Nazi-Terroristen im Südwesten?

Erstveröffentlicht: 
11.09.2013

Bombenbastler verhaftet Nazi-Terroristen im Südwesten?

 

Von Ralf Deckert

Freiburg/Emmendingen/Freudenstadt - Haben Rechtsradikale in Südbaden einen Anschlag mit Modellfliegern geplant? Die Polizei hat im Zuge von landesweiten Ermittlungen am Freitag einen 23 Jahre alten wohnsitzlosen Neonazi inhaftiert, der als Drahtzieher entsprechender Terrorpläne gelten soll.

Der Mann war zuletzt mit einem Scheinwohnsitz im Kreis Freudenstadt gemeldet. Er soll einen 42 Jahre alten Sprengstoffnarren und Bombenbastler aus dem Raum Emmendingen mit dem Bau eines Sprengsatzes beauftragt haben, der mit einem Modellflugzeug bei einer Veranstaltung der linksautonomen Szene eingesetzt werden sollte. Konkrete Pläne, welche Veranstaltung es treffen sollte, hatten die Männer laut Landeskriminalamt (LKA) und Staatsanwaltschaft aber noch nicht.

Als Mitwisser des 23-Jährigen gelten zwei 22 und 24 Jahre alte, polizeibekannte Rechtsextremisten aus dem Kreis Freudenstadt und aus Freiburg: Einer der Männer, der 24-jährige Sascha H., lebte zuletzt im Freiburger Stadtteil Weingarten bei seiner Mutter und wurde vor vier Wochen von der linken Szene im Internet als Neonazi »geoutet«.

Sprengsatz hätte in einem Umkreis von bis zu 30 Metern schwere Schäden anrichten können

Die Polizei kam den Männern nach einem Tipp aus der Bevölkerung auf die Schliche und schaltete umgehend das LKA in Stuttgart in das Verfahren ein. Am 4. und 5. September wurden im Rahmen der Ermittlungen mehrere Wohnungen in den Landkreisen Emmendingen und Freudenstadt und ein nicht näher umschriebener Neonazi-Treffpunkt durchsucht. Bei dem 42-Jährigen wurden mehrere Modellflieger und, so Oberstaatsanwalt Wolfgang Maier in Freiburg, »eine scharfe Bombe im Kilobereich« gefunden, die von Sprengstoffspezialisten des LKA entschärft wurde. Laut Maier hätte der Sprengsatz in einem Umkreis von bis zu 30 Metern schwere Schäden anrichten können. Sichergestellt wurden zudem Chemikalien, geringe Mengen Rauschgift, diverse Datenträger und eine Videokamera.

Der 23 Jahre alte mutmaßliche Drahtzieher der Gruppe ist bereits durch Gewalttaten aufgefallen: In Dortmund hat er Ende August bei einer Kundgebung der rechtsradikalen Partei »Die Rechte« einen Böller auf Gegendemonstranten geworfen. Fünf Personen, darunter eine Landtagsabgeordnete der Piratenpartei und ein Polizist, wurden verletzt und erlitten Schürfwunden und Knalltraumata. Der Neonazi wurde in Dortmund auch kurzzeitig inhaftiert, kam aber umgehend wieder auf freien Fuß. Warum dies so war, konnte bei der Staatsanwaltschaft in Dortmund gestern niemand erklären. Die Ermittlungen gegen den Mann wegen gefährlicher Körperverletzung laufen aber weiter und sollen nun mit den Ergebnissen der Behörden in Baden-Württemberg zusammengeführt werden.

Gebastelt hatte den Böller bei der Demonstration in Dortmund übrigens vermutlich der gleiche Bombenbauer, den die Polizei nun im Kreis Emmendingen identifiziert hat. Er soll nicht politisch aktiv sein, gilt aber laut Staatsanwaltschaft als »Sprengstoffnarr« und wurde gegen Auflagen auf freien Fuß gesetzt. Der 23-jährige mutmaßliche Kopf der Gruppe sitzt in Freiburg in U-Haft, gegen die beiden mutmaßlichen Mitwisser wird weiter ermittelt.

Beim LKA sind im vergangenen Jahr über die Seite www.polizei-bw.de fast 400 anonyme Hinweise aus der Bevölkerung auf rechtsextreme Straftäter eingegangen. Landesweit wurden 2012 rund 1100 rechtsextrem motivierte Straftaten registriert, was einem Zuwachs von elf Prozent gegenüber 2011 gleichkam. Ein Großteil der Delikte fiel laut LKA-Statistik in den Bereich der Propaganda. In 24 Fällen kam es zu Gewalttaten gegenüber Ausländern, in zwei Fällen zu antisemitisch motivierten Gewalttaten. Im Vergleich dazu sank die Zahl der linksmotivierten Straftaten um rund 26 Prozent auf knapp 450.


In Baden-Württemberg sind laut LKA derzeit über 300 gewaltbereite Neonazis aktenkundig, etwa 20 davon sind Frauen. Sie sind in rund einem Dutzend Gruppierungen wie den »Autonomen Nationalisten« organisiert. Die Idee, einen Modellflieger als Bomber einzusetzen, hatten zuletzt offenbar auch radikale Islamisten in Stuttgart: Dort wurden Ende Juni zwei Studenten von der Polizei als Verdächtige identifiziert, bundesweit und in Belgien wurden insgesamt neun Wohnungen durchsucht. Verhaftet wurde allerdings niemand.

In Südbaden haben in den vergangenen Jahren vor allem zwei rechtsradikal motivierte Delikte für Schlagzeilen gesorgt: In Weil am Rhein/Kreis Lörrach wurde vor vier Jahren ein damals 22 Jahre alter Mann von der linken Szene als Bombenbastler »geoutet«. Bei ihm wurden 22 Kilo Material für den Bau von Bomben gefunden. Der Mann saß kurzzeitig in U-Haft, wurde zunächst auch angeklagt, am Ende aber doch nicht vor Gericht gestellt. Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe begründete dies vor zwei Jahren in zweiter Instanz damit, dass der Sprengstoff für sich gesehen noch nicht beweise, dass damit auch tatsächlich eine Bombe gebaut werden sollte.

Der Entscheid sorgte für ebenso viel Empörung wie der Freispruch für einen 29 Jahre alten szenebekannten Ortenauer Neonazi, der im Juli 2012 in Freiburg vor Gericht stand. Der Mann hatte im Herbst 2011 mit seinem Auto auf einem Parkplatz bei Riegel/Kreis Emmendingen eine Gruppe linker Szene-Aktivisten angegriffen und dabei einen jungen Mann schwer am Kopf verletzt. Der umstrittene Freiburger Freispruch wurde im April 2013 vom Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe »kassiert«, die Neuauflage des Verfahrens steht noch aus.

Übrigens: Laut LKA-Sprecher Horst Haug in Stuttgart soll es keine personellen Zusammenhänge zwischen den Fällen von Riegel und Weil und dem aktuellen Fall in Emmendingen, Freudenstadt und Freiburg geben.

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