Am vergangenen Wochenende spitzte sich die Lage in Usti zu. Die Versorgung des besetzten Mehrfamilienhauses mit Essen sowie die Kälte wurden mehr und mehr zum Problem. Zudem war seitens der Behörden keinerlei Verhandlungsbereitschaft zu erkennen und auch mit Unterstützung der Nachbarschaft war nicht zu rechnen, wie das Rufen rassistischer Parolen durch kleine Gruppen vor dem Haus zeigte. Daher schickte die Anarchistische Föderation aus Tschechien und der Slovakei (CSAF), die sich stark für Roma-Belange engagiert, eine Bitte um solidarische Hilfe an das Forum deutschsprachiger Anarchist*innen (FDA). Aktivisten aus Gruppen des Libertären Netzwerks sammelten daraufhin am Samstagabend 80€ Spendengelder, übergaben sie der Initiative "Housing for All" und halfen vor Ort.
Am Sonntag kam es dann zu einer Erlösung der Betroffenen, die man als "das Wunder von Usti" bezeichnen könnte. Am besetzten Plattenbau erschien der anscheinend einzig nicht rassistische Vermieter von Usti und bot den Roma-Familien sofort den Einzug in ein saniertes Mehrfamilienhaus zu ortsüblicher Miete an. Er gab an den Protest im Fernsehen gesehen zu haben und helfen zu wollen. Für die Familien ist es ein starker Zuwachs an Lebensqualität, denn sie bezahlen nun nur noch unter 50% des vorherigen Mietzins in einem bewohnbaren Gebäude. Zuvor mussten sie 16500 Kronen (ca.700€) für eine Zweizimmer-Wohnung in einem heruntergekommenen Plattenbau voller Ungeziefer aufbringen.
Hintergrund ist die antiziganistische Haltung weiter Teile der weißen, tschechischen Bevölkerung, die verhindert, dass Roma Wohnungen auf dem Markt erhalten. Die einzigen Vermieter, die bereit sind Wohnungen an Roma zu vermieten sind sog. "Geschäftemacher mit Armut", die Wuchermieten für heruntergekommene, sonst unvermietbare Gebäude verlangen. Da die tschechische Sozialversicherung jedoch jedem Bürger eine Wohnung zusichert, muss sie diese überzogenen Mieten bezahlen. Im vergangenen Jahr wurde unter Anderem eine Frau von ihrem einstürzenden Haus erschlagen.
Obwohl die Besetzung ein gutes Ende genommen hat, kann nicht von einer entschärften Lage bezüglich der Roma in der Region ausgegangen werden. Viel mehr hat der couragierte Einsatz eines Einzelnen die Behörden davor bewahrt Stellung zur Diskriminierung der Roma beziehen zu müssen. Das strukturelle Problem bleibt ungelöst und der Rassismus der Bevölkerung bestehen. So wird vor Ort in naher Zukunft mit erneuten Krisen gerechnet - seien es Pogrome, seien es durch Diskriminierung generierte humanitäre Notsituationen. Aktivist*innen beiderseits der Grenze planen daher ein gemeinsames Treffen um ein Handlungskonzept für kommende Krisen zu erarbeiten. Interessierte Akteure können sich per Mail an das Libertäre Netzwerk wenden.
Außerdem werden immer noch Spenden für Unkosten der Besetzung und Kautionen der neuen Wohnungen benötigt. Die Kautionen können später zurückbezahlt werden und so kann auch ein Darlehen überwiesen werden. Es werden noch 1000€ benötigt.
Spendendaten:
IBAN: CZ43 2010 0000 0025 0027 1703
BIC: FIOBCZPPXXX
Verwendungszweck: dormitory (wenn Darlehen zusätzlich: loan)
Die Initiative Housing for All hat zu den Ereignissen eine Pressekonferenz gegeben.
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Anarchist aus dem Südwesten*
Toll, dass ihr dran seid und eure Solidarität nicht an der (Sprach-)Grenze aufhört!