137 Mal Beleidigungen, Hetze, Drohungen – 137 Mal Angst haben Jugendliche und Studenten im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg ausgemacht. Die Täter: Rechtsextremisten, Rechtspopulisten und dumpfe Sprücheklopfer.
Stuttgart - Im Hintergrund hängen Menschen an einem Galgen. Im Vordergrund pafft ein deutscher Soldat seine Pfeife und hält einen Humpen Bier in der Linken. Marke „Reichskristallweizen – gebraut nach dem deutschen Reinheitsgebot von 1935“. In Frakturschrift darüber der Werbespruch dazu: „Einfach mal die Seele baumeln lassen.“
Über die Hetze auf der erst diese Woche gesperrten Facebook-Seite „Geschmacklos – schmutzig – ehrlich“ schlagen sich die virtuellen Besucher vor Vergnügen auf die Schenkel: „Köstlich – selten so gelacht“ kommentiert einer. Dutzenden gefällt das – sie klicken ihren Daumen zustimmend hoch.
Alltag nicht nur in den sozialen Netzwerken. 137 Fälle für täglichen Rassismus und Rechtsextremismus im vergangenen Jahr haben Jugendliche und Studenten in Baden-Württemberg recherchiert. Die so entstandene Dokumentation soll am kommenden Montag offiziell von der Landesarbeitsgemeinschaft Offene Jugendbildung (Lago) vorgestellt werden. Auf 39 Seiten nennen die Rechercheure Beispiele, von denen die meisten in keinem Polizei- oder Verfassungsschutzbericht auftauchen.
Hier finden Sie eine Karte mit den Tatorten in Baden-Württemberg
Wie die drei Männer, die in der Tübinger Bahnhofsgaststätte im März 2012 eine dunkelhäutige Kellnerin mit den Worten „Der Schwarzen muss man erst mal aufs Maul hauen“ belästigen. Begleitet von „Sieg Heil!“-Gegröle. Die zur Hilfe eilende Kollegin hält das Trio mit einem Barhocker in Schach, bis die Polizei kommt. Die nimmt zwar die Personalien der Täter auf, lässt die drei dann jedoch ihres Weges ziehen.
„Cool, modern, rebellisch“
Verhaltensweisen, die „auf keinen Fall in unserer Gesellschaft akzeptabel sind“, sagt Martin Bachhofer, Geschäftsführer der Lago. Der Pädagoge weiß: Rechtsextreme rekrutierten mit flotten Sprüchen, ihrer Geheimsprache und einer speziellen Mode vor allem Jugendliche. Denen erscheint die rechte Ideologie so, ist Bachhofer überzeugt, „cool, modern, rebellisch, jugendlich und erlebnisorientiert“.
Wie es „die Unsterblichen“ dreimal im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg boten: Rechte Aktivisten, die sich hinter weißen Gesichtsmasken versteckend und ihre Transparente tragend für kurze Zeit in die Fastnachtsumzüge in Konstanz und Eggenstein-Leopoldshafen einreihten. Um dann schon nach wenigen Minuten aus den Festumzügen zu fliehen. Bevor die Polizei überhaupt einschreiten konnte.
Die Ordnungshüter kamen so auch zu spät, als die „Unsterblichen“ am 1. Mai für Minuten abends mit Fackeln durch Donaueschingen marschierten. Ereignisse, bei den Bachhofer auffordert „deutlich Stellung zu beziehen, genau hinzusehen und die Diskussion an vorderster Stelle zu führen – ohne das Problem auf ein Jugendproblem zu reduzieren“.
Dass Rechtsextremismus kein Hirngespinst pubertärer Teenager ist, bewiesen am 23. Juni die NPD, deren Jugendorganisation „Jung Nationale“ und der „Ring Nationaler Frauen“ in Baden-Württemberg. Zur Sonnwendfeier luden sie Gesinnungsgenossen nach Mundelsheim an den Neckar. Dort lauschte man dem früheren Waffen-SS-Freiwilligen und „ehemaligen Afrika-Kämpfer“ Wilhelm Langsam aus Göppingen und dem Duo Infestus aus Stuttgart. Die Heavy-Metal-Sänger mit dem lateinischen Namen für das deutsche Wort „feindlich, feindselig“ gehören inzwischen zu den oft gebuchten Musikkapellen auf NPD-Veranstaltungen. Mit Erfolg: „Rund 170 Teilnehmer seien nach Mundelsheim gekommen“, vermerkt ein interner NPD-Bericht.
Bericht
Wo ist denn dieser Bericht zu finden von dem da die Rede ist?