Am 19. Dezember 2012 schloss sich die Bundespolizei am Frankfurter Flughafen der sogenannten Initiative „Respekt! Kein Platz für Rassismus“ an. Dazu wurde mit viel Tamtam und Medienzirkus am Gebäude der Bundespolizei am Frankfurter Flughafen, einem der bedeutendsten Dreh- und Angelpunkte in der innereuropäischen Abschottungs- und Asylpolitik symbolisch ein Blechschild der fragwürdigen Initiative aufgehängt. Die Bundespolizei schmückt sich seit dem mit dem Label „antirassistisch“. Allerdings waren auch kritische Stimmen zu vernehmen. In diesem Artikel möchten wir, einen Monat nach dieser absurden Inszenierung, noch einmal einen Blick auf die Geschehnisse und die Reaktionen darauf werfen.
Am 16. Dezember 2012 richteten wir uns als Fans der Irie Révoltés in einem offenen Brief an die Band, da diese sich in der Vergangenheit an der Initiative beteiligt hatte. In einer Stellungnahme auf Facebook erklärten sie am 22. Dezember ihre Distanzierung von der sogenannten „Respekt“-Initiative:
„Dank kritischer Aufmerksamkeit einiger Irie Révoltés Hörer_innen wurden wir darauf aufmerksam gemacht, dass die Initiative 'Respekt!', für dessen Vorläuferprojekt 'Kein platz für Rassismus' ( Respekt! Kein Platz für Rassismus | Fanseite ) wir vor einigen Jahren den Song 'Viel zu tun' geschrieben haben, am Mittwoch, den 19.12.12 ein 'Respekt' Schild bei der Bundespolizei am Frankfurter Flughafen angebracht hat.
Für uns ist dieser Schritt nicht nachvollziehbar und in keinster Weise unterstützenswert.Schließlich ist die Bundespolizei maßgeblich für die Durchsetzung der menschenverachtenden Asylpolitik verantwortlich. Außerdem unterstützt sie ausdrücklich die Praxis des 'Racial Profiling', wonach Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe häufiger ohne Grund kontrolliert werden (per Anweisung!!!)
Die Anbringung des Schildes sei laut 'Respekt!' Initiative, als Selbstverpflichtung zu verstehen.
Was die Initiative 'als Bereitschaft, verschiedene kritisch zu betrachtende Vorfälle und Dienstpraktiken zu ändern' (vgl. Respekt.tv) interpretiert, ist in unseren Augen nicht mehr als ein Lippenbekenntnis und grenzt, angesichts unzähliger gewalttätiger und rassistischer Entgleisungen, an Geschmacklosigkeit.Diese Institution ist beim besten Willen nicht dazu in der Lage, auch nur ansatzweise, die von der Initiative angeführten Bedingungen zu erfüllen.
Für uns wird dieser Schritt (die Zusammenarbeit mit der Behörde, die Stellvertreterin ist für staatlichen Rassismus und Abschiebungen) leider bedeuten, dass wir in Zukunft nicht mehr mit der Initiative 'Respekt' zusammenarbeiten können!Wir werden unsere Entscheidung und unsere Bedenken selbstverständlich 'respekt' mitteilen und es bleibt natürlich die Hoffnung, dass sie einsichtig sind und alles revidieren...“
Seit einem Monat hängt jetzt dieses Blechschild auf dem Hof der Bundespolizei am Frankfurter Flughafen. Aus unserer Perspektive – die wir diese Veranstaltung kritisiert und und den Versuch gemacht haben, zu intervenieren – wollten wir rückblickend unseren Dank für die Aufkündigung der Zusammenarbeit an die Irie Révoltés richten und noch einmal einen Blick auf die Geschehnisse und die Reaktionen darauf werfen. Deshalb dokumentieren wir hier einen weiteren Brief, in dem wir uns an die Band – und natürlich auch an alle anderen Kritiker_innen dieser fragwürdigen Initiative und an alle antirastistischen und antifaschistischen Aktivist_innen die gegen institutionellen und staatlichen Rassismus kämpfen – richten:
Uneinsichtig, naiv, ignorant und trotzig: Die Respekt-Initiative und ihre Zusammenarbeit mit der Bundespolizei
Liebe Irie Révoltés,
heute, einen Monat nach der medial mit viel Tamtam inszenierten Aufhängung eines Blechschilds der sogenannten Initiative „Respekt! Kein Platz für Rassismus“ auf dem Gelände der Bundespolizei am Frankfurter Flughafen, wollten wir uns auf diesem Wege für eurer Statement zur sogenannten „Respekt“-Initiative und deren Zusammenarbeit mit der Bundespolizei bedanken. Wir sind froh, dass ihr euch von einer Initiative distanziert habt, die – im besten Fall naiv und unreflektiert – eine Zusammenarbeit mit der Bundespolizei eingegangen ist. Wir wollen diese Gelegenheit darüber hinaus aber auch nutzen, um die Äußerungen der Initiative und die mediale Berichterstattung zu diesem Ereignis kritisch zu betrachten.
Besonders die Äußerungen auf der Website der Initiative nach der Veranstaltung zeigen, dass bei dieser keinerlei Auseinandersetzung mit oder wenigsten ein Verstehen von institutionellem bzw. staatlichem Rassismus zu erwarten ist. In einem selbstgerechten Video von den „Respekt-Botschaftern“ und Fußballkommentatoren Thomas Wark und Kwamena Odum bringt Wark das Problem dieser Initiative auf den Punkt: „Unsere Partner bei der Bundespolizei waren nicht weniger kritisch als wir.“ Die kritische Frage einer Reporterin der ARD, ob es sich nicht um eine Preisverleihung handeln würde, wird von Wark mit öffentlichem Anzweifeln der journalistischen Fähigkeiten der Reporterin abgetan (Zitat: „Schlecht recherchiert sag ich mal, voll daneben, Thema verfehlt, setzen sechs!“). Das Schild sei „eine kleine Mahnwache aus Metall“ für jeden, der das Gebäude betreten werde, lamentiert Wark. Da werden sich die unzähligen tagtäglich von der Bundespolizei in Hunger, Armut, Krieg und Tod abzuschiebenden Menschen aber freuen, wenn sie auf dem Weg in Charter- oder Linienflieger von Bundespolizist_innen an den Schild vorbei gezerrt werden. Bitte entschuldigt die Polemik, aber die Äußerungen dieser Dummschwätzer sind der blanke Hohn. Das die Bundespolizei von einer solchen Initiative weder Kritik noch kritische Frage zu erwarten haben wird, ist mehr als offensichtlich.
Zwar hat die Initiative bereits zwei Tage vor der Gruselshow ein Statement zu Partnerschaft mit der Bundespolizei veröffentlicht und darin auch den offenen Brief an euch erwähnt, allerdings werden alle Einwände mit Phrasen und Floskeln umschifft und mit keinem Wort auf die Rolle der Bundespolizei bei Residenzpflicht, Racial-Profiling und andere Formen des immanenten institutionellen und staatlichen Rassismus eingegangen. Keines der im offenen Brief vorgebrachten Argumente wird entkräftet und auf keine Einwand wird eingegangen. Es wird lediglich behauptet, die Veranstaltung „sein nicht als Schulterschluss zu verstehen“ und der „plakativen Schildanbringung müssten die entsprechenden Taten folgen“ – wie diese aussehen sollten oder wie dies funktionieren soll bleibt unbeantwortet. Die Kritiker_innen sollten doch „zunächst den Termin und die Pressekonferenz abzuwarten, bevor gut gemeinte Maßnahmen verurteilt werden“. Dass, selbst wenn es wirklich gut gemeint sein sollte, es keinesfalls gut gemacht war, sieht wohl bei den „Respekt“-Menschen niemand so. Die Äußerungen der Initiative während und nach der Veranstaltung geben den Kritiker_innen jedenfalls mehr als Recht.
Dass die gesamte Inszenierung bei der von Thomas Wark erwähnten und geschmähten Journalistin den Eindruck einer Preisverleihung hervorgerufen hatte, ist kaum verwunderlich, wenn man sich die Fotos des ganzen Spektakels ansieht: Da wird in verschiedenen Konstellationen mit dem Schild posiert, wie man es sonst von Preisverleihungen kennt (1, 2, 3, 4, 5, 6, 7), auf den Gruppenfoto ist ein Hof voller Bundespolizist_innen zu sehen, die gemeinsam mit den eigens für die Aktion angekarrten Schulklassen und den Gesichtern der sogenannten „Respekt“-Initiative in die Kamera lächeln und winken (1, 2)und bei der Pressekonferenz sitzen alle Protagonist_innen gemeinsam und einträchtig vor riesigen Fotos hübsch zurechtgemachter Polizist_innen (1, 2). Warum der „Medienprofi“ Wark und die Leute von „Respekt“ die Sprache dieser Bilder nicht als das verstehen was sie sind – nämlich eine große mediale Inszenierung ganz im Sinne und Interesse der Bundespolizei – ist nur mit vollumfänglicher Naivität oder blanker Ignoranz zu verstehen.
Dass von der sogenannten „Respekt“-Initiative wohl weder auf der Pressekonferenz noch im nach hinein kritische Fragen zu erwarten sind und waren, zeigen auch die anderen Statements auf der Website, die nach der Anbringung des Blechschilds veröffentlicht wurden. So äußerte sich der bereits erwähnte Kwamena Odum in einem weiteren Artikel und und einen dazugehörigen Video wie folgt: „Wir wollen nicht, dass die Polizei uns benutzt, um dadurch zu transportieren: Ja, wir leben Respekt! Wenn Vorfälle in Zukunft passieren, werden wir uns als Initiative ganz klar äußern und zu Wort melden.“ Da sich die Initiative jedoch – wie die aktuellen Beiträge, Videos und Bilder auf deren Website zeigen – keine Stellung zu institutionellem Rassismus und seinen Folgen bezog und wohl, außer dieser und ähnlicher Phrasen, auch bei der Pressekonferenz und dem gemeinsamen Schildertanz keine kritischen Äußerungen zu vernehmen waren, kann dies wohl als bloßes Lippenbekenntnis der Initiative gewertet werden.
Der einzige Beitrag, den die sogenannte „Respekt“-Initiative am Tag der Preisverleih… – entschuldigt – der kleinen blechernen Mahnwache, veröffentlicht hat, ist wohl der Kommentar des IG Metall-Mitglieds und Konkret-Autors Detlef zum Winkel unter dem Titel „You say Good Bye – we say hello!“. Diese Überschrift soll wohl in humoristischer Weise auf die Rolle der Bundespolizei bei Abschiebungen anspielen. Uns bleibt hier allerdings das Lachen im Halse stecken! Allerdings ist auch ihm die Erklärung, warum man ausgerechnet mit der Bundespolizei zusammenarbeitet, lesbar schwer gefallen. Und so umschifft er in seinem Kommentar auch jede Stellungnahme zum institutionellen und staatlichen Rassismus und verharmlost teils noch die deutsche und europäische Abschiebe- und und Abschottungspolitik durch seine Äußerungen. So behauptet er: „Der Wunsch der Flughafenpolizei, bei der Initiative 'Respekt!' mitzumachen, entspricht einem Bedürfnis, auch öffentlich für eine veränderte Praxis einzutreten (…).“ Was er mit der „veränderten Praxis“ meint, bleibt nebulös. Aber vielleicht denkt er ja an die zunehmende Abschiebung in eigens für Abschiebungen gebuchte Chartermaschinen, in denen Geflüchtete gleich in Massen – und ohne die Öffentlichkeit anderer Fluggäste bei Abschiebungen in Linienmaschinen – deportiert werden können. Wir solche Massenabschiebungen ablaufen, die seit 2006 praktiziert werden und bei denen die Bundespolizei immer mit von der Partie ist, ist ebenso eindrücklich wie bedrückend in dem Artikel „Abschiebeflug FHE 6842“ aus der „Zeit“ vom 3. August 2009 beschrieben. Warum Detlef zum Winkel die Zusammenarbeit rechtfertigt, statt klar und deutlich abzulehnen, bleibt schleierhaft. Vielleicht ging es aber auch darum, durch einen wenigstens ansatzweise kritischen Beitrag auf der Website der Initiative zur Rolle der Bundespolizei bei Abschiebungen, eventuelle kritische Stimmen innerhalb der IG Metall – die als Partner und Mitorganisator der sogenannten Respekt!-Initiative auftritt – zu beruhigen.
Die Berichterstattung in den meisten Medien blieb – wie zu erwarten – weitestgehend unkritisch. Das Pressevertreter_innen aber auch anders können, bewies zumindest der hessischen Rundfunk (HR) in einem auf seiner Website veröffentlichten Artikel und in einem in der Hessenschau ausgestrahlten Beitrag. Es kann gemutmaßt werden, dass diese aus der Feder eben jener Journalistin stammen, die Thomas Wark in seinem niveaulosen, bereits anfangs erwähnten Statement zu bashen versucht. Schon die Überschrift des Artikels bringt es unseres Erachtens ganz gut auf den Punkt: „Mit Symbolen gegen Rassismusvorwürfe“ Weiter heißt es: „Mit einem kleinen Schild und Lokalprominenz hat die Bundespolizei am Flughafen ein Zeichen gegen Rassismus gesetzt. Doch das Symbol kann die andauernden Vorwürfe gegen die Polizei nicht wegwischen.“ Weiter stellt der HR einen Zusammenhang zum Racial-Profiling und den jüngsten Prügel-Attacken Frankfurter Polizist_innen her (1, 2) und stellt folgerichtig fest, „für Kritiker mag es angesichts der schwelenden Rassismus-Vorwürfe gegen verschiedene Polizeidirektionen aber eher wie ein Feigenblatt wirken“. Im Fernsehbeitrag lässt der HR außerdem noch Mitglieder von der Initiative schwarze Menschen in Deutschland ihre Erfahrungen mit der deutschen Polizei schildern und der Historiker Facko Traoré macht klar: „Natürlich, die Polizei ist diejenige die uns wirklich alle Gründe gibt zu sagen: Wir fühlen uns hier in diesem Land nicht integriert.“ Die im Videobeitrag zu Wort kommenden Bundespolizist_innen zeigen ebenfalls, warum die Zusammenarbeit mit der fragwürdigen Initiative der blanke Hohn ist. So spricht schon die Vokabel der „Andersartigen“, die der Präsident der Bundespolizeidirektion am Flughafen Frankfurt/Main, Wolfgang Wurm ganz selbstverständlich als Bezeichnung für Menschen ohne deutschen Pass verwendet, Bände. So steckt in diesem Wort seinem Stamm nach die rassistische Unterscheidung vom Menschen Anhand vermeintlicher biologischer Unterscheidungskriterien (vgl. Othering). Darüber hinaus erzählt die Hammerwerferin und Bundespolizistin Betty Heidler freimütig, dass rassistische Polizeikontrollen „eben zur Arbeit dazugehören“: „Die Sache ist natürlich so, wenn man in Deutschland kontrolliert und seiner Arbeit nachgeht, dann will man nicht die Deutschen kontrollieren vorrangig, sondern dann kontrolliert man die Ausländer und überprüft, ob die mit Berechtigung in Deutschland leben, eingereist sind, oder eben nicht.“ So hat der HR es geschafft, in einem kurzen Beitrag und einem Artikel viele wichtige Aspekte, Fragen und Probleme aufzuwerfen, wozu bei der sogenannten „Respekt“-Initiative keiner in der Lage zu sein scheint. Anders als Thomas Wark im Namen der Initiative behauptet, ist das nicht „schlecht recherchiert“, sondern ausgesprochen gut. Da zeigt sich warum Herr Wark wohl nur Sportjournalist geworden ist. Oder um es mit seinen eigenen schlichten Worten zu sagen: „Setzen sechs!“
Ein weiterer guter Beitrag zur Geschichte des Bundesgrenzschutzes und der späteren Bundespolizei ist in der letzten Ausgabe der Jungle World von 17. Januar 2013 unter dem Titel „Good Cops, Bad Cops“ erschienen. Auch hier wird in der Einleitung Bezug auf den Anschluss der Bundespolizei an die sogenannte Respekt-Initiative genommen.
Liebe Irie Révoltés, wir verbleiben mit Dank an euch für eure klaren Worte gegenüber dieser Initiative.
Ein gibt noch viel zu tun! Echter Antifaschismus und Antirassismus funktioniert nur ohne die „Respekt“-Initiative und die Bundespolizei! Wir bleiben dabei: Kein Mensch ist illegal!
Solidarische Grüße,
einige antifaschistische und antirassistischen Fans der „Irie Révoltés“
Detlef zum Winkel?
Seit ihr euch da wirklich sicher, dass es sich hier um Detlef zum Winkel der Zeitschrift Konkret handelt?
Der Schreibstil und auch seine politische Einstellung sprechen doch eigentlich glasklar dagegen.
Was genau, abgesehen vom Namen, spricht denn bitte für den Konkret Autor Detlef zum Winkel?
Vielleicht schonmal die Konkret angeschrieben und angefragt?
Wenn ansonten nichts mehr dafür spricht, dass er der Autor ist, dann ist der Absatz absoluter Quatsch!
Ja das ist sicher!
Kannst ja gerne an ihn schreiben und selbst fragen: Detlef.ZumWinkel@igmetall.de
Zumindest bei uns in der IGM im Ffm ist es kein Geheimnis, dass er auch für die Konkret schreibt. Warum Kollege Detlef sich für diesen Respekt-Quatsch hergibt, ist mir allerdings auch ziemlich schleierhaft. Eigentlich schätze ich seine Beiträge in der Konkret... Aber diese Scheiße mit der Bundespolizei zu rechtfertigen, passt wirklich nicht so richtig zu ihm. Wenn du ihm schreibst, kannst du ihn ja gleich mal fragen, was ihn da geritten hat – ich würde das nämlich auch gern verstehen...
Ein hauptamtlicher Metaller aus der Wilhelm-Leuschner-Straße 79 in Ffm
hammer
der bundespolizei ist der hammer! DIE wollen jetzt hier was gegen ausländerfeindlichkeit bringen?
ich hab das am frankfurter flughafen bei der gepäckausgabe einmal eine ganze weile beobachtet. eine halbe stunde lang hab ich mir das treiben beim zoll angeschaut. weiße wurden ALLE durchgelassen, während SÄMTLICHE menschen mit dunkler hautfarbe herausgezogen und gründlichst durchsucht wurden.
als ich den zollbeamten darauf angesprochen habe, bin ich nur dumm angemacht worden...