[Köln] AZ Kommunique #6

AZ Köln

Mehr als 3 Jahre AZ in der Wiersbergstraße in Köln-Kalk gehen zu Ende, jetzt stehen die Umzugswagen vor der Tür. Das AZ steht nach den aufreibenden letzten Monaten vor dem Beginn einer Reise, weg aus Kalk, rüber auf die andere Rheinseite, mit einem neuen Nutzungsvertrag.

 

Vor dem Haus riesige Container, drinnen Menschen, die alles, was noch brauchbar ist, abbauen und einpacken. Andere gehen ihrem Bedürfnis nach Zerstörung nach, wieder andere wollen das Gebäude nicht mehr betreten und und sahen die Notwendiglkeit sich aus dem AZ rauszuziehen. Viele melancholische Gesichter sind zu sehen. Egal wie viele Umzugskartons in die Container geladen werden - jeder Raum bleibt bis unter die Decke gefüllt mit Erinnerungen.

 

Hier haben tausende unterschiedliche Menschen zusammengefunden - haben gemeinsam gelacht, geweint, diskutiert, gefeiert, sich vernetzt, sind im Streit auseinandergegangen, sind ausgebrannt oder haben Feuer gefangen und haben sich auf das Experiment AZ eingelassen. Viele emanzipatorische Schritte sind gemacht worden, auch wenn es immer wieder Rückschläge gab.

 

Zwischenzeitlich waren mehrere hundert Menschen in mehr als 50 Gruppen an der Gestaltung des AZ aktiv beteiligt. Ständig kamen neue Menschen hinzu, andere hingegen schlugen neue Wege außerhalb des AZ ein. Für diese Vielzahl von Menschen, die das AZ nutzten und auf ihre Weise gestalteten, war neben der Verteidigung des Hauses eine der größten Herausforderungen die Zusammenarbeit einer Vielzahl von Meinungen, Ansichten und Bedürfnissen auf einer riesigen Spielwiese, die manchmal problemlos nebeneinander Platz fanden, sich manchmal aber auch krass entgegen standen. Das AZ war seit Beginn ein Ort der verdichteten Unterschiedlichkeiten, die uns immer wieder herausforderten und kontinuierlicher Veränderung bedurften.

 

Das Haus ist nun leer - 3 1/2 Jahre AZ in der Wiersbergstraße sind zu Ende gegangen.

 

Die beiden Ersatzgebäude am Eifelwall 7 und an der Luxemburgerstraße 168 (ein Gebäude, das 1999 schon einmal zu diesem Zweck besetzt worden war), in die das AZ nun nacheinander einziehen wird, wurden der Stadt in den letzten Wochen abgerungen. Der Druck, der gegen die Gesprächsverweigerung der SPD aufgebaut wurde, hat seine Wirkung gezeigt:

 

Ob die Gather + Resist Woche, militante Aktionen für das AZ in Köln und anderen Städten, der Offene Brief, der eine überwältigend positive Debatte zum Erhalt des AZ in der Wiersbergstraße ausgelöst hat, sowie die mediale Debatte, die selbstbestimmte Zentren als Notwendigkeit und Gegenpol in der durchkommerzialisierten Stadt in den Fokus rückte: die SPD musste ihre Verweigerungshaltung aufgeben und auf das AZ zugehen, um mit uns die eigentlichen Gespräche über das Fortbestehen des AZ zu beginnen.

 

Eine polizeiliche Räumnung wäre auch für Stadt und SPD mit einem hohen politischen und materiellen Preis bezahlt worden. Dazu ist es nun nicht gekommen. Das Plenum des AZ hat sich für das einzige Angebot der Stadtverwaltung entschieden, was zugleich Erfolg und Niederlage bedeutet. Letzten Endes wurde sich für einen "sicheren" Ort und gegen den Kampf um das Haus in der Wiersbergstraße , eine Alternative in Kalk oder eine neue Besetzung entschieden. Leider wurde es dabei nicht immer geschafft, eigene Ziele einzuhalten: ein angemessenes Räumungsmoratorium durchsetzen, grundlegende Gespräche mit der Stadt öffentlich führen, oder unsere Sicht auf die Gewalt-Debatte nach Aussen tragen.

 

Diese Entscheidung ist getroffen worden - zu Ende diskutiert ist sie jedoch noch lange nicht - eine kollektive Stimme aller im AZ Aktiven, die diese Entscheidung trägt, gibt es nicht.

 

Wir befinden uns in einem turbulenten und kraftraubenden Zustand und sind uns der Unmöglichkeit bewusst, in diesem Text alle Eindrücke und Meinungen zum Umzug und dem Weg bis hierhin wiedergeben zu können. Wir können in diesem Kommunique nur einige Strömungen dokumentieren, in dem Bewusstsein andere Stimmen vernachlässigt zu haben und so eine verkürzte Bewertung abzugeben. Deshalb bedarf es noch anderer Formen, in denen alle Eindrücke und Analysen ihren Raum finden. Dies ist unsere kollektive Aufgabe, die abseits von Kommuniqué und AZ Neubeginn stattfinden soll.

 

Am Ende noch einen riesigen Dank an alle Menschen, die uns in den letzten Jahren unterstützt haben, die mitdiskutiert, zugehört, kritisiert, mit angepackt haben und solidarisch waren. Eine neue Ära des AZs beginnt und wir hoffen, ihr seid in Zukunft auch weiter am Start!

 

Mit dem Abriss kann - wie an der Fassade stand - "das Haus vernichtet werden, aber nicht die Kraft, die es schuf!".

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na aber is doch so ...

die sind in der lage solche projekte in sozailarebit münden zu lassen, zum preis der selbstaufopferung und selbstausbeutung.

wofür? soziale befriedung als aufstandsbekämpfungsmaßnahme durch "einbinden" der "alternativen kultur" is schon ne ecklige sache und die kampfformen die zu anderen zeiten möglich waren ("statt wohnungspolitik plant die CDU den bürgerkrieg" war mal ne kampfansage) sollte man durchaus nicht vergessen, und so gesehen sind die "inhaltlichen abstriche" die man sich gezwungen sah zu machen durchaus auch kritisch zu betrachten. bringt natürlich nix in ner kampf-pose zu verharren wen die zeichen auf konterrevolution stehen und keine basis da wäre um die sozialen kämpfe wenn schon nicht siegreich so doch zumindest aussichtsreich zu führen wie man es gerne täte. demnach schaut man halt was man überhaupt machen kann, und was man machen kann is aber doch immer auch im hinterkopf zu behalten dass die realen möglichkeiten andere sind wenn es nur bloß viele auch wollen. militär-strategisch isses ne niederlage, so einfach, is okay das auch so zu benennen.

nach all dem ringen und kämpfen, soll das jetzt das bittere ergebnis sein!?! das ist sehr schade, natürlich macht es oft den anschein das wir an unseren projekten schon fast konservativ festhalten, als würde der ortswechsel die lokale szene zerstören, in anderen ländern räumen sie so schnell das sich große teile der szene bewußt darüber sind, das sie die räumlichkeiten nur kurzweilig halten können und es so eh zur ständigen veränderung kommt, aber sich auf einen deal einzulassen, der zur vermeintlichen verdrängung von bis zu 100 wohnunslosen im winter führen kann, da die angebotene fläche wohl an kalten tagen für sie genutzt wurde, halte ich aus meiner sicht für falsch. da werden am ende nur menschliche bedürfnisse gegeneinander ausgespielt und ottonormalbürger übt sich in sozialneid. sich auf einen deal einzulassen der einen zwangsumzug nach zwei jahren nutzung beinhaltet finde ich aus taktischen gründen ebenfalls falsch. das system zwingt oft legalisierte projekte diverse auflagen für brandschutz usw einzuhalten, damit man diese für seine bedürfnisse legal nutzen darf. was regelmäßig einen hohen zeit und kostenaufwand zur folge hat. als projekt hat dies oft, mangelnde politische arbeit und ablenkung von den eigentlichen angestrebten zielen, zur konsequenz.
es sind nur ein paar angeschnittene und sicher nicht zu ende gesponnene gedanken, und ich bin mir sicher das ihr euch ein noch viel größeres paket vorgenommen und diskutiert habt, aber so habe ich es schon mehrfach erlebt, die zwangsgesellschaft in der wir leben, versucht uns täglich etwas von unseren idealen, träumen und ideen abzuzwingen. leider sitzen sie am hebel der autorität und hetzen zur not ihre schergen auf uns.

versteht mich nicht falsch, ich wünsche euch und allen projekten mehr wie nur viel glück und erfolg!
nieder mit allen autoritäten,
feuer und flamme für jeden staat,
bildet euch, bildet andere, bildet banden,
fünf finger bilden ne faust!!!!!!!!!!!!!!!

Wie verträgt sich die Tatsache, dass ein soziales Projekt zur Unterstützung von Menschen ohne festem Wohnsitz (die "Winterhilfe" des SKM) nun einem Mittelstands-Jugendzentrum weichen muss eigentlich mit der von sog. Linken gerne zusammengestammelten Gentrifizierungskritik? Dass man sich den Umzug direkt von der Sparkasse subventionieren lässt, ist dann Ausdruck des ebenfalls gerne im AZ propagierten "Antikapitalismus", oder lediglich konstitutioneller Bestandteil des "selbstverwalteten Freiraumes"?

BTW: Was ist eigentlich das "Autonme" am AZ? Das AZ wird getragen von einem rechtsfähigen Verein, welcher als Vertragspartner der Stadt Köln von dieser eine Immobilie angemietet hat (wenn auch "mietfrei"), um kulturelle Veranstaltungen, Projekte, u.ä. durchzuführen. Es handelt sich also um ein stinknormales Bürgerzentrum. Was die Beiteiligung an "sozialen Kämpfen" anbelangt – da passiert sogar in Köln in anderen Bürgerzentren mehr, und das ohne einen peinlichen Revolutionsbegriff vor sich her zu schieben. Das AZ beteiligt sich nur an sozialen Kämpfen, die das AZ betreffen – und das mit einer impertinenten Selbstgerechtigkeit, dass ich kotzen möchte, kotzen muss.

Die einzigen "Freiräume" in Selbstverwaltung, die rund um das AZ existieren, finden sich in den Köpfen von Menschen, die Zeilen verfassen wie: "Die Deutungshoheit darüber, was nun Gewalt sei, liegt bei den Institutionen [...]. Sie hat ihren Anfang und ihr Ende dort, wo sie die Zementierung des Bestehenden legitimiert." (s. https://linksunten.indymedia.org/de/node/93318). Hierin äußert sich ein Verständnis des Gewaltbegriffs, welches noch hinter jenem eines dreijährigen, trotzigen Kindes, das an der Supermarktkasse von seiner Mutter keine Süßigkeiten bekommt, zurückbleibt.

Eigentlich war schon seit langem der einzige Grund, überhaupt noch ein Fuß in dieses Bürgerzentrum zu setzen, der Besuch von zugegeben schönen Partys. Da sich ja jetzt Berichten zu Folge nur noch 199 Besucher zeitgleich im Gebäude aufhalten dürfen und auf AZ-Partys immer gefühlte 20 hauseigene Ordnungskräfte (die sich sinnerhellend "Spaßbremsen" getauft haben) ihr sellbsterteiltes Gewaltmonopol nebst Deutungshoheit ausleben, bleibt zu wenig Platz für Menschen, die einfach nur tanzen möchten. Der einzige Sinn, den das AZ jetzt hat, liegt in der Sinnstiftung für die Leben derer, die es zu ihrem Lebensinhalt gemacht haben.