sei auf einen Grexit vorbereitet gewesen. Alles andere wäre auch grob fahrlässig gewesen:

http://www.newstatesman.com/world-affairs/2015/07/yanis-varoufakis-full-...

Von wegen das Land unbereitet in einen ungeregelten Bankrott und im Chaos versinken zu lassen!

du hast schon mitbekommen, dass der Text eine Übersetzung einer Erklärung eines Tsipras-Beraters ist? Inhaltlich hat das nichts mit den Nachdenkseiten zu tun. Und sozialdemokratisch ist das auch nicht, sonders es erklärt die Erpressung und warum man sich für das kleinere Übel entschieden hat. Es ist klar raus zu lesen, dass sie diese Lösung eigentlich scheiße finden. Natürlich müssen sie das jetzt schönreden, um die Abstimmung zu gewinnen.

Was passiert in Griechenland ohne Syriza? Ich glaube der Kampf auf der Straße kann nur zusammen mit Syriza gewonnen werden, also ein Zweifronten-Kampf. Er darf aber nicht gegeneinander laufen, auch wenn es unterschiedliche Ziele gibt.

Tsipras hat sich disqualifiziert, dem wird auf den griechischen Straßen keiner mehr eine Träne nachweinen. Syriza ist bereits gespalten, der Tsipras Teil wird wie Pasok in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Der linke Teil von Syriza wird sich neu organisieren und Varoufakis steht ja an der Seitenlinie.

Mal sehen, ob nicht Tsipras ganz schnell von der Straße vertrieben wird, morgen gibts ja erstmal Generalstreik, gegen eine "linksradikale" Regierung.

das wirst du schon bald erleben. die leute wissen, dass sie verkauft wurden und von wem. syriza ist sowas von tot, toter noch als pasok. die entscheidende frage lautet, wie lange dauert es bis wieder soziale bewegungen wachsen können auf dem verbrannten boden, den sie ihnen hinterlassen hat? die ganzen syriza-apologeten hier sollten sich jetzt mal bewusst machen, wie viel schaden diese partei angerichtet hat und wie katastrophal dieser vertrauensbruch sich auf alle sozialen bewegungen, politisch aktive gruppen etc. in griechenland auswirken wird.

Die letzte große Abwehrschlacht lief am 12. Februar 2012, erst danach konnte Syriza eincashen

Mehr Hintergründe finden sich hier, vielleicht findet jemand Zeit, das zu übersetzen, immerhin kommt der Text offensichtlich aus dem Spektrum, das sich an Kämpfen beteiligt hat:

https://linksunten.indymedia.org/en/node/147926

Wenn also die griechische Regierung Fortschritte errreicht hätte, würde sie einfach die Fresse halten, es ist nämlich kein Wahlkampf

Wassilis Aswestopoulos 13.07.2015

Drittes Sparmemorandum für Griechenland, Syriza in Auflösung

Nach mehr als siebzehn Stunden teilweise brutaler Diskussionen war für Premierminister Alexis Tsipras klar, dass der Montag, der 13., künftig ein Unglücksdatum ist. Die EU-Ministerpräsidenten einigten sich auf einen für Griechenland recht schmachvollen und schmerzlichen Kompromiss. Der Text der Einigung wurde auf sieben Seiten zusammengefasst.

Wie stark die EU-Partner in die Innenpolitik Griechenlands eingreifen wollen, zeigt sich auch an der Forderung der Niederlande, die von Alexis Tsipras die Schließung des gerade erst eröffneten und mit Beiträgen der Bürger bezahlten öffentlichen Rundfunks ERT verlangen.

 

Tsipras versuchte in seiner ersten Erklärung nach dem Kompromiss, die positiven Aspekte der Einigung hervorzuheben. " Wir haben einen fairen Kampf gekämpft und die ganze Nacht hart verhandelt", meinte er und beschrieb die Zustände in Brüssel in einer durchaus euphemistischen Form. Er betonte, dass der Grexit nun kein Thema mehr sei, und dass Griechenland seine nationale Souveränität erhalten konnte.

Die Griechen fühlen sich gedemütigt

Tatsächlich zeigten die Diskussionen der Eurogruppe und des EU-Gipfels am Wochenende, dass ein Ausschluss aus der Gemeinschaftswährung kein Tabu mehr ist. Der Nobelpreisträger Paul Krugman, alles andere als ein extrem Linker, klagte in seinem Kommentar, dass am Wochenende nichts anderes als ein Putsch stattgefunden habe ("Verrückte Forderungsliste" für einen "Staatsstreich"). Das europäische Projekt des geeinten Kontinents erklärte Krugman als gescheitert und fragt sich zudem, wer nach all dem Deutschland noch trauen könne.

Vor allem durch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäubles Initiativen wurde sehr viel diplomatisches Porzellan zerschlagen. Die Forderung Schäubles, dass griechischer Staatsbesitz an eine private Holding in Luxemburg übertragen werden sollte, hat in Athen bei allen Parteien blankes Entsetzen ausgelöst. Weil der Staat bei den aktuellen Preisen im rezessiven Land diese Summe mit Immobilien überhaupt nicht zusammen bekommen hätte, wären Schürfrechte für die Erdgasvorkommen der Ägäis ebenso wie die Einnahmen der Eintrittskarten der Akropolis in diesem Topf gelandet. Diese Option konnte am frühen Montagmorgen vorläufig abgewendet werden.

Zudem belegen weitere Zitate Tsipras, dass es alles andere als ein fairer Kampf war. Es sei gelungen, die extremistischen Bestrebungen der allerkonservativsten Kreise der Europäischen Union zu durchkreuzen und die finanzielle Strangulierung sowie die Zerstörung des griechischen Bankensystems abgewendet, meinte Tsipras.

Wie diese Pläne aussahen, belegt ein Zitat von Nikos Filis, dem Fraktionschef von SYRIZA. Deutschland sei zum dritten Mal in hundert Jahren dabei, Europa zu spalten, erklärte er. Filis sprach von einer Art Waterboarding, einer Praxis, wie sie die USA in Guantamo zur Folter ihrer Gefangenen anwandte. In der rechtskonservativen Tageszeitung "Dimokratia" gibt es heute auf dem Titelbild die Schlagzeile "Griechenland in Auschwitz". Die Tendenz der Presse ist klar. Die Griechen fühlen sich gedemütigt.

Innenpolitisch stehen dem Land finstere Zeiten bevor

Tsipras muss in Windeseile die geforderten Gesetze durch das Parlament peitschen, kann dabei jedoch nicht auf seine Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou hoffen. Konstantopoulou, die nach Ansicht von Evangelos Venizelos von der PASOK ein Bleigewicht für die Einigung ist, kann mit taktischen Maßnahmen die Einberufung des Plenums über Tage verzögern. Sie soll, so wird gemunkelt, mit einem Misstrauensvotum der eigenen Partei gestürzt werden. Tsipras hat zudem mit zwei revoltierenden Ministern und insgesamt dreißig unwilligen Abgeordneten zu kämpfen. Arbeitsminister Panos Skourletis kündigte daher bereits jetzt kommende Neuwahlen an.

Tsipras plant eine Kabinettsreform, muss aber bis Mittwoch einen mittelfristigen Etatplan, Privatisierungen, die Abschaffung der Frühverrentung, die Öffnung geschlossener Berufsfelder, eine Reform der Mehrwertsteuersätze und das Einfrieren der Tarifverhandlungen vom Parlament ratifiziert bekommen. Platt gesagt, muss der Premier die Gesetze verabschieden, denen sich die Vorgängerregierungen in den letzten fünf Jahren verweigerten.

Das geht nur mit Hilfe der Oppositionsparteien. Faktisch ist die Regierung von SYRIZA damit bereits jetzt gescheitert. Tsipras ehemaliger Mitstreiter Yanis Varoufakis geht bereits jetzt auf Distanz. SYRIZA-Abgeordnete wie Kostas Lapavitsas fordern dagegen nun offen einen selbst inszenierten Grexit.

Alles deutet darauf hin, dass die Dissidenten des SYRIZA eine eigene Fraktion gründen möchten. Diese wäre dann im Parlament die drittstärkste Partei. Es bleibt spannend.