Bevor ich mit Ihnen einige Informationen teile, möchte ich mich an das Gericht wenden, das mich als Herr Mahdiye Tayefeh Kalhori anschreibt. Ist das nicht ein Zeichen, dass das Gericht nicht ausreichende und richtige Informationen in der Sache verfügt? Wenn das Geschlecht nicht bekannt ist, werde ich dann automatisch als Mann eingestuft? Ist das nicht eine sexistische und patriarchale Sicht?
Damit das Gericht eine klare Sicht bekommt, möchte ich nun bezüglich der Protestaktion in der nigerianischen Botschaft einige Informationen hier öffentlich mit Ihnen teilen. Die Protestaktion vom Oktober 2012 richtete sich gegen die Abschiebeanhörungen, die im normalen Sprachgebrauch auch als Botschaftsanhörungen bezeichnet werden, damit das Verbrechen der Abschiebung nicht benannt wird.
Diese sogenannten Botschaftsanhörungen durch Vertreter des nigerianischen Staates in Deutschland sind seit über 10 Jahren bekannt, z.B. in der Antwort der Bundesregierung zur Problematik von Botschaftsanhörungen zu finden in den Drucksachen des deutschen Bundestages [1]. In einem Bericht von 1999 wird die Praxis der Hamburger Ausländerbehörde beschrieben [2]. Nach dem die Öffentlichkeit über die Methoden der zuletzt genannten Behörde erfuhr, verlegte sie diese an einem Ort außerhalb der Stadt. Warum muss eine Behörde ihre Taten vor der Öffentlichkeit verheimlichen? Weil sie vielleicht mit dem Anspruch einer weltoffenen, multikulturellen und demokratischen Gesellschaft kollidieren?
Rex Osa, ein Aktivist der Flüchtlingsselbstorganisation THE VOICE
Refugee Forum, selbst Flüchtling aus Nigeria und beteiligt an dem
Protest in der nigerianischen Botschaft am 15.10.2012 hat in einem
Zeitungsinterview am 18. August 2011 folgendes gesagt:
„Für Donnerstag plant die Flüchtlingsorganisation »The Voice« eine
Protestkundgebung in Karlsruhe. Dorthin haben sich seit Beginn dieser
Woche nigerianische Botschaftsbeamte begeben, um Asylbewerber zu
»identifizieren«, ihnen Dokumente auszustellen und ihre Abschiebung
vorzubereiten. Auf welche Weise führen ihnen deutsche Ausländerbehörden
die Flüchtlinge zu?
Wir wissen aus Erzählungen und Beobachtungen, auf welche Weise die
Flüchtlinge teilweise zu diesen Anhörungen gebracht werden. Mit
polizeilichem Zwang wurden damals Afrikaner bis Freitag aus der ganzen
Republik zur Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in Karlsruhe
transportiert. Die nigerianische Botschaft mit Sitz in Berlin führt
solche Abschiebeanhörungen immer wieder in verschiedenen Städten durch.
Sie sind Teil eines korrupten und neokolonialen Abschiebehandels
zwischen der nigerianischen Botschaft und deutschen Behörden auf Kosten
der Flüchtlinge. Die Rolle der nigerianischen Botschaft ist seit 2007
bekannt: Für jede Abschiebung aus Deutschland durch die Zuordnung der
nigerianischen Nationalität kassiert sie 500 Euro, 250 Euro für das
Verhör und 250 Euro nach Erfolg, wenn sie Papiere der nigerianischen
Staatsangehörigkeit ausstellt. Es werden auch dort Asylbewerber aus
anderen afrikanischen Staaten anerkannt, um sie später von Nigeria aus
nach Togo, Liberia, Uganda, Sudan oder Sierra Leone weiterzuschieben.
Das ist ein reines Geschäft mit Menschenleben.
Vor diesem Hintergrund erscheint der Protest in der nigerianischen
Botschaft, den Sie als Besetzung bezeichnen, gegen unrechtmäßige,
korrupte und menschenverachtende Praktiken als legitim, weil bis dahin
mit weniger spektakulären Mitteln kein nachvollziehbarer Einhalt gegen
diese menschenverachtende Praxis geboten werden konnte.
Der Entschluss zum Protest in der nigerianischen Botschaft erfolgte
spontan am Morgen des besagten 15.10.2012 und wurde direkt in die Tat
umgesetzt.
Am Montag, dem 15. Oktober 2012, wurden 30 Aktivisten für die Rechte von
Flüchtlingen und Migrantinnen auf brutale Weise festgenommen, als sie
legitimer Weise gegen die nigerianische Botschaft in Berlin
protestierten. Die Botschaft hat mit der deutschen Regierung ein
Abkommen abgeschlossen, das einfachere und schnellere Abschiebungen
ermöglicht und Flüchtlingen ihr Recht auf Asyl verwehrt. Die
Protestaktionen an der nigerianischen Botschaft richteten sich
insbesondere gegen die so genannten Botschaftsanhörungen, bei denen
Gruppenanhörungen von Flüchtlingen als Zwangsmaßnahme durchgeführt
werden, um deren mutmaßliche Herkunftsländer zu bestimmen, damit sie
dorthin abgeschoben werden können.
Ich habe als eine politische Flüchtlingsfrau und Fotografin selbst Acht ein Halb Jahre meines Lebens mit Duldungspapieren in Flüchtlingslagern verbracht. Drei Jahre davon war ich ohne jegliche Rechte (Arbeitsverbot, Bildungsverbot etc.) der Gefahr der Abschiebung ausgesetzt. Ich habe es also als meine Pflicht angesehen in der Protestbewegung gegen unmenschliche, rassistische und ungerechte Gesetze zu sein. Diese Pflicht habe ich auch als eine politische Aktivistin, die sowohl am Aufbau der Flüchtlingsprotestzeltes in Berlin als auch an der Organisierung des Protestmarsches von Würzburg nach Berlin beteiligt war, angenommen.
Als Fotografin und Filmemacherin wollte ich ferner die Situation der
Menschen dokumentieren, welche ihre Länder verlassen mussten, weil dort
Kriege oder Diktaturen herrschen. Diese Menschen mussten auch vielleicht
fliehen, weil die Regime in ihrem Land durch Lieferungen von Waffen,
anderer militärischer Ausrüstung, Folterinstrumenten oder
Unterdrückungsmitteln auch vom deutschen Staat gestützt worden. Sie
haben vielleicht in Kriegen Massenvernichtungswaffen kennengelernt, die
wie in Halabja auch aus Deutschland kamen. Nun erleben sie hier in
Deutschland die Isolation in Flüchtlingslagern. Diese Menschen und ihre
Situation wollte ich dokumentieren und die Wahrheit über ihnen erzählen.
Ich wollte die Geschichte derer erzählen, die aufgrund von
Vereinbarungen zwischen Deutschland und Nigeria oder anderer Länder mit
Hilfe von Frontex verkauft und deportiert werden. Ich kann über diese
Wahrheiten nicht hinwegsehen und nicht schweigen zu diesen Verbrechen.
Die deutsche Regierung kann die Verantwortung nicht von sich weisen.
Ich frage Sie, kennt die deutsche Justiz die oben genannten
Zusammenhänge und Fakten nicht? Warum sonst wird hier wie in den
vergangenen Verhandlungen in derselben Sache versucht, politisch aktiven
Menschen, die sich an dem Protest in der nigerianischen Botschaft
beteiligt haben, zu kriminalisieren und zu verurteilen? Kann man dies
nicht als die Vertuschung und Unterdrückung des Protestes sehen, welches
sich gegen die Abschiebemaschinerie, dem Menschenverkauf, Rassismus
oder der Ausbeutung von Menschen richtet?
Es ist unsere Pflicht, hier die deutsche Justiz darauf hinzuweisen, dass
im Falle des Schweigens gegen diese Politik sie wie bereits in der
Vergangenheit in naher Zukunft vor der Geschichte und den Menschen
Rechenschaft ablegen muss.
Die Kriminalisierung eines Menschen, der gegen eine unmenschliche Handlung protestiert, ist selbst ein Verbrechen.
Ich will hier zuletzt Matin Luther King zitieren, der ein Mal sagte: „Vergessen wir nicht, alles was Hitler tat, war legal.“
Mahdiye Tayefeh Kalhori
[1] Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten
Carsten Hübner, Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS, Drucksache
14/6660, Zur Problematik von „Botschaftsanhörungen“, 26.7.2011, Quelle:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/14/067/1406746.pdf
[2] Conni Grenz, Von Rot-Grün zu Schill, Politik gegen Flüchtlinge in
Hamburg, http://www.brechmitteleinsatz.de/artikel/flucht-hh.html
Mahdiyeh Tayefeh Kalhori
Video-Link
https://www.youtube.com/watch?v=2lMY7BcHCGY