Über 1000 Aktivist_innen haben heute in Berlin-Hellersdorf eine Demonstration der „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“, einem Label von lokalen und überbezirklich organisierten Nazis, massiv stören und auf wenige hundert Meter begrenzen können. Ein breites Bündnis aus antifaschistischen Gruppen, lokalen Initiativen, Parteien und engagierten Einzelpersonen rief zu Gegenprotesten auf. Durch mehrere Sitzblockaden wurde die ursprünglich geplante Demonstration, die gegen die Asylbewerber_innen-Unterkunft hetzte, erfolgreich von der Unterkunft und den Geflüchteten ferngehalten.
Rund 100 Nazis und rassistische Anwohner_innen mussten stundenlang in einer engen Kurve verharren, nur um dann zum Startpunkt der Demonstration zurückgeleitet zu werden.
Dort meldete Sebastian Schmidtke, der Landesvorsitzende der NPD, eine weitere Demonstration zum U-Bhf. Kaulsdorf an, damit die anwesenden Nazis doch noch laufen konnten. Auch dort bildeten sich auf der großen Zubringerstraße, die durch menschenleeres Gebiet führte, mehrere Blockaden, die im Gegensatz zu den erfolgreichen Blockaden vor der Unterkunft mit massiver Polizeigewalt geräumt wurden. Die sichtbar überforderte Polizei prügelte ohne Rücksicht auf Verluste die Demonstration der Nazis durch. Nachdem auch die zweite Demonstration aufgelöst wurde, fuhren viele der organisierten Nazis aus den Spektren NPD, JN und Freie Kameradschaften nach Hönow, um dort in ihre Autos aus Brandenburg und anderen Bundesländern zu steigen. Eine weitere große Gruppe fuhr zum S-Bhf. Lichtenberg. Zwei Nazis wurden über den Tag festgenommen
Eine rechtspopulistische Abspaltung der Bürgerinitiative plante ein Herbstfest auf dem Kastanienboulevard, das aber kurzfristig abgesagt wurde. Ihre Mitglieder zogen es vor, sich nahe der Demonstration zu zeigen.
Laut Angaben der Polizei waren 600 Polizist_innen aus Berlin und Brandenburg im Einsatz. Der Sanitätsdienst behandelte mehrere räumungsspezifische Verletzungen an den Blockaden, als Folge von einer Vielzahl von gewaltsamen Übergriffen durch Polizeibeamt_innen. Es wurden 16 Aktivist_innen festgenommen.
Das Blockadekonzept ist weitgehend an diesem Tag aufgegangen. Dass die Bürgerinitiative, die sich als Stimme des Kiezes geriert, dort nur wenige hundert Meter laufen konnte ist ein großer Erfolg. Das brutale Polizeivorgehen gegenüber Blockierer_innen und Aktivist_innen, insbesondere während der zweiten Demonstration ist allerdings untragbar. Wir lassen uns in der antirassistischen Arbeit im Kiez und in dem antifaschistischen Engagement gegen Nazis nicht einschüchtern! Refugees Welcome, auch in Hellersdorf!
Bilder
http://www.flickr.com/photos/neukoellnbild/sets/72157636976730115/
26.10.13 19:30 Abendschau RBB - Demonstrationen in Hellersdorf
http://mediathek.rbb-online.de/rbb-fernsehen/abendschau/demonstrationen-...
26.10.13 RBB-Online Artikel - Linke Gruppen blockieren Aufmarsch
http://www.rbb-online.de/politik/thema/streit-um-fluechtlingsheime/beitr...
Einige Ergänzungen
Es waren schon einige hundert Aktivist*innen im Kiez rund um die Flüchtlingsunterkunft unterwegs, allerdings für einen Aufmarsch dieser Tragweite eindeutig zu wenig Leute. Zu denken geben sollten allen Ferngebliebenen weniger die lächerliche Zahl von ca. 70 Nazis und Rassist*innen, als das eine solche Demo direkt vor einer Flüchtlingsunterkunft ein Unding ist, dass es um jeden Preis zu verhindern gilt. Auf die Bullen ist dabei kein Verlass, sie versuchten sogar die Blockade der ursprünglichen Demoroute zuerst zu räumen, gaben aber nach gewisser Zeit auf.
Offensichtlich wollten die Bullen dann bei der zweiten Demo den Nazis unter allen Umständen das Laufen ermöglichen. Es konnte sich zwar recht problemlos eine Blockade formieren, die Leute waren auch durchaus sehr entschlossen und setzten sich zum Teil, nachdem sie weggeschliffen wurden, wieder hin, aber es waren einfach zu wenig Leute. Die Bullen nutzten vielfach die üblichen Schmerzgriffe und waren auch sonst nicht zimperlich, viele Leute wurden verletzt.
Bedenklich
In der Tat ist es als äußerst bedenklich zu werten, wenn angesichts der kritischen Situation in Hellersdorf und der aktuell in ganz Deutschland größer werdenden Bedrohungslage für Flüchtlingsunterkünfte dieser Art - sei es durch einen Mob "empörter" rassistischer Bürger*innen oder gar durch direkte (neonazistische) Angriffe - verhältnismäßig nur so wenige Menschen den Weg zu Gegenaktivitäten finden.
Und das trotz eigentlich ausreichender Mobilisierungszeit und monatelanger Präsenz der Thematik, sowohl in Szenekreisen, als auch in der lokalen und bundesweiten Öffentlichkeit.
Wären die Bullen gestern schon von Anfang an so hart vorgegangen, wie bei der Auflösung der Blockierung der zweiten Nazidemo am späten Nachmittag, hätte der Tag vielleicht auch ganz anders enden können.
Als positiv festzuhalten ist, dass es dank Kartenmaterial und laufender Lage-Updates via Twitter, in der Regel relativ schnell gelang, auf neue Situationen zu reagieren und bei Bedarf den Ort zu wechseln. Wenngleich dennoch immer wieder "orientierungs- und planlose" Einzelpersonen oder Gruppen anzutreffen waren, was einen Hinweis auf die insgesamt starke Zersplitterung der Menge an Blockierer*innen in Kleingruppen liefert.
(Ist ja abhängig vom jeweiligen Aktionskonzept nicht prinzipiell von Nachteil, bei der gestrigen Blockade der 2. Nazidemo war es das aber schon).
Es bleibt also nur zu hoffen, dass sich bei künftigen Aktivitäten mehr Menschen angesprochen fühlen und sich ins hässliche Hellersdorf - und auch anderswohin - begeben.
Denn mit einem Rückgang rassistischer Umtriebe kann mensch bekannterweise auch auf längere Sicht nicht rechnen.
Kritik
Die Zahl von 1000 Gegendemonstranten halte ich für übertrieben, meiner Schätzung nach befanden sich max. 600 Gegendemonstranten rund um den Aufmarschversuch von Neonoazis und Rassisten.
In Anbetracht dessen, dass an diesem Tag real die Gefahr bestand, dass es beim Vorbeiziehen der Neonazis und Rassisten am Heim der geflüchteten Menschen zu Angriffen hätte kommen können, bzw. zumindest sicher zu Bedrohungen und Beleidigungen gekommen wäre, halte ich es für eine Schande, dass nur so wenig ihren Arsch nach Hellersdorf bewegt haben. Irgendwas läuft schief wenn sogar bei einer spontanen Demo am Vorabend in Kreuzberg mehr Menschen zusammen kommen.
Letztendlich ist es gutem Agieren und Glück zu verdanken, dass erfolgreich blockiert wurde. Kartenmaterial und Twitter waren auch sehr gut. Mein Respekt geht an alle die ihren Arsch auf der Straße geparkt haben, damit eine Verhaftung riskiert habe oder sogar verhaftet wurden, ihr wart klasse!
war doch gut
dafür das eigentlich nur über das Netz mobilisiert wurde fand ich die Teilnehmerzahlen erstaunlich. Vorallem war frühs das Wetter scheisse und viele hatten die Nacht vorher gefeiert.
Danke an alle die da waren:)
Bilder II
http://www.flickr.com/photos/phopectiveberlin/sets/72157636994859543/
http://www.flickr.com/photos/phopectiveberlin/sets/72157636995239014/
weitere bilder
http://www.flickr.com/photos/shitfoto/sets/72157637010707786/
weitere Fotos
gibt es unter:
http://www.umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/261013hellersdorf.html