Berlin: Ballons für Gülaferit

Kundgebung 1

An einer Knastkundgebung in Solidarität mit Gülaferit Ünsal am 11.11.2013 in Berlin-Lichtenberg nahmen ca. 40 Personen teil.

Eine von solidarische Aktivist*innen organisierte Knastkundgebung für die politische Gefangene Gülaferit Ünsal vor dem Frauenknast in Lichtenberg brachte 40 Menschen auf die Straße. Bei Kaffee, Tee, Kuchen und mit musikalischer Begleitung aus der Büchse wurden Redebeiträge und Grußworte vom Antikriegscafé, dem Netzwerk Freihet für alle politischen Gefangenen, den autonomen frauenlesben, der Roten Hilfe Berlin und solidarischen Einzelpersonen verlesen. Abgeschlossen wurde die Kundgebung dadurch, dass Luftballons mit Postkarten, die dazu aufrufen Gülaferit zu schreiben, losgelassen wurden. Neben lautstarken Parolen wurde auch ein Geburtstagslied auf türkisch gesungen – der 11. November ist Gülaferits Geburtstag.


Gülaferit wurde erst kürzlich zu 6,5 Jahren Haft verurteilt. Ihr wird vorgeworfen Mitglied in der linken türkischen Partei DHKP-C sein. Da gegen die Verurteilung Revision eingelegt wurde, ist sie im Moment immer noch in Untersuchungshaft. Verurteilt wurde sie nach dem Antiterrorparagrafen § 129b, der es ermöglicht allein die Unterstützung mit legalen Mitteln einer von EU- oder BRD-Instanzen als terroristisch eingestuften Organisation unter Strafe zu stellen. Gülaferit sitzt seit 2011 in Lichtenberg in Untersuchungshaft, nachdem sie nach einer europaweiten Kooperation der Repressionsorgane von Griechenland, wo sie sich schon mehrere Monate im Knast befunden hatte, nach Deutschland ausgeliefert wurde.


Gülaferits momentane Situation ist durch Isolation geprägt. Sie ist die einzige türkisch sprechende Gefangene im Knast, wodurch sie sozialer Isolation ausgesetzt ist. Die Teilnahme an Weiterbildungskursen wird ihr immer wieder erschwert. Der Bezug verschiedenster türkischsprachiger Medien (Bücher, CD`s, Filme, TV, ...) wurde lange Zeit durch die Justizorgane sabotiert.


Reißen wir die Mauern ein, die uns Trennen! Jede Art die Isolation hinter Knastmauern zu durchbrechen ist wichtig. Gefangene sind von der Außenwelt abgeschnitten. Ihre Kommunikation und jede Lebensäußerung wird überwacht. Post zu bekommen ist eine große Freude für Gefangene. Also greift zu Stift und Briefmarke und schreibt Gülaferit (möglichst auf Englisch oder Türkisch):

 

Gülaferit Ünsal

JVA für Frauen

Alfredstr. 11

10365 Berlin

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Vor zirka 3 Wochen erfuhr ich, dass Gülaferit am 11. 11. Geburtstag hat. Normalerweise hätte ich ihr eine Glückwunschkarte geschrieben, um ihr zu gratulieren. Da sie sich im Knast  befindet, sie zu 6 Jahren und 6 Monaten wegen §129b verurteilt worden ist, hätte sie meine Karte nicht mehr rechtzeitig erhalten.
Ein Brief, den ich ihr Ende August geschrieben habe, hat sie nach über 10 Wochen immer noch nicht erhalten.
Ein wesentlicher Grund der Kommunikationsbehinderung dabei ist,  dass bei der  Verfolgung von politischen AktivistInnen durch die Gesetzgebung
Organisierungsdelikte eine wesentliche Rolle spielen. Es muss dabei weder eine sogenannte konkrete Tat noch eine sogenannte illegale Handlug nachgewiesen werden, sondern ausschließlich die Zugehörigkeit zu einer Gruppierung, die entweder als kriminell oder als terroristisch von geheimen Gremien aus der EU oder von Offiziellen des Bundesjustizministeriums eingestuft werden.
Als juristische Waffe dient den Herrschenden dabei der § 129b („Mitgliedschaft/Unterstützung/Werbung in/für eine terroristische Vereinigung im Ausland“)
In langjähriger Tradition richtet sich die Verfolgung insbesondere gegen linke migrantische Organisationen. 

Seit 2002 hat der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof gegen 43 Personen, die der Anatolischen Förderation nahe stehen, Ermittlungsverfahren wegen  § 129b StGB eingeleitet.
Zur Zeit sind 10 GenossInnen aus diesem Zusammenhang im Knast. Faruk Ereren ist  z. B. zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Sein Revisionsprozess findet zur Zeit in Düsseldorf statt.
Hinzu kommt noch das besondere strategische Interesse der BRD für den NATO-Partner Türkei, d. h. die europäische Führungsmacht hat eigene Interessen, die migrantische Linke aus dem Vielvölkerstaat Türkei hier und europaweit  zu verfolgen.

Die Isolationshaftbedingungen, denen die § 129b-Gefangenen ausgesetzt sind, haben Ähnlichkeit mit der damaligen Situation der Gefangenen aus der RAF. 9 GenossInnen aus diesem Zusammenhang haben den Knast nicht überlebt.
Diese Haftbedingungen, Made in Stammheim, sind 2000  in die Türkei exportiert worden.
Die Gefangenen wehrten sich  7 Jahre in einem  Hungerstreik  bzw. Todesfasten gegen diese Bedingungen nach europäischen Standard.

Ich hoffe, es ist deutlich geworden, warum postalisch meine Glückwünsche  bei Gülaferit nicht rechtzeitig ankommen.

Deshalb von dieser Kundgebung:
Alles Gute zum Geburtstag!
Power durch die Mauer!
Linke Politik verteidigen!

Wolfgang aus Hamburg