Ein Polizeihubschrauber, hunderte behelmte Polizist*innen, Hamburger Gitter, Sitzblockaden und das alles wegen einer Zwangsräumung in Berlin-Kreuzberg. Ein Szenario, was noch vor Monaten unverstellbar gewesen war. Heute blockierten über 1000 Menschen den Eingang des Hauses der Familie Gülbol. Hunderte Polizist*innen besetzten das Reichenberger Viertel um die Interessen des Kapitals gewaltsam durchzusetzen. Am Ende mussten sie Plan C anwenden: Sie verkleideten die Gerichtsvollzieherin, schleusten sie über Mauern, zerschnitten Zäune und brachen eine Tür auf um sie zur Wohnung zu schmuggeln.
Zuviele Menschen waren auf der Straße, Räumungsversuche der verschiedenen Sitzblockaden wurden abgebrochen. Der Senat hatte auf den ersten Blick sein Ziel erreicht, denn die Familie war geräumt. Aber diese Räumung geschah zu einem hohen Preis, das ganze Viertel war für Stunden lahmgelegt. Die Politik hat durch diese Aktion erheblich an Legitimation verloren. Die Mieter*innen erkennen, dass sie ihre Interessen immer gegen und nicht mit dem Staat durchsetzen können. Der soziale Frieden in Berlin ist zumindet vorerst empfindlich gestört.
Früh morgens um halb sechs
Die ganze Nacht hatten Menschen an einer langen Nacht der Kultur teilgenommen, um halb sechs versammelte sich dann gut 150-200 Menschen zu einer Sitzblockade direkt vor der Haustür. Nach wenigen Minuten tauchten dann die behelmten Polizist*innen auf und sperrten die Blockade ab. Die Stimmung vor der Tür war dank Vokü und Sambaband aber weiter großartig.
Nach und nach kamen immer mehr Menschen ins Viertel und an den Absperrungen bildeten sich weitere Sitzblockaden. Auf der Wienerstraße waren dies 400 Menschen, auf der Reichenberger Straße ca. 200. Weitere waren in den umliegenden Straßen unterwegs. Die Polizei versuchte zunächst Blockaden zu räumen, aber scheiterte daran. Sie entschieden sich für einen gewagten Taschenspielertrick. Die Gerichtsvollzieherin wurde verkleidet und über einen Schleichweg geschickt. Über durchschnitte Zäune, Mauern und eine aufgebrochene Tür ging es dann zur Wohnung. Die Polizei wollte unbedingt die Räumung erzwingen, aber musste wegen der Masse an Menschen durch den Hintereingang schleichen. Wenige Minuten zu spät hatte sich an diesem Eingang auch eine Blockade gebildet. Diese wurde im folgenden stark angegangen, eine Polizeiwanne fuhr in die Menge, es wurde massiv Pfefferspray eingesetzt. Viele Verletzte waren die Folge, mehr als zehn mussten behandelt werden. Die Polizei ging rücksichtslos und konfrontativ vor.
Ali Gülbol traf draußen ein, von Presse umringt: "Es geht uns sehr schlecht, weil die Räumung vollzogen wurde, aber es geht uns auch sehr gut, weil wir so viel Solidarität erfahren haben."
Auch die Blockier*innen schwankten zwischen Trauer, weil die Familie nun geräumt wurde und Freude, weil soviele Menschen sich zu einer Aktion des Zivilen Ungehorsams entschlossen hatten. Darunter waren auch viele Nachbar*innen, welche zum ersten Mal blockierten. Aus den umliegenden Fenstern wurden viele Transparente gehängt. Über 1000 Menschen an einem kalten Wintermorgen war ein großer Mobilisierungserfolg.
Spontan bildete sich eine Demonstration, welche die Polizei zu stoppen versuchte. Das scheiterte allerdins im Folgenden immer wieder, 1000 Demonstrant*innen zogen Parolen rufend und entschlossen zum Kottbuser Tor. Immer wieder bildete die Polizei Kessel, aber diese wurden regelmäßig durchbrochen, Polizeiketten umgangen, es dauerte lange, bis die Polizei die Lage unter Kontrolle brachte. Der ein oder andere Glasschaden war auch zu berichten. Der Verkehr brach zusammen. Am Hermannplatz endete dann die Katz-und-Maus-Jagd.
Wowereit und seine Schlägertrupps
Der angeschlagene Bürgermeister und seine "sozialdemokratische" Partei wollten den Mieterinnen und Mietern mit diesem Polizeieinsatz eine Nachricht senden: Wir werden eure Verdrängung konsequent durchsetzen und stehen fest an der Seite von rücksichtslosen Vermietern wie Andre Franell. Der Senat setzte auf Konfrontation und stumpfe Gewalt um die stadtpolitische Proteste niederzuschlagen und Mieterinnen und Mieter abzuschrecken. Dabei wäre es ein fataler Fehler auf diese Gewalteskalation einzugehen und unseren politischen Kampf auf quasi-militärische Auseinandersetzungen zu verengen. Wir müssen unsere gewachsene Solidarität stärken, unsere Mobilisierung weiter verbreitern und unsere Entschlossenheit ausbauen. Wenn weitere Zwangsräumungen, wie heute, nur mit einem massiven Polizeieinsatz durchgesetzt werden können, wird der Senat extrem unter Druck geraten. Die brutale Realität der kapitalistischen Stadt ist selten so eindrücklich vor Augen geführt worden, wie heute. Das hat Folgen für das Bewusstsein der Mieter*innen für die strukturellen Ursachen ihrer Situation und die gewalttätige Rolle des Staates. Der RBB meinte heute: "Ali Gülbol ist eine Symbolfigur geworden für eine Entwicklung in dieser Stadt, die sich drastisch ändern muss. Und dafür muss man kämpfen."
Die herrschende Politik und ihre Schlägertruppen hatten in dem Moment verloren, als die Familie Gülbol sich entschloss sich nicht still und leise räumen zu lassen, sondern angefangen haben zu kämpfen. Durch den Erfolg der ersten verhinderten Räumung konnten weitere Räumungen sogar endgültig abgwendet werden. Der Kampf der Familie hat außerdem viele weitere ermutigt ihnen nachzufolgen. In Frankfurt, Marburg und Hamburg erklärten Mietaktivist*innen ihre Unterstützung. Auch hier deutet sich eine Verbreiterung in Richtung überregionaler Vernetzung stadtpolitischer Proteste an.
Die Räumung der Lausitzerstraße war eine Zäsur. Der Staat zeigte sich ungeschminkt als Durchsetzungsinstrument des Profitinteresses der Kapitalbesitzenden und die Mieter*innen erreichten einen wichtigen Achtungserfolg gegen die kapitalistische Strukturierung der Stadt. Oder wie es Ali Gülbol heute sagte: Und jetzt beginnt der Kampf.
Video-Bericht: Zwangsräumung um jeden Preis - Widerstand wächst
http://youtu.be/dyEslndd4UY
Wer hat uns seit 1914 verraten?
Wenn schon die Hauptstadtpresse nicht mehr der Claqueur für den Partymeister Woworeit macht.
Kommentar zur Zwangsräumung aus der Berliner Zeitung:
Ein maßloser Einsatz
Von Thomas Rogalla
Hunderte Menschen protestieren gegen die Räumung und gegen Mietsteigerungen.
Recht und Gerechtigkeit sind mitunter zwei Paar Schuhe. Vor allem in Fragen der Verhältnismäßigkeit. Wie im aktuellen Fall der Zwangsräumung einer Kreuzberger Wohnung kann das Recht schon mal jedes Maß verlieren. Umso erfreulicher ist der massive Widerstand dagegen.
Rechtsstaatlich ist die Zwangsräumung der Wohnung der Familie Gülböl nach langen Jahren wahrscheinlich in Ordnung. Rein rechtlich war es für die ersten Instanzen auch in Ordnung, dass die berühmt gewordene Kassiererin Emmely 2009 nach 31 Jahren tadelloser Arbeit erstmal fristlos gekündigt wurde, weil man ihr vorwarf, einen Pfandbon für 1,30 Euro unterschlagen zu haben. Neben dem Recht gibt es aber auch noch ein Gerechtigkeitsgefühl, das für Richter keine Rolle spielen darf, für Bürger und Politiker aber auch eine Rolle spielen darf und muss.
In beiden Fällen fällt vielen billig und gerecht denkenden Menschen auf, dass es ein groteskes Missverhältnis gibt zwischen jahrzehntelangem rechtstreuen Verhalten als Arbeitnehmerin oder Mieter und den drakonischen Konsequenzen für vergleichsweise überschaubare Delikte. Es fehlt jede Verhältnismäßigkeit, wie das Bundesarbeitsgericht im Falle der Verkäuferin konstatierte und die Kündigung für rechtswidrig erklärte.
Im Falle der Zwangsräumung der Familie Gülböl glaubten Vollstrecker und Polizei keine Zeit zu haben, um die Entscheidung der höheren Instanz abzuwarten. Das deutet nicht auf besondere Klugheit in der neuen Polizeiführung hin. Sie setzte das Verwertungsinteresse des Eigentümers mit einem Aufgebot um, das nur als Machtdemonstration verstanden werden kann und wohl auch soll.
Umso erfreulicher ist es, dass das Thema Vertreibung aus Mietwohnungen am Beispiel der Lausitzer Straße zu Diskussion, Widerstand und tätiger Solidarität geführt hat. Ob daraus so etwas wird wie die Berliner Hausbesetzer- und Mieterbewegung früherer Jahre, die prägend für eine einigermaßen humane Stadtentwicklung wurde, ist offen. Anlass dafür gäbe es angesichts der an Profitinteressen ausgerichteten Mieterhöhungsrallye genug.
Wie viele Wohnungsräumungen gibt es in Berlin?
Wahrscheinlich mehrere tausend pro Jahr. Die aktuellsten Angaben, auf die die Senatsverwaltung für Soziales verweist, stammen aus der Antwort der Behörde auf eine parlamentarische Anfrage vom März 2012. Darin heißt es, dass die Sozialämter im Jahr 2009 insgesamt 5021 Räumungsmitteilungen von Gerichtsvollziehern erhalten haben, im Jahr 2010 seien es 5603 gewesen. Wie viele Räumungen tatsächlich durchgeführt wurden, ist nicht bekannt.
Zwangsvollstreckerin in Polizeiuniform!
http://www.jungewelt.de/2013/02-15/021.php
In der "jungen Welt" ist die Gerichtsvollzieherin ziemlich (amts) anmassend in Polizeiuniform zu sehen...
Für die Vergesslichen...
Für die Vergesslichen aus Jusos, Hipster - Antifa, Solid, Falken, Interkomms, NAO, Free Schwabylon und anderen Freunde der "WiFi, Latte Macchiatto und Bioladen" - Gentrifikations - Combo mal ein Artikel, wie der Wohnungsmarkt von SPD und PDL verhökert wurde. Wir habens damals kritisiert, kritisieren es heute. Unsere Kritik traf es damals, sie trifft es heute. Macht ihr weiter auf "Schöner Wohnen" und beschimpft die Leute als "Schwabenhasser, Tourifeinde" und solchen Mist oder lernt endlich mal was dazu...
Der Rest hat heute gezeigt, wo es langgeht...
GSW Immobilien: Berliner Abgeordnetenhaus billigt umstrittenen Börsengang (Spon, 19.04.2010)
Der Mieterverein warnt, eine Probeabstimmung platzte - doch jetzt hat das Berliner Landesparlament den Börsengang der GSW Immobilien abgesegnet. Die Union beklagt fehlende Schutzrechte für die rund 130.000 Mieter der ehemals landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft.
GSW-Zentrale in Berlin: Verwalter von über 70.000 Wohnungen
Berlin - Dem Börsengang der GSW Immobilien AG steht nichts mehr im Wege: Das Berliner Abgeordnetenhaus stimmte am Montag den Planungen des Unternehmens zu. Mit den Stimmen von SPD, Linken und FDP erlaubte das Landesparlament den Eigentümern, mehr als 50 Prozent der Anteile an den Kapitalmärkten anzubieten. 88 der 146 Abgeordneten votierten für das Vorhaben der Eigentümer, CDU und Grüne lehnten es ab. Auch in der SPD hatte es bis zuletzt Widerstand gegeben. Der Berliner Mieterverein hatte vor der Zustimmung gewarnt.
Das Unternehmen bewirtschaftet in der Hauptstadt etwa 70.000 Wohnungen, in denen rund 130.000 Menschen leben. Die Goldman Sachs-Tochter Whitehall und der Finanzinvestor Cerberus hatten die einst größte landeseigene Wohnungsbaugesellschaft im Jahr 2004 für 405 Millionen Euro gekauft und rund 1,7 Milliarden Euro Altschulden übernommen. Die GSW strebt eine Notierung im regulierten Markt in Frankfurt und an der Berliner Börse bis Ende Juni an.
Für den Börsengang ist die Zustimmung des Landes erforderlich. Der Senat hatte schon grünes Licht gegeben. Das Votum der Abgeordneten ist juristisch nicht notwendig, wurde vom Senat aber gewünscht. Die GSW-Eigentümer überweisen im Gegenzug 30 Millionen Euro an das Land und machten weitere Zusagen: 100 Millionen Euro aus dem Verkaufserlös fließen in das Eigenkapital der GSW, sie behält ihren Sitz in Berlin, der Senat bleibt bis 2015 im Aufsichtsrat vertreten. Die GSW muss bestehende Mietverträge einhalten und sich bei Mieterhöhungen an den ortsüblichen Vergleichsmieten des Mietspiegels orientieren. Sogenannte Luxussanierungen sind ausgeschlossen.
Union moniert fehlenden Schutz der Mieter
Der Unions-Baupolitiker Manuel Heide warf Whitehall und Cerberus vor, schon nach 2004 ihre Zusagen nicht eingehalten zu haben. Die neuen Vereinbarungen seien reine Absichtserklärungen und juristisch nicht durchsetzbar. Selbst minimale Schutzrechte für die Mieter seien bei den Verhandlungen nicht erreicht worden.
Der Grünen-Haushälter Jochen Esser erkannte in der Vorlage des Senats eine "wohnungspolitische Bankrotterklärung". Berlin habe gut diversifizierte Wohnungsbestände aus der Hand gegeben.
"Ob die GSW an die Börse geht oder nicht, ist egal"
Nach Ansicht des Aktionärsschützers Michael Kunert ist die Kritik am Börsengang verfehlt. "Das Kind ist beim Verkauf vor sechs Jahren in den Brunnen gefallen", sagte der Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger in Berlin. "Jetzt ist es egal, ob die GSW an die Börse geht oder nicht. Die Renditeerwartungen bleiben, unabhängig davon, wer Eigentümer ist."
Bei einer Probeabstimmung in der vergangenen Woche hatten noch 14 SPD-Abgeordnete gegen den Börsengang gestimmt. Nun setzt sich die SPD-Fraktion nach eigenen Angaben dafür ein, dass zehn Millionen Euro aus der Überweisung von Cerberus und Whitehall in Mieterschutz- und Quartiersmanagement-Projekte fließen.
Berliner Polizeipresse berichtet
die bullen vermelden:
sowie
Guter Artikel und Gute Aktion
Es war einfach schön zu sehen wie viele Menschen sich um so eine Uhrzeit und bei solchem Wetter entschlossen haben an der Aktion teil zu nehmen und dem System die Maske des "sozialen" herunter zu reißen.
Wenn das jetzt noch bei jeder öffentlich gemachten Räumung zustande kommt, gibt es eine Chance etwas zu verändern.
Solidarität mit den an diesem Tag gefangen genommenen und vor allem mit dem einen Menschen der sich immer noch im Polizeigewahrsam in der GeSa in Tempelhof befinden und innerhalb der nächsten 24 dem Haftrichter vorgeführt werden soll!
Wir sehen uns bei eurem Kongress, Coppers!
Wiener 13
Welche Rolle spielte die Wiener Straße 13 und ihre Bewohner und Eigentümer? Sitzen hier Verräter? Warum haben sie kooperiert?
Verkürzte Aktion?
Häuser besetzen und nicht Miete zahlen. FERTIG!
Nebenkosten bezahlen ist ok, aber Miete? Dann ist mensch ja in einer Hierarchie in unterer Position. Nö.
Im Grundgesetz kann ja stehen was will, aber sich hier auf den Staat zu verlassen, kann doch kein Ziel sein von einer freien Gesellschaft.
Der Staat kann Wohnungen bauen und vermieten, aber du kannst ihn nicht dazu zwingen, sonst versuchst du dich ja über Klagen an das System anzupassen, was auch nicht immer von Erfolg gekrönt sein muss.
Klar gibt es Leerstand, aber eins muss dich klar sein. Besetzung heißt Soforteinzug!
Da ist das Wirtschaftssystem doch völlig egal.
Kapitalismus kritisieren, aber dem Geld geben. Ein Widerspruch.
Wem das klar ist, randaliert dann nicht, was massiv Steuergelder verprasst, dass dann z.B. über Mietsteigerungen wieder reingeholt werden kann?
No love for a nation!
"Schlägertruppen" =>Schläger*Innentruppen
Der Räumungstermin war Wochen vorher bekannt. Genug Zeit für eine Besetzung!
Randale bei Naziaufmärschen ist ok, aber hier???