Eine aktuelle Zusammenfassung der rechten Morde in Leipzig seit 1990. Gerade auch als Information für die kommende Demonstration “Remembering means fighting! - Für ein aktives Gedenken an alle Opfer rechter Gewalt!” am 26.10.2013 in Leipzig. Bundesweit zählen Journalist_innen mehr als 150 rechts motivierte Morde seit 1990, offiziell werden von der Bundesregierung lediglich 63 anerkannt. Für Leipzig ergeben aktuelle Recherchen sechs rechts motivierte Morde und weitere drei Verdachtsfälle. Damit steht Leipzig bundesweit nach Berlin an zweiter Stelle.
Die offiziell anerkannten Morde
Der aus Syrien kommende Asylsuchende Achmed B.,
30 Jahre alt, wird am 23. Oktober 1996 von zwei jungen Nazis, Daniel Z.
(20) und Norman E. (18), erstochen. Nachdem die Täter stundenlang
faschistische und rassistische Parolen grölend durch die Stadt gezogen
sind, betreten sie am Abend ein Gemüsegeschäft in der Leipziger
Südvorstadt. Zunächst beschimpfen sie die Verkäuferinnen als
„Türkenfotzen“ und „Türkenschlampen“ und drängen sie an eine Wand. Als
Achmed B. seinen Kolleginnen zur Hilfe kommen will, wird er angegriffen.
Nachdem es ihm gelingt, die beiden Angreifer aus dem Geschäft
herauszubewegen, sticht einer der beiden auf Achmed B. ein.
Der Mord mit
rassistischem Hintergrund wird von Vertreter_innen der Stadt zum Teil
verharmlost. So behauptet der damalige Oberbürgermeister Hinrich
Lehmann-Grube: „ein rechtsextremes Potenzial ist mir hier nie begegnet“
und Leipzigs „Ausländerbeauftragter“ Stojan Gugutschkow pflichtet ihm
bei: „Es hätte auch irgendeinen Deutschen treffen können“. Z. und E.
werden wegen „Mordes aus niedrigen Beweggründen“ angeklagt. Etwa ein
Jahr später fällen die Richter des Landgerichts Leipzig das Urteil:
Daniel Z.wird zu neuneinhalb Jahren Jugendhaft verurteilt, sein Mittäter
Norman E. erhält wegen Beihilfe viereinhalb Jahre Gefängnis. Laut
Staatsanwaltschaft gebe es „keine Anhaltspunkte für einen
fremdenfeindlichen Hintergrund“, stattdessen handle es sich um eine
„spontane Tat“.
Erst 15 Jahre nach der Ermordung von Achmed B., wurde die Tat als rassistisch motiviert anerkannt.
Der aus Portugal kommende Zimmermann Nuno L.,
49 Jahre alt, wird am 4. Juli 1998 von acht Neonazis verprügelt.
Nachdem das deutsche Fußballteam bei der Weltmeisterschaft der Männer
gegen die Auswahl aus Kroatien verloren hat, ziehen acht Nazis los, um
ihren Frust an „Ausländern“ abzulassen. Als sie auf Nuno L. treffen,
tritt einer der Gruppe mehrmals mit Stahlkappenschuhen gegen dessen
Kopf. Am 29. Dezember stirbt Nuno L. in Portugal an den Spätfolgen
seiner Verletzungen.
Das Landgericht
Leipzig wertet die Tat im September 1999 als Körperverletzung mit
Todesfolge. Der Haupttäter wird zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, die
Mitangeklagten – alle im Alter von 18 bis 20 Jahren – bekommen
Bewährungsstrafen. Der Vorsitzende Richter im Prozess, Norbert Göbel,
ließ die Witwe von Nuno L. damals auf den Kosten der Nebenklage sitzen,
den Tätern wurden nicht mal die Prozesskosten auferlegt und einen
Haftantrittstermin kam erst auf überregionalen medialen Druck zustande.
Erst zehn Jahre nach dem Urteil benennt die Bundesregierung Nuno L. offiziell als Opfer rechter Gewalt.
Der 19-jährige Kamal K.
wurde in der Nacht des 24. Oktobers in der Nähe des Hauptbahnhofes von
den zwei Neonazis Daniel K. (28) und Marcus E. (32) ermordet. K. und E.
zogen bereits den gesamten Abend über durch verschiedene Leipziger
Kneipen, tranken, provozierten und suchten immerzu Stress. In der
C.-W.-Müller-Anlage gegenüber des Hauptbahnhofes trafen die beiden Nazis
später auf Kamal K. Dieser sprach Daniel K. und Marcus E. an, da beide
auf einen Freund von Kamal K. einredeten. Daniel K., bekleidet mit einen
Kapuzenpullover mit der Aufschrift „Kick off Antifascism“, griff Kamal
K. als erstes an und besprühte ihm mit Pfefferspray, machte ihn somit
unfähig sich zu wehren, und ermöglichte es damit E., auf Kamal K.
einzustechen und ihn damit zu töten.
Ein rassistisches Motiv sieht die
Staatsanwaltschaft trotzdem nicht. Es lägen bislang „keine hinreichenden
Anhaltspunkte für eine ausländerfeindliche Motivation der beiden
Angeschuldigten vor“, erklärten die Strafverfolger. Das Landgericht
Leipzig verurteilte Marcus E. wegen Mord aus niedrigen Beweggründen zu
13 Jahren Haft und Daniel K. wegen gefährlicher Körperverletzung zu 3
Jahren Haft. Gegen Marcus E. wurde vom Gericht zudem eine
Sicherungsverwahrung verhängt.
Damit folgte das
Gericht im Hinblick auf Marcus E. der Nebenklage, die vor Gericht die
Interessen der Familie des Ermordeten vertrat. Mit dem Urteil würdigt
das Schwurgericht des Landgerichtes das offensichtlich rassistische
Motiv der beiden Täter.
Die nicht-anerkannten Morde
Am 28. Mai 1994 wird der 43-jährige Klaus R.
in einem Mietshaus in Leipzig-Lindenau von sechs Neonazis zu Tode
geprügelt. Das spätere Opfer und die Täter wohnen zu diesem Zeitpunkt im
selben Haus, in dem die Neonazis eine Wohnung besetzt halten. Nach
einem Streit mit Klaus R. treten die Täter mit Stiefeln auf ihren
Nachbarn ein und schlagen ihn mit Boxhandschuhen.
1995 verurteilt das
Leipziger Landgericht den 18-jährigen Hauptangeklagten wegen versuchten
Totschlags und schwerer Körperverletzung zu fünf Jahren Haft. Die fünf
Mittäter kommen mit niedrigeren Haft- und Bewährungsstrafen davon.
Bernd G.,
43 Jahre alt, wird in der Nacht zum 8. Mai 1996 in Leipzig-Wahren auf
offener Straße von drei Neonazis zusammengeschlagen und niedergestochen.
Nachdem die Täter auf ihn eingetreten, einen Ziegelstein auf seinen
Kopf geschmissen und 36 Mal auf ihn eingestochen haben, stirbt der
43-Jährige schließlich an einem Genickbruch. Die Leiche bringen die
Täter per Auto zu einem Steinbruch in Ammelshain und versenken sie im
Wasser. Blut und Kleidungsstücke von Bernd G. bleiben am Tatort zurück,
doch die Anwohner_innen kommen nicht auf die Idee, die Polizei zu
benachrichtigen.
Während die homosexuelle Orientierung des Opfers medial
und polizeilich bekannt ist, spielen beim Prozess die politischen und
homophoben Hintergründe der Täter keine Rolle. Zwar seien die
Angeklagten der rechten Szene zuzuordnen, der Urteilsbegründung des
Leipziger Landgerichts zufolge ist Bernd G. jedoch „aus Lust und Laune
an körperlicher Mißhandlung” gestorben. Nach einem Revisionsverfahren
vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe wird der Haupttäter wegen Mordes
zu vierzehneinhalb Jahren und seine Komplizen zu zehn und acht Jahren
Haft verurteilt.
Der Obdachlose Karl-Heinz T.,
59 Jahre alt, wird am 23. August 2008 im Zentrum Leipzigs von dem
Neonazi Michael H. mehrfach verprügelt. Etwa zwei Wochen später, am 6.
September, stirbt er im Krankenhaus an seinen Verletzungen.
In der Nacht nach
einer Nazi-Demo unter dem Motto „Todesstrafe für Kinderschänder“,
organisiert von den neonazistischen „Freien Kräften“, ziehen zwei junge
Männer durch den Park hinter der Leipziger Oper. Dort finden sie den auf
einer Bank schlafenden Karl-Heinz T.. Michael H. sagt ihm, dass er
„nicht hier schlafen“ solle, versetzt ihm einen Fausthieb und springt
ihm ins Gesicht. Der Täter – ununterbrochen von einem Kumpel begleitet –
verlässt den Tatort für eine halbe Stunde, um sich mit Freunden zu
treffen. Dann kehrt er zurück, um den 59-Jährigen erneut zu verprügeln.
Die Ärzte stellen bei dem Opfer später massive Kopfverletzungen,
Prellungen am ganzen Körper, Brüche im Gesicht, eine Halswirbelfraktur
und Hirnblutungen fest.
Am 27. März 2009
verurteilt das Leipziger Landgericht den 18-jährigen Neonazi wegen
„heimtückischen Mordes“ zu einer Gefängnisstrafe von acht Jahren und
drei Monaten. Wegen Reifedefiziten erhält er eine Jugendstrafe. Sein
Kumpel wird nicht angeklagt. Der Staatsanwalt erklärte in seinem
Plädoyer, das Opfer habe nichts getan, „außer im Park nachts zu
schlafen“. Sein Mörder habe den Mann „zum bloßen Objekt degradiert“. Von
polizeilicher Seite wird der Vorfall als „normale Straftat unter
Alkoholeinfluss“ eingestuft. Auch in diesem Prozess war Göbel
Vorsitzender Richter und beachtete selbst den von der Verteidigung des
Täters erbrachten Hinweis nicht, ein rechtes bzw. sozialdarwinistisches
Motiv in der Tat zu untersuchen. Doch nicht nur Göbel, sondern auch die
von einer Studentin alarmierten Polizist_innen des nah gelegen
Innenstadtreviers, zeigten, was sie von wohungslosen Menschen halten.
Anstatt die Studentin mit ihrem Anliegen ernstzunehmen und Karl Heinz T.
zur Hilfe zu kommen, benötigten sie mehr als eine Stunde für die etwas
mehr als 200m zum Tatort.
Die Verdachtsfälle
Eine bisher namentlich nicht bekannte Person,
wohl aber 35-jähriger, wird am 1. Juni 1991 gegen 19:00 Uhr am
Leipziger Hauptbahnhof aus der Straßenbahnlinie 17 gestoßen. Zuvor soll
es beim Warten auf die Straßenbahn zu Handgreiflichkeiten mit dem
späteren Täter gekommen sein. Nach dem Einsteigen attackiert der Täter
den Mann so schwer mit Stiefeltritten, dass er aus der Bahn stürzt und
sich lebensgefährlich verletzt und wenige Tage später, wohl am 11. Juni,
an seinen Verletzungen stirbt. Der Täter wird als Skinhead beschrieben,
der Springerstiefel sowie ein Shirt mit Reichsadler-Aufdruck trug.
Zudem soll er stark tätowiert gewesen sein, so auch im Gesicht. Laut
Angaben der LVZ soll der Täter auch identifiziert und zur Fahndung
ausgeschrieben worden sein. Weitere Angaben sind bisher nicht bekannt.
Der 43-jährige Wohnungslose Horst K.
wurde am 30. Dezember 1995 von zwei Jugendlichen, Steffen S. (20) und
Marlon S. (20), in einer Straßenbahn angezündet. Beide steigen gegen
21:00 Uhr in einen Anhänger der Linie 15 an der Haltestelle Plovdiver
Str./Jupiterstr. (Grünau) zu. Als sie den schlafenden Horst K.
erblicken, soll Marlon S. seinen Freund Steffen S. mit dem Satz „Zünde
ihn einfach mal an!“ animiert haben, diesen anzuzünden. Daraufhin
zündete Steffen S. Horst K. mit einem Feuerzeug an, der sofort Feuer
fing. An nächsten Haltestelle wechselten beide in den Triebwagen, um zu
sehen, wie K. brannte. Steffen S. fand dies „cool“. Als die Notbremse
ausgelöst wurde flüchteten beide. Horst K. verstarb auf dem Weg ins
Krankenhaus an seinen Verletzungen. 40% der Körperoberflächen erlitten
Brandverletzungen zweiten und dritten Grades.
Im Prozess wurde ein
politisches Motiv ausgeschlossen, da beiden „spontan handelten.“
Steffen S. Wurde zu einer Jugendstrafe von achteinhalb Jahre Haft wegen
Mordes, Marlon S. Zu einer Jugendstrafe von einem Jahr Haft auf
Bewährung wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt.
Am Abend des 4. Oktober 2003 wird der 16-jährige Schüler Thomas K.
durch den jungen Neonazi René M. (18) in Wahren erstochen. M. lockte
Thomas K. auf dessen Heimweg in ein Gebüsch und stach mit einem
Küchenmesser mehrmals auf diesen ein. K. schaffte es noch, die Polizei
und einen Krankenwagen telefonisch zur Hilfe zu rufen. Jedoch verstarb
Thomas K. wenig später im Krankenhaus. René M., der zur Hauptverhandlung
am Landgericht Leipzig im Mai 2004 in Bomberjacke erschien, erzählte
stolz, er sei von seinen Kumpels aus der rechten Szene „gut umerzogen“
worden und habe einfach einen „aufklatschen wollen“, da ihm die
Gespräche der Clique von K. über Drogen nicht gefallen hätten. M. wurde
wegen Mordes zu einer Haftstrafe von zehn Jahren Haft nach
Jugendstrafrecht verurteilt.
Der Jingle zur Demonstration findet sich HIER
Videos
Noch drei Videos zum Thema:
Monitor - Nachgefragt zum Mord an Nuno Lourenço in Leipzig
Die verschwiegenen Toten (24.10.2000, Panorama)
ARD Panorama die Vertuschung rechter Gewalt
Namen!
Die vollen Namen würden interessieren. Die Opfer verdienen, dass man sich ihrer erinnert - dazu ist der Name eine unentbehrliche Information. Die Mörder verdienen keinen Schutz, die Nennung der vollständigen und unveränderten Namen ist auch hier sinnvoll.
Namen
Die Mörder von Achmed Bachir heißen Daniel Zinsmeyer und Norman Eisenschmidt. Zinsmeyer erhielt eine Jugendstrafe von neuneinhalb Jahren wegen Mordes, Eisenschmidt wegen Beihilfe zum Totschlag eine Jugendstrafe von vier Jahren. Nach seiner Freilassung ist Zinsmeyer vor allem durch ein Alkoholproblem sowie durch Kleinkriminalität aufgefallen: Diebstahl, hat seine Frau gewürgt und geschlagen und Polizisten als "Judenschweine" beschimpft.
Über den Mord an Nuno Lourenço ist mir nur bekannt, dass der Haupttäter der damals 21-jähriger Andreas Sch. aus Böhlen war.
Die Mörder von Kamal Kilade heißen Daniel Kappe und Marcus Eckardt. Eckardt bekam 13 Jahre plus Sicherungsverwahrung. Kappe erhielt drei Jahre.
Den Nachnamen von Klaus R. kenne ich leider nicht.
Bernd G. hieß Bernd Grigol, er wurde ermordet von David Däbritz, Rainer Schmidt und Michael Langbein. Schmidt erhielt lebenslänglich, Langbein und Däbritz acht bzw. vier Jahre. Der Neonazi René Lehr, in dessen Wohnung sich die Täter vorher betranken, ist heute noch aktiv, pflegt Kontakte zu Nazis aus Grimma und geht gelegentlich auf Naziaufmärsche.
Karl-Heinz Teichmann wurde vom Neonazi Michael H. ermordet.
Auch ich würde mich freuen, wenn die fehlenden Informationen hier ergänzt werden könnten.
Namen
Wir ändern Artikel nicht eigenmächtig, aber die Namen stehen ja in deinem Kommentar.
Alles klar
Ich habe mich etwas missverständlich ausgedrückt. Mit "hier" meinte ich auch die Kommentarspalte und nicht den Artikel ;-)
frage
schön was du noch alles zusammen tragen konntest. weißt du auch wo Rene Lehr zu finden ist? Das wäre ja auch nochmal ne spannende Frage.
es ist immer gut zu wissen was diese täter von damals heute so machen und wo sie anzutreffen sind.
Rene Lehr
Rene Lehr wohnt meines Wissens in Grimma. Mehr weiß ich momentan nicht.