In diesen Minuten beginnt die NPD in Güstrow ihren Aufmarsch. Die Neonazis wollen damit erneut rassistische Hetze gegen die Unterbringung von Flüchtlingen im Stadteil Dettmannsdorf betreiben. Einige Neonazis sind eigens aus Berlin angereist. Antifas und Bürger_innen stellen sich ihnen entgegen und blockieren derzeit die Demostrecke. – Kombinat Fortschritt mit einem Überblick über das aktuelle Geschehen.
Im Güstrower Stadtteil Dettmannsdorf hatte sich im letzten Jahr eine Bürgerinitiative um den Leiter der Kindertagesstätte “Känguru” Steffen Sanewski gebildet, die in einem offenen Brief gegen die Pläne protestierte, allerdings in ihrem Schreiben massiv mit rassistischen Klischees und Vorurteilen arbeitete. Nach Kritik ruderte der Kita-Leiter zurück, doch die Neonazis haben das Angebot der Dettmannsdorfer gerne angenommen.
Juristisches Hickhack und demokratischer Protest
Nachdem sich verschiedene zivilgesellschaftliche Gruppen auf ein Vorgehen und Protest gegen die rassistische Hetzveranstaltung geeinigt hatten, verschob die zuständige Ordnungsbehörde beim Landkreis Rostock die angemeldeten Gegenkundgebungen weit aus dem Bereich der Hör- und Sehweite der Neonazidemo. Im Falle des „Aktionsbündnis Vorpommern – Weltoffen, demokratisch, bunt“ wurde die angemeldete Veranstaltung sogar kilometerweit in einen völlig anderen Stadtteil verlegt. Ein mutmaßlicher Hintergrund dieses Vorgehens stellt ein anzunehmender Kräftemangel bei der Polizei aufgrund eines Heimspiels des FC Hansa in Rostock dar. Der Effekt ist indes fatal. Zum einen bemüht sich die Stadtpolitik und Zivilgesellschaft nach den ersten überregionalen Schlagzeilen derzeit stark um eine Verständigung mit den Bürgerinnen und Bürgern in Güstrow-Dettmannsdorf, auf der anderen Seite sorgt man in der Ordnungsbehörde dafür, dass die rechte Hetze unwidersprochen bleibt.
Dementsprechend ungläubig und enttäuscht fallen die Reaktionen auf die Verschiebung der Kundgebung von Seiten der Politik aus. So äußerte Andreas Katz von Bündnis 90/Die Grünen:
“Wir verfolgen seit Tagen mit wachsendem Unverständnis das Verhalten der Ordnungsbehörde im Landkreis Rostock. So wurden Anmelder eines Friedensfestes und verschiedener Mahnwachen einzeln per Telefon unter Druck gesetzt, den Standort ihrer Aktionen zu ändern. Üblicherweise wird ein Kooperationsgespräch angeboten. Das ist hier unterblieben. Zudem wurden erst heute Nachmittag und nachdem es bereits viele Nachfragen gegeben hatte, erste Bescheide durch die Ordnungsbehörde verschickt.“
Es könne nicht angehen, dass der NPD ermöglicht wird, einen ganzen Stadtteil zu okkupieren sagte der Grünenpolitiker am Donnerstag in einer Pressemitteilung. Die Schweriner Volkszeitung zitiert den zuständigen Dezernenten des Landkreises Lutz da Cunha wie folgt. “Wir müssen für die Sicherheit der Demonstranten und der Gegen-Demonstranten sorgen. Das ist bei den geplanten Standorten an der Strecke nicht gewährleistet. Wir folgen außerdem Hinweisen der Polizei.“ Die Sprecherin des lokalen Bündnisses gegen den Aufmarsch, Karin Larisch hält in der SVZ dagegen: “Der friedliche Protest gegen dumpfe, rassistische Parolen gehört an den Ort der Parolen. Außerdem können wir uns nicht aus einem Wohngebiet vertreiben lassen, in dem die Menschen uns um Hilfe bitten.” Der Zeitung zufolge begründete der Landkreis sein Vorgehen mit dem Argument keine Zeit für ein Kooperationsgespräch zwischen Ordnungsbehörde, Polizei und Veranstaltern zu haben.
Am Freitag veröffentlichten die demokratischen Parteien GRÜNE, CDU, DIE LINKE, FDP und SPD Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam einen Aufruf sich am 23. März in Güstrow an friedlichen Aktionen gegen die geplante NPD-Demonstration zu beteiligen.
Am Freitagabend erlaubte das Oberverwaltungsgericht in Greifswald dann zwei angemeldete Kundgebungen unmittelbar an der Route der NPD. Die Orte befinden sich am jüdischen Friedhof auf Höhe der Neukruger Straße und in der Ahornpromenade.
Erste Meldungen aus Güstrow
Antifaschist_innen aus dem ganzen Bundesland sind heute nach Güstrow gereist, um gegen die NPD zu demonstrieren. Die Nazigegner_innen haben im Stadtteil Dettmannsdorf derzeit eine Sitzblockade auf der Demostrecke der NPD gebildet. Die Polizei sperrt in der Zwischenzeit ein Areal in der Eigenheimsiedlung ab, auf dem später die NPD eine ihrer beiden Zwischenkundgebungen abhalten will. Etwa 200 bis 250 Anhänger der Neonazipartei sind derzeit in der Barlachstadt angereist und bereiten sich auf den Demobeginn vor. Unter ihnen befinden sich nicht nur heimische Kader wie NPD-Landtagsabgeordnete David Petereit, Frank Klawitter oder Michael Gielnik sondern auch eine Abordnung von Berliner Neonazis um ihren NPD-Vorsitzenden Sebastian Schmidtke.
Informiert euch auf Twitter unter den Hashtags #nazismv #güstrow #rastoppen oder unter der Telefonnummer 015737223513. Die Nummer des EA lautet: 015123745808.
Es ist noch nicht zu spät sich in die Proteste einzubringen. Informiert euch und geht auf die Straße. Protestiert, blockiert, stoppt mit uns gemeinsam die Rassisten!
j
Schwaan (dpa/mv) - Unbekannte Täter haben am frühen Samstagmorgen auf der Bahnstrecke zwischen Rostock und Güstrow mehrere Autoreifen angezündet und erheblichen Sachschaden angerichtet. Der betroffene Abschnitt südlich von Schwaan könne derzeit nur noch eingleisig befahren werden, sagte eine Sprecherin der Bundespolizei. Die Feuerwehr löschte den Brand.
Am beschädigten Gleis müssten wahrscheinlich Schienen ausgetauscht werden. Sachverständigte untersuchten noch das genaue Ausmaß des Schadens. Ermittelt werde wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr. „Das ist kein Kavaliersdelikt, das ist ein Verbrechenstatbestand“, sagte die Sprecherin.
Zu den Motiven der Täter war noch nichts bekannt. Über die Hauptstrecke fahren auch die IC-Züge von Rostock nach Schwerin und Hamburg.