[B] Artikel: "Zwangsumzüge". Zur 30. April-Demo

Räumung is nich!

Am 30. April wird in Wedding, im Rahmen der Antikapitalistischen Walpurgisnacht wieder eine berlinweite Demonstration gegen steigende Mieten, Rassismus und soziale Ausgrenzung stattfinden. Bereits am 19. April fand eine lange Nacht der linken Locations statt. An den einzelnen Infoveranstaltungen nahmen immer rund 40 (+) Personen teil.
# 28. April | Graffiti-Jam | 15 Uhr, Leopoldplatz
[Infos: HWVW-Blog]

# 30. April 2013, S.-U.-Bhf. Gesundbrunnen | 15 Uhr, Kundgebung | 20.30 Uhr, Demonstration
[Aufruf | Material]

Das Bündnis "Hände weg vom Wedding!" hat zur Situation im Bezirk eine Broschüre erstellt, die sich mit Mietsteigerung, der Rolle der Quartiersmanagements, staatlichem Rassismus und weiteren Themen befasst. Auf Indymedia werden in den Wochen vor dem 30. April als inhaltliche Begleitung veröffentlicht.

In den letzten Monaten kam es immer wieder zu Aktionen gegen Zwangsräumungen, maßgeblich getragen durch das Bündnis "Zwangsräumungen verhindern!". Das Bündnis wird sich auch am 30. April an der Demonstartion beteiligen.
Aus gegebenen Anlässen hier also der dritte Teil der Artikelserie zum Thema Zwangsumzüge.

# Teil 3: "Zwangsumzüge"

 

Der internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19.12.1966 beinhaltet im Artikel 11 erstmals das Grundrecht auf Wohnen. Dieser völkerrechtliche Vertrag wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet und seitdem von 160 Staaten unterzeichnet. Die unterzeichnenden Staaten, darunter auch Deutschland, müssen das Recht auf adäquates Wohnen anerkennen, respektieren, schützen und erfüllen. Jedoch ist dieses Recht nicht einklagbar, denn das Recht auf Wohnen widerspricht dem Recht auf Besitz, dem Besitz von Mieteigentum. In der Regel sind insbesondere Menschen, die durch den WSK-Pakt geschützt werden sollten, die Menschen, die von Zwangsumzügen und Verdrängung betroffen sind.Aber wie kommt es zu Zwangsumzügen? Verdrängung einkommensschwacher Bevölkerungsteile ist die Folge einer am Gewinn orientierten Stadtentwicklung. Das Land Berlin hat durch den Verkauf kommunaler Wohnungsbestände und der Abschaffung des sozialen Wohnungsbaus im Interesse von Immobilienspekulant_innen gehandelt und sich gegen eine soziale Wohnraumpolitik entschieden.Die Verdrängung aus den Kiezen, das Abschieben in Ghettos – alles politisch verursacht, weil die Interessen der Spekulant_innen im Mittelpunkt der Politik stehen.


Ein Drittel der Berliner Haushalte benötigt soziale Transferleistungen, um sich die Kosten für Unterkunft leisten zu können. Aber gerade durch Hartz IV und der damit zusammenhängenden AV Wohnen (Ausführungsvorschriften Wohnen) erfolgen Zwangsumzüge und die Verdrängung der Mieter_innen aus ihren angestammten Wohnquartieren. Die AV Wohnen war als Ländersache angelegt, weil das Land die Höhen der Mietgrenzen ermitteln sollte. Diese Mietobergrenzen, an die sich das Job Center halten muss, liegen weit unter dem eigentlichen Mietspiegel. Das führt dazu, dass Kund_innen des Job Centers dazu aufgefordert werden ihre „Miete zu senken“. Eine Untersuchung der Kampagne gegen Zwangsumzüge hat gezeigt, dass bei einem Drittel der Betroffenen die Differenz zwischen der Miethöhe und dem, was das Job Center zahlt, bis zu 100 € betragen. Da die Suche nach einer günstigeren Wohnung oft aussichtslos ist (viele Hausverwaltungen nehmen keine ALG-II-Empfänger_innen, die Mieten liegen oft über der Mietobergrenze des Job Centers, generelle Wohnungsknappheit etc.) bezahlen viele die Differenz von ihrer Regelleistung (die für Essen und Leben gedacht ist) oder sind von Zwangsumzügen bis hin zur Obdachlosigkeit betroffen.Ein weiterer Grund für Zwangsumzüge ist die Abschaffung des sozialen Wohnungsbaus. Beim sozialen Wohnungsbau wurde über Jahre die sogenannte „Anschlussförderung“ vom Senat an die Eigentümer_innen gezahlt, also das was aus der Sozialmiete nicht abgedeckt werden konnte an der sogenannten „Kostenmiete“. Dem Senat wurde dies jedoch zu teuer, er strich die Anschlussförderung und die_der Eigentümer_in darf die Miete bis zur Kostenmiete erhöhen. Jedoch sind die meisten Mieter_innen nicht in der Lage, die nun erhöhten Mietkosten zu zahlen, schließlich wurden sie genau aus diesem Grund im sozialen Wohnungsbau untergebracht. Was folgt ist ein Zwangsumzug, meist an den Rand von Berlin.


Nicht nur die Verdrängung in Randbezirke nimmt seit Jahren stetig zu, auch die Anzahl von Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen sind, steigt zunehmend. In Neukölln reagiert der Bezirk unter Leitung des rechtspopulistischen Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) mit immer mehr Obdachlosenunterkünften. Unterkünfte für Familien mit Kindern, alten und jungen Menschen. Hauptsache Berlin bleibt sauber und die Armut ist nicht mehr auf der Strasse zu sehen. Doch die Lebensbedingungen in diesen Unterkünften sind brutal: Mehrbettzimmer, keine Rückzugsmöglichkeit etc. und die Kosten pro Person sind enorm, liegen oft im Bereich der verordneten Mietobergrenze des Job Centers. Letzten Endes verdienen daran Freie Träger, die diese Unterkünfte gewinnorientiert anbieten (über 10 € pro Nacht/pro Person). Als Beispiel sei hier die Treberhilfe Berlin gGmbH genannt, die durch ihren Geschäftsführer „Maserati-Harry“ deutschlandweit Schlagzeilen machte. Aber nicht nur die Treberhilfe Berlin gGmbH verdient sich unter dem Deckmantel einer sozialen Einrichtung eine goldene Nase. Alle freien Träger arbeiten im kapitalistischen System gewinnorientiert, um konkurrenzfähig zu bleiben. Die Verknüpfungen zwischen den Vorständen/Geschäftsführer_innen solcher Träger und der Politik sind oft sehr schnell zu erkennen, so war Maserati-Harry seit Jahrzehnten aktives SPD-Mitglied und lud regelmäßig die wichtigen Parteifreund_innen in seine Villa ein.

Was können wir gegen unsoziale Wohnraumpolitik, gegen steigende Mieten, Verdrängung und Zwangsumzüge tun?

Am 22.10.2012 konnte eine Zwangsräumung in Kreuzberg verhindert werden. Dies war möglich durch die Unterstützung von Freund_innen, Nachbar_innen und der Kampagne „Zwangsumzüge verhindern“, die sich kurzerhand entschlossen, den Weg zur Wohnung für die Gerichtsvollzieherin zu blockieren. Steigende Mieten, Verdrängung und Zwangsräumungen sind Themen die uns alle betreffen, daher redet mit euren Nachbar_innen, schließt euch zusammen, organisiert den Widerstand.Das Land Berlin besitzt auch nach dem Verkauf der GSW landeseigene Hausverwaltungen und Immobilien. Die Hausverwaltungen sind vom Senat aufgefordert, gewinnorientiert diese Immobilien zu verwalten, so vermieten diese keine Wohnungen mehr an Menschen mit Schulden (negative Schufa) und auch Bezieher_innen von Transferleistungen ziehen meistens den kürzeren entgegen einkommensstarken Bewerber_innen auf eine Wohnung. Auch der Liegenschaftsfond verkauft die landeseigenen Immobilien an die_den Höchstbietende_n.

Wir fordern den Berliner Senat auf, eine soziale Wohnraumpolitik umzusetzen, in der allen Menschen das Recht auf adäquates Wohnen zugesprochen wird, wie es der WSK-Pakt vorsieht. Keine Gewinnorientierung der landeseigenen Hausverwaltungen und des Liegenschaftsfonds!

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"... berlin gmbh verdient sich eine goldene nase ..." :

das ist sprachwissenschaftlich unwiderlegbar auf ein antisemitisches stereotyp zurückzuführen, die "judennase".

 

und es wird wohl kaum als zufall angesehen werden können wenn es dem thema nach gegen "spekulanten" geht.

nachdem die hausbesetzungen in frankfurt vor jahrzehnten zu lasten des eigentümers ignatz bubis gingen und die kritik daran (stichwort: arisierung) spätestens im zuge der auseinandersetzung walser/bubis auch vielfach geäußet wurde mutet es dann schon seltsam an jetzt wieder darauf hinweisen zu müssen dass die rede von einer "goldene nase" STÜRMER-jargon ist.

nein nix antideutsch, kritik des antisemitismus fernab der ideologischen trennschärfe untereinander.

spannend, dass hier immer wieder auf antisemitische dinge hingewiessen werden, welche dadurch in erinnerung bleiben, ich hab auch ne nase und das als atheist! fühle mich aber nich beleidigt!

das es sich bei "eine goldene nase verdienen" um ein antisemitisches stereotyp handelt ist nichts dass nur unter antideutschen geläufig wäre. ein weiteres beispiel ist der "schuß in den ofen", welches sich darauf bezieht dass bei lebendigem leib in krematorien verbrannte kz-insassen bisweilen mit einem zusätzlichen schuß getötet wurden da das geschrei als unterträglich empfunden wurde. sowas lässt sich sprachwissenschaftlich nachweisen. es gibt viele solche beispiele "da war der ofen aus" etc.

 

die debatte um eine verkürzte kapitalismuskritik anhand der hetze gegen "spekulanten" sollte (gerade in berlin) bekannt sein.

sicherlich gibt es leute die mit wohnraum spekulieren und es ist unmenschlich und falsch, man wird aber keine soziale basis für kämpfe oder revolten gewinnen können wenn man im populistischen verharrt, sondern eher im gegenteil der reaktion zuarbeiten.

 

nachdem der tod von rosemarie f. allseits beachtung fand wäre es angeraten jetzt nicht sogleich wieder in hetze zu verfallen sondern klarzukriegen und zu machen dass die gesellschaftliche "alternative" (revolution) nicht durch einen diskurs versucht wird zu vermitteln welcher unkritisch stereotype übernimmt die einem später dann auf die füße fallen wenn ein völkischer mob pogrome anzettelt. eine antifaschistische grundhaltung sollte immer klar erkennbar sein, und erfordert deutliche abgrenzung.

Ich halte deine Aussagen über die "goldene Nase" und "Öfen" für Schwachsinn, ich hab bei google zumindest nichts dazu gefunden...hast du Belege? Falls nein wäre interessant zu erfahren warum du solche Geschichten in die Welt setzt ;-)

es ist auch das ziel darauf hinzuweisen, gerade damit es in erinnerung bleibt und sich ein unkritischer gebrauch nicht breitmachen kann, bzw. irgendwann der vergangenheit angehört.

 

zum artikel: ich finde, dass der text die radikale kritik der blockaden verkennt und die in wenigen situationen erkämpfte gegenmacht uminterpretiert in realpolitische forderungen.

"miete verweigern, kündigung ins klo ..." ist ( ich gebe zu, bestimmt nicht von allen) eine ernst gemeinte forderung. deswegen: anstatt zu überlegen wie diese forderung umgedichtet werden kann um sie an die herrschenden zu stellen, sollte mensch vielleicht überlegen wie sie von den menschen die sie rufen umgesetzt werden kann.

also ick sehe da nichts Antisemitisches dran,denn genau so denken auch die Mieter hier im Haus,die hier schon jahrelang wohnen,jetzt rausgeekelt werden,weil die Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden,und die Mieterinnen sind nicht Antisemitisch eingestellt sondern äussern eben halt so ihre Form einer verkürzten Kapitalismuskritik,und besser so als garnicht.

is klar, ...

das ne vermittlung von realen möglilchkeiten (weigerung/besetzungen) nich über radikal-jargon funktioniert versteh ich und es wär auch blödsinn zu mutmaßen da würde wer "die juden" hinter vermuten. dennoch ists aber fraglich formulierungen zu verwenden die genauso aus ner rechten ecke stammen könnten bzw. eben nicht aufklären sondern populistisch verallgemeinern. natürlich gibts die assoziation "goldene nase/gebrochene nase" "verdient", und als absage an´s eigentum bzw. dessen ideologie kann man das auch so nehmen, aber historisch siehts dann eben trotzdem anders aus und man kann nicht einfach die debatte um die frankfurter häuser/bubis dann völlig außen vor lassen als wäre nix gewesen (walser/bubis). das nicht mehr in nem stil geschrieben wird wie als es noch erbarmungslos gegen "spekulanten" ging die wie volksfeinde (volksgemeinschaftsfeinde) gehandelt wurden ist ja erfreulich und ich glaub auch schon dass das nicht nur dran liegt das das ganze etwas "bürger*innen-näher" formuliert wurde. dennoch is da dann eben der haken wenn das anpangern von sozialem elend in kategorien erscheint (nase/physiognomie) welche offenkundig einen geschichtlichen hintergrund haben der im holocaust mündete. so einfach - so schwer - so nicht ganz so schwer zu verstehen.