Alltag im ZOO! -Eine Recherche-

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Der Privatzoo Nadermann, gelegen am Rande der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Delbrück (Kreis Paderborn), wurde im Jahre 1967 auf dem Gelände eines unrentabel gewordenen landwirtschaftlichen Betriebes eröffnet. Zusammen mit einem auf dem gleichen Gelände befindlichen Campingplatz wird der Zoo in mittlerweile dritter Generation als Familienunternehmen geführt.

 

Tierpark Nadermann

Affenschande in Delbrück

 

(Der Legende nach habe Zoobegründer Bernhard Nadermann [gest.1989] während seiner Kriegsgefangenschaft in Sibirien wilde Tiger und Wölfe kennengelernt, was ihn dazu bewogen habe, nach seiner Rückkehr in die Heimat einen eigenen Zoo zu eröffnen.)

 

Schon der Ersteindruck ist mehr als deprimierend: Großkatzen – Löwen, Jaguare, Ozelots, Leoparden – vegetieren in absurd kleinen Gehegen vor sich hin, ein paar Lamas und Watussis stehen herum, auf einer künstlichen Insel langweilt sich eine Gruppe Javaneraffen, der man – völlig unpassend, aber es sieht halt ein wenig bunter aus – eine Herde Walliser-Ziegen sowie ein paar afrikanische Wildkatzen (Servale) dazugestellt hat. Schneeeulen, Käuze, Uhus in winzigen Käfigen, dazwischen, willkürlich zusammengewürfelt, ein paar Kamele, Zebras, Wasserschweine. Insgesamt werden in dem Zoo etwa 600 Tiere aus 100 verschiedenen Arten zur Schau gestellt.

 

Laut Angaben der Familie Nadermann wurde in den letzten Jahren viel in „moderne Gehege“ investiert: man mag sich gar nicht ausmalen, wie die Tiere vor diesen Modernisierungsmaßnahmen gehalten wurden (wobei wirklich erkennbar nur in den Bau einer neuen Caféteria investiert wurde). Viele der Gehege erfüllen nicht ansatzweise die – in sich völlig unzureichenden – Mindeststandards, die in den meisten europäischen Zoos mittlerweile üblich sind. Ganz offenbar gehört der Zoo Nadermann keinem Zooverband an und untersteht insofern keinerlei Kontrolle.

 

In groteskem Kontrast zur Beengtheit vor allem der Katzenkäfige hält der Delbrücker Zoo einen weitläufigen Kinderspielplatz vor, der alles an fun equipment bietet, was das Herz des Campingplatzdauergastnachwuchses begehrt (auch wenn vieles davon sich in miserablem Zustand befindet): Airballshooting, Autoscooter, Hüpfburg, Wasserrutsche, Schiffschaukel, Riesenrad, Karussell, zwei Großtrampoline und dergleichen mehr; dazu eine Parkeisenbahn sowie eine Ponyreitanlage. Wenn Horden ausgelassener Kinder auf dem Gelände herumtoben, geht das in der Regel mit Höllenlärm einher. Nicht viel weniger laut geht es in einem an den Spielplatz angrenzenden Biergarten zu, zu dem die Gäste des Campingplatzes jederzeit freien Zugang haben.

 

Kinderspielplatz und Biergarten wären nun weiterer Rede nicht wert, befände sich nicht in unmittelbarer Nähe dazu, sprich: direkt vor den Autoscootern und Hüpftrampolinen, ein vorsintflutlich anmutender Gitterkäfig – in der Tat stammt er aus den Gründertagen des Zoos – , in dem, mitten in dem irrwitzigen Lärm und Trubel, der täglich davor stattfindet, seit je drei Schimpansen gehalten werden.

 

Der Schimpansenkäfig – genauer gesagt handelt es sich um zwei ineinander übergehende bzw. voneinander abtrennbare Einzelkäfige in einem gemeinsamen Klinkerbau – weist eine Höhe von etwa 3 Metern und eine Gesamtgrundfläche von etwa 45 Quadratmetern auf. Zur Besucherseite hin ist der Bau mit Eisenrohrgittern versehen, die sich bei einem der Käfige auch über etwa ein Viertel der Dachfläche erstrecken. An Einrichtung finden sich ein paar Totholzstämme und an der Decke befestigte Seile, dazu eine Hängematte; beide Käfige weisen Sandböden mit je einem kleinen Gras- bzw. Mulchstreifen auf.

 

Auf der Rückseite der Käfiganlage befindet sich ein sogenanntes Innengehege, in dem die Tiere nachtsüber sowie während der Wintermonate – der Zoo ist, ebenso wie der dazugehörige Campingplatz, nur von Frühjahr bis Herbst geöffnet – untergebracht sind. Das „Innengehege“ ist für Besucher nicht zugängig. Ein Blick durch ein Seitenfenster zeigt einen stockdunklen, mit verrosteten Eisengittern abteilbaren Bunkerraum, der erkennbar keinerlei Spiel- oder Beschäftigungsmöglichkeit aufweist. Der Blick durch das Seitenfenster aus dem Bunker heraus endet am direkt gegenüberliegenden Toilettenbau für die Zoo- und Biergartenbesucher. Weitere Fenster oder sonstige natürliche Lichtquellen gibt es ersichtlich nicht.

 

Die in Delbrück derzeit gehaltenen Schimpansen – drei Tiere fortgerückteren Lebensalters – weisen Symptome schwerer psychischer Störungen auf. Die Behauptung im Nadermannschen Zoo-Prospekt, sie seien “immer zu Späßen aufgelegt“, erscheint als blanker Zynismus. Des eklatanten Bewegungsmangels wegen, dem sie in den beengten Käfigen unterliegen, sind sie heillos übergewichtig; wobei erschwerend hinzukommt, dass ihnen fortlaufend von den Besuchern Pommes frites oder Süßigkeiten jeder Art in den Käfig geworfen werden. Am Kassenhäuschen kann man gezuckertes Popcorn kaufen, ausdrücklich mit dem Vermerk, es schmecke „Mensch und Tier“: Fütterung der Tiere durch die Besucher ist im Zoo Delbrück ausdrücklich erlaubt, eine Kontrolle gibt es nicht.

 

Die fortgesetzte Zurschaustellung der Schimpansen inmitten des Trubels und Geschreis auf dem Kinderspielplatz ist als massiver Verstoß gegen das Tierschutzgesetz zu werten; desgleichen ihre Haltung in dem viel zu niedrigen, lichtlosen Innenbunker während der Winterzeit. Über welcherart wildtierbiologische oder sonstig fachliche Kompetenz die Betreiber des Tiergartens verfügen, ist unbekannt.

 

Ebenso unbekannt ist, weswegen der zuständige Amtstierarzt, der als sogenannter „Beschützergarant“ für das Wohl der Tiere und die Einhaltung des Tierschutzrechts zuständig ist, nicht längst eingeschritten ist. §16a TierSchG eröffnet Amtstierärzten kein Entschließungsermessen. Sie müssen handeln, wenn in ihrem Zuständigkeitsbereich Verstöße gegen Tierschutzrecht begangen wurden, werden oder bevorstehen. Bleiben sie untätig, können sie sich strafbar machen.

 

Das Paderborner Veterinäramt ist von den Missständen im Tierpark Delbrück in Kenntnis gesetzt. Passiert in absehbarer Zeit nichts, wird Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben und Strafanzeige erstattet: Der jenseits jeder Diskussion stehende Tierpark Nadermann muss, unabhängig davon, dass ihm das zuständige Regierungspräsidium vor ein paar Jahren „kulturelle Anerkennung“ ausgesprochen haben soll, umgehend geschlossen werden.

Colin Goldner

für http://www.tierbefreier.de

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Die Institution Zoo, welche im breiten öffentlichen Bewusstsein immer noch den Charakter eines Erholungsortes hat, an dem anscheinend noch Artenschutz, Bildung, Forschung und dies alles natürlich artgerecht betrieben wird, ist nicht mehr als eine Farce. Während ein Besuch im Zoo meist nur ein paar Stunden dauert, verbringen nichtmenschliche Tiere ihr ganzes Leben an diesem Ort.

 

Zoobetreiber_innen behaupten gerne, dass es „ihren“ nichtmenschlichen Tieren in den Zoos, geschützt vor Hunger und Rivalen, gut gehe. Doch ist „Artgerecht“ in Gefangenschaft überhaupt möglich?
 Geschichtlich ist die Tradition, Lebewesen gefangen zu halten, so alt, dass viele die Gefangenschaft gar nicht mehr wahrnehmen wollen. Dabei sind die Leiden der gefangengehaltenen Individuen evident. Das Dasein der nichtmenschlichen Tiere ist auf das bloße biologische Überleben reduziert und nur noch die elementarsten Bedürfnisse, wie Nahrungsaufnahme, werden befriedigt. Ist es Ignoranz, Streben nach Herrschaft über nichtmenschliche Tiere oder Vergnügungssucht, warum Menschen, die einen Zoo oder Zirkus besuchen, die Gefangenhaltung nicht als Unrecht wahrnehmen wollen?

 

(...)

https://linksunten.indymedia.org/de/node/74068

Traurig, wenn das nach Colin Goldner die Betitelung Recherche verdient. Der Begriff ist immerhin doppelt aufgeladen - wissenschaftliche Recherche für einen faktenbasierten, rationalen Diskurs - und journalistische Recherche, die investigativ ist und der Öffentlichkeit neue Informationen zukommen lässt. Nur zur Erinnerung - die meisten Menschen in Deutschland waren schon mal in einem Zoo, und wissen, wie ein Käfig oder Gehege aussieht. Whoopdidoo. Die ungefähren Maße eines Affenkäfigs interessieren gelinde gesagt einen Dreck, weil Affen auch nicht in einen größeren Käfig gesperrt gehören. Aber dann billige Psychotricks anzuwenden wie Schwarz-Weiß-Photograhie und das Missrepresentieren des TierSchG zur emotionalen Manipulation geht nicht einher mit wissenschaftlichem Anspruch. Ich kann allen nur empfehlen das Gesetz, besonders Art 2 und 16a mal zu lesen. Es wird niemanden verwundern, warum da kein Mensch eingreift, schwammig ist noch nett ausgedrückt, um das Gesetz zu beschreiben. Ich hatte bisher Colin Goldner nur im Zusammenhang mit seiner kritischen Arbeit zum Buddhismus und dem Dalai Lama wahrgenommen, wo er m.E. nach gute Arbeit geleistet hat. Hoffentlich nur ein Ausrutscher eines sonst guten Autors.