Am
14. September 2013 um 16.00 Uhr am Stuttgarter Marktplatz ist es soweit:
Die “Demo gegen Eurowahnsinn und Totale Überwachung” bahnt sich ihren
Weg durch die Stuttgarter Innenstadt. Wer ist dieses “Aktionsbündnis für
direkte Demokratie” und was sind ihre Forderungen? Ein Aufruf sich an diesem Tag lieber mit Eisessen zu beschäftigen als auf diese Demo zu gehen.
Wenn man die Artikel auf ihrer Internetseite Rückwärts
verfolgt, wie sie einem im Blog dargeboten werden, gewinnt man einen
guten Eindruck: Da ist in dem Eintrag vom 28. August zu lesen:
“Die NSA- / BND-Affäre hat gezeigt, dass wir in einem Land der totalen
Überwachung leben. Einer Überwachung, wie sie selbst die Nazis oder
Kommunisten nicht verwirklichen konnten” (1)
Man erfährt also
nicht, warum der Staat eigentlich Daten über seine Bürger sammelt,
sondern nur das es irgendwie noch schlimmer ist als bei den
Nazikommunisten der NSDDR. Das diese Überwachung auch noch von der USA
auszugehen scheint, stört die guten Patrioten von der Eurodemo
Besonders: “Gysi, Merkel und andere Politiker sagen offen, dass die
Bundesrepublik gar nicht (mehr?) souverän ist, dass wir, die Menschen,
die in diesem Land leben, nicht einmal im Ansatz mündige Bürger sind,
weil die Bundesrepublik möglicherweise nur ein Schattenstaat der
Weltkriegssieger ist” (1) Die BRD-AG also fremdgelengt von USrael? Da
kann doch eigentlich nur noch ein ordentliches “Deutschland erwache!”
folgen. Aber was machen diese Luschen an der Spitze? “Nichts.” Es ist
doch zum Verzweifeln…
Auch die Terrorwahrnungen sind den
Eurodemonstranten suspekt. “Und sollte tatsächliche eine Bombe
explodieren: Wer weis’ dann schon, von wem die wirklich gelegt wurde?
Vielleicht am Ende sogar vom BND?” (1) Ja, wer weiß? Wenn man nichts
weiß kann man auf jeden Fall mal alles vermuten. Dann kommt die Analyse:
“Dieser „Westen“ ist durch seine “Elite” zu einem verachtenswerten Müll
herunter gesunken. Seine Moral ist verkommen. Die Arbeitsplätze fliehen
schon lange aus ihm. Das Kapital flüchtet inzwischen auch, was aber
durch das aberwitzige Gelddrucken der Zentralbanken kaschiert wird. Noch
spielt man sich als militärische Supermacht auf. Doch es ist so klar
wie Kloßbrühe, dass auch diese Macht bald vergehen wird. Ohne Moral,
Geld und Maschinen gibt es auch kein leistungsfähiges Militär.” (1)
Hier ist es schon schwieriger Herauszufinden, was eigentlich die Kritik
ist und wo das Bedauern darüber Einsetzt, das Deutschland gar nicht so
groß und Stark ist wie diese Direktdemokraten es gerne hätten. “Der
Westen” sei “zu einem verachtenswerten Müll herunter gesunken” – darin
steckt der Wunsch nach einem starken Europa, dass der Welt mal zeigt wo
es lang zu gehen hat. Das “Arbeitsplätze fliehen” und das “Kapital
flüchtet” ist nicht nur analytischer Quatsch – es ist auch der Wunsch
danach, das ein richtiges Deutschland sich doch gefälligst in der
Nationalen Konkurrenz behaupten solle. Da Deutschland allerdings
Krisengewinner ist, kann man die Sätze Drehen und Wenden wie man will –
sie ergeben keinen Sinn. Der letzte Satz indes scheint das große
Schreckgespent dieser Direktdemokraten zu sein: Ohne Moral und Geld
gibts am Ende nicht mal ein leistungsfähiges Militär: Gott bewahre!
Aber auch an anderen Tagen wird der Inhalt nicht besser. So am 20.
August: “Lügnerin Merkel [...] hat heute das Konzentrationslager Dachau
besucht. Wie sich die Geister der dort Gequälten und Gefolterten
angesichts des Besuchs dieser Antidemokratin, dieser notorischen
Lügnerin, dieser Verbrecherin an den Werten der Menschlichkeit und des
Grundgesetzes, gefühlt haben, lassen wir einmal beiseite.” (1)
Gut zu wissen das die Direktdemokraten auch einen Draht zum Jenseits
haben – wer also mit Oma und Opa mal wieder Kontakt haben will wende
sich vertrauensvoll an das Aktionsbündnis. Indes beachte man auch den
Rest: Haben wir noch am 28. August erfahren, dass die BRD eigentlich gar
kein Souverän ist, und damit ja auch das Grundgesetzt ein Knebel der
USA, wird hier der Merkel in der guten alten Art des
Verfassungspatriotismus vorgeworfen, sich eben an jene Fessel des
Deutschen Volkes nicht zu halten.
Die Internetseite macht also Neugierig auf mehr. Und mehr, das gibt es im Positionspapier, wo zu lesen ist: ”
“Wo Parlamentarismus, Parteien, Justiz und Medien versagen, bleibt nur
noch die direkte Demokratie um die Loyalität der Bürger und ihr
Vertrauen in den Staat wiederherzustellen.” (2) Endlich, so möchte man
es hinausschreien, des Pudels Kern:
Die Demonstration hat also
den Zweck, endlich Deutschland so zu lenken, dass die Loyalität der
Bürger wieder ganz auf den Seiten der Staatsgewalt ist. Wer also auch
das Gefühl hat, das zuviele Bürger inzwischen kein Vertrauen mehr in
diesen Staat haben, und endlich wieder ins Boot der nationalen Einigkeit
geholt werden sollten, dem kann wärmstens Empfohlen werden, am 14.
September auf die Straße zu gehen.
Wer allerdings eine Kritik
an Staat, Nation & Kapital hat, dem ist angeraten die Demonstration
tunlichst zu meiden – und nicht wie manche Linke auf Facebook und ihren
Blogs auch noch für dieses gruselige Schauspiel der guten Deutschen zu
werben.
Mehr auf www.keinort.noblogs.org
(1) http:// eurodemostuttgart.wordpress.com /
(2) http:// eurodemostuttgart.files.wordpre ss.com/2011/06/positionspapier.pdf
Anmerkung PdV
Bleibt noch anzumerken, dass in die Demo-Organisation (zumindest in Stuttgart) die sogenannte "Partei der Vernunft" maßgeblich involviert ist.
Das ist eine marktradikale, "libertäre" (haha!) Partei, die gerne ein bisschen mehr kritische Aufmerksamkeit bekommen könnte.
Deren Programm lautet ungefähr so: "Wir finden den Staat doof, weil er unsere Geschäfte behindert. Alles was wir brauchen ist ein bisschen Polizei, damit unser Eigentum gesichert wird - den Rest regelt der Markt."