Am Freitagabend nahmen ca. 80 Menschen an einer Aktion der Initiative Recht auf Stadt Köln gegen eine Kunstgala der Kölner High Society teil. Unter dem Motto „Eure Gala: Armut, Elend, Ausgrenzung“ zog der Protestzug durch die hoch gentrifizierte Kölner Südstadt und sammelte sich unmittelbar am Eingangsbereich des Events. Dieser wurde mit Transparente gegen Mieterhöhung und Schilder mit sämtlichen Parolen gegen die kapitalistische Stadtaufwertung verziert. Neben der Verlesung inhaltlicher Redebeiträgen wurden auch verbale Auseinandersetzungen und kontroverse Diskussionen mit den Galateilnehmer_innen geführt.
Die Initiative kritisiert in ihrem Aufruf die Widersprüchlichkeit der vermeintlichen Hilfsaktion. Die Gala vom Verein „Kunst hilft Geben“ inszeniert sich einerseits als große Spendenaktion für Kölner Obdachlose, gleichzeitig besteht die Teilnehmer_innen- und Unterstützer_innenliste aus Unternehmen und Institutionen, die profitorientierte Stadtaufwertung, Vertreibung von Armen und Prekarisierten sowie jene Obdachlosigkeit im Rahmen des Sozialabbaus voran peitscht.
Die Ambivalenz solch einer politischen Aktion kam in einigen Redebeiträgenzu Tage. Niemand, so wurde verdeutlicht, hat etwas dagegen, wenn Kölner Obdachlosen gespendet und diesen selbst nur als Tropfen auf den heißenStein materiell abgeholfen wird. Nicht dagegen richtete sich der Protest, sondern gegen ideologische Verdrehungen der Tatsachen.
Einerseits spendet dieser Verein Armen keinesfalls vor dem Hintergrundgesellschaftlicher Veränderungen. Ganz im Gegenteil wird die Tatsache,dass es Arme und Reiche gibt, schlichtweg hingenommen. Das Verhungern der Armen soll nicht vom Staat geregelt werden, sondern hin und wieder durch ein gnädiges Geber_innentum. Solch eine Haltung will nichts von gesellschaftlichen Konflikten und deren Ursachen wissen geschweige denn zugunsten einer bedürfnisorientierten Gesellschaftseinrichtung hinterfragen.
Daraus abgeleitet wurde mit Blick auf das Who is Who dieser Gala das Heuchlerische dieser Spendenaktion beleuchtet. Mit hochrangigen Vertreter_innen des Haus- und Grundbesitzervereins bzw. der Industrie- und Handelskammer waren Akteure in dieser Gala involviert, die die Bedingungen für so viel Armut und Ausgrenzung, welcher hier abgeholfen werden soll, überhaupt erst Tag für Tag fleißig (wieder-)herstellen. Dass solche Profiteure der Elendsverwaltung Danksagungen und Schulterklopfer bezüglich ihrer Almosen für ihre eigenen Opfer bekommen, kann nicht ohne Kritikhingenommen werden.
Die Ambivalenz dieser Hilfsaktion wurde nicht nur bei den Protestierenden verzeichnet. Wie immer gab es auch die cholerischen Galateilnehmer_innen, die jegliche ihnen vorgeworfene Doppelmoral vehement bestritten. Andere Besucher_innen der Gala hingegen stellten sich der Diskussion und gaben zu, dass die Kritik der Veranstaltung berechtigt sei. Interessant ist auch die Reaktion des veranstaltenden Vereins selbst. Diese hat nach Ankündigung des Protests reagiert und Teile des Aufrufs von Recht auf Stadt kommentiert. Dort zeigte sich der Verein beispielsweise empört über sämtliche oben vorgetragene Vorwürfe.
Redebeitrag
Redebeitrag des Antifa AK Köln zum nachhören: https://soundcloud.com/antifa-ak-koln/wohnraum-fuer-alle-alles-fuer-alle
Liebe Freundinnen und Freunde,
„Was habt ihr denn nun wieder gegen DIESE Veranstaltung“? wurden wir gefragt. „Was wollt ihr hier, wo – wenn auch nur symbolisch – Armen und Obdachlosen gespendet und ihnen ein Dach über dem Kopf besorgt wird?“ Was habt ihr denn gegen ein bisschen bessere Zustände für ein paar Ausgeschlossene?
Darauf können wir nur antworten: Natürlich gar nichts! Wir begrüßen jedes Bisschen, was das Leben der Ausgebeuteten, Überflüssiggemachten und/oder Ausgegrenzten nur ein bisschen, nur einen Hauch verbessert. Alles andere abzulehnen wäre aus unserer Position bloß idealistisch bis vermessen. Also: immer her damit! Her mit Essen, Häusern und Kohle!
Aber wir haben etwas gegen folgendes: wenn dabei Menschen, Unternehmen und Institutionen, die diese Verhältnisse von Elend und Armut massiv befeuern, für ihre Almosen auch noch ohne Widerworte Schulterklopfer und Danksagungen bekommen.
Was meinen wir genau?
Wir stehen hier am Rande einer Gala vom Verein „Kunst hilft Geben“, die über Versteigerung von Kunstwerken Geld gesammelt hat. Aus diesem Geld soll ein Haus gekauft werden, das einige wenige Wohnungslose von der Straße holen soll. Aber, auch wenn in diesem Haus keine Miete zu zahlen ist, gibt es nix umsonst. Die Obdachlosen müssen einem strammen Anforderungsprofil entsprechen: Sie sollen weder alkohol- noch drogenabhängig sein, sie sollen nicht allzu verbraucht sein, heißt: sie sollen möglichst integrierbar in den Arbeitsmarkt sein, wo sie nach 6 Monaten übrigens wieder hineingeworfen werden. Und im Idealfall sollen sie – natürlich – auch noch künstlerisch veranlagt sein. Es wird also eine WG zusammengestellt, die alles andere als das typische Bild der Obdachlosen repräsentiert. Eine WG, die die bittere Realität der Zustände für Obdachlose relativiert. „Kunst hilft Geben“ holt sich nur solche Wohnungslosen ins Haus, die mit ihrer Vorstellung der schönen heilen Welt zusammenpassen. Eine Welt, wo jeder ein bisschen spendet und damit den ganz Armen – die es nun mal eben gibt – schon abgeholfen wird.
Die Absurdität geht aber noch weiter und wird noch krasser, wenn man sich die Liste der Teilnehmer_innen und Unterstützer_innen dieser Gala anschaut.
Denn die, die sich an diesem Abend gerne den edlen Mantel des Wohltäters bzw. der Wohltäterin umlegen, haben an jedem anderen Tag fleißig ihren Teil an der Schaffung ebenjener Zustände beigetragen, die sie abzuhelfen vorgeben.
Am Tisch sitzen z.B. Vertrerter_innen des Haus- und Grundbesitzervereins. Gar der Chef höchstpersönlich, Konrad Adenauer, lässt sich blicken. Dieses Unternehmen ist maßgeblicher Betreiber und Nutznießer der Aufwertung von Wohnraum, die dazu führt, dass Menschen gezwungen sind, diesen aufzugeben, weil er für sie nicht bezahlbar ist. Es wirbt mit Sicherheit für ihre Mitglieder_innen, aber auch nur für die. Die von ihnen betriebene Stadtplanung manifestiert sich u.a. in Vertreibung von Erwerbslosen, Prekarisierten und Geflüchteten.
Auch Vertreter_innen der Industrie- und Handelskammer (kurz: IHK) geben sich die Ehre. Die IHK ist ein Akteur, der sich auf die Verwertung der Stadt als Standort konzentriert. Städtischer Raum ist für ihn ein Ort, wo Arbeitskraft effektiv produziert und reproduziert werden soll. Und Überhaupt gilt die IHK als beinharte sozialchauvinistische Befürworterin, wenn es um Sozialkahlschlag geht. Die Hartz IV-Reformen hat sie kräftig abgefeiert, die umstrittenen und menschenunwürdigen 1-Euro-Jobs würde sie zugunsten des Standorts am liebsten sogar ausweiten.
Diese Unternehmen und Institutionen reproduzieren am laufenden Band den Zustand, der in einer vernünftig eingerichteten Gesellschaft abgeschafft sein müsste: nämlich dass urbaner Raum eine Ware ist und nicht den Bedürfnissen der Menschen, sondern der Anhäufung kapitalistischen Reichtums dient. Sie agieren den Zwang aus, der in der strukturellen Einrichtung der kapitalistischen Gesellschaft begründet liegt: Die Konkurrenz aller gegen alle verwandelt selbst das Gröbste, was der Mensch benötigt, nämlich etwas zu Essen und ein Dach über den Kopf in etwas, womit Profit gemacht werden soll.
Diejenigen, die den Wohnraum benötigen, um ihn tatsächlich zu bewohnen, kommen in dieser Gleichung nur vor, wenn ihre Bedürfnisse zahlungskräftig sind. Erfüllen sie diesen Anspruch nicht, können sie die immer höheren Beträgen nicht bezahlen, die die Besitzer_innen brauchen, um ihre Immobilien für die marktwirtschaftliche Konkurrenz fit zu halten. Das eiskalte Credo lautet: Wenn du nicht zahlst, landest du auf der Straße.
Verdrängte bleibt nichts anderes übrig, als weiter weg zu ziehen vor dem, was einstmals ihr Zuhause war und nun eine Boomregion. Angekommen an ihrem neuen Wohnort bleibt ihnen nur zu hoffen, dass sich das Karussell dort nicht ein paar Monate später ebenfalls zu drehen beginnt.
Wer ist also heute Abend hier anzutreffen? Die, die das Elend mit größtem eigenem Profit verwalten. Die, die den kapitalistischen Zwang ausagieren, der dafür sorgt, dass Wohnen für immer mehr Menschen zu einem kaum noch bezahlbaren Luxus wird. Sie haben alle ein paar Euro übrig für Arme, die sich selber auswählen. Diese Euro sind nichts weiter als Gewinne aus einem Normalzustand des Elends der Verdrängung und des sozialen Kahlschlags.
Der Architekt dieses Normalzustandes ist das Kapital, einige Verantwortliche und Profiteure dieses Normalzustands sitzen dort drin und geben sich nun als „die gnädigen Spenderinnen und Spender“.
Wegen genau dieser Frechheit stehen wir hier!
Eine Gesellschaft, die immer größere Reichtümer produziert, aber immer mehr Menschen davon ausschließt, gehört schon aus Gründen der Logik überwunden
Wir sagen zu diesem Normalzustand: Weg damit. Etwas ganz anderes muss her!
Wohnraum für alle, Alles für alle!