[Stuttgart] Proteste gegen den außerordentlichen Burschentag am 24.11.

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„Heftiger Gegenwind für Burschenschaft“ verkündete am 24. November 2012 das „Schwäbische Tagblatt“ in einer Überschrift. Weiter hieß es: „Auf heftigen Gegenwind stößt ein Treffen der Deutschen Burschenschaft in Untertürkheim: Drei Gegendemonstrationen sind angemeldet.“ Etwa 150 Antifaschist*innen und Antisexist*innen hatten sich am 24. November 2012 in Untertürkheim ab 12 Uhr versammelt, um gegen den außerordentlichen Burschentag in der Sängerhalle zu protestieren. Die Gegendemonstrant*innen wurden von zwei Hundertschaften der Polizei stark in ihrer Bewegungsfreiheit eingeengt; auch eine Polizei-Reiterstaffel war vor Ort.

 

Bei der Anfangs-Kundgebung am Karl-Benz-Platz wurden drei Redebeiträge gehalten. Der erste Redebeitrag widmete sich dem Thema „burschenschaftlicher Antisemitismus“, es folgte eine Grußbotschaft des Bündnis gegen den Burschentag in Eisenach und den Schluss bildete ein Redebeitrag der Frauengruppe Stuttgart. Dazu gab es zwischendurch Musik aus einer Anlage und von einer rosa Samba-Gruppe.

Nach den drei Redebeiträgen zogen fast alle Demonstrant*innen weiter zu der Kundgebung am Inselkraftwerk. Hier wurde in Richtung Sängerhalle kräftig Lärm gemacht. Das dürfte die dort tagenden bis zu 600 Burschenschafter bei ihren Friedensverhandlungen durchaus gestört haben. Ein weiteres Durchkommen in Richtung Sängerhalle war aber auf Grund der massiven Polizei-Präsenz nicht möglich.


Trotzdem störte der Protest die tagenden Burschenschafter. Ein Artikel vermerkt: „Rund um den Tagungsort herrscht am Samstag Feindseligkeit. Drei Gegendemonstrationen sind zugelassen, zwei Hundertschaften der Polizei riegeln die Straße vor der Sängerhalle auf beiden Seiten ab. Zeitweise untersagen die Sicherheitskräfte den Burschenschaftern, den Sängersaal zu verlassen. Von den Fenstern des Hauses aus hören sie die Parolen der etwa 100 bis 150 Antifa-Aktivisten: "Lieber ein Geschwür am After als ein deutscher Burschenschafter". Es kommt zu kleineren Scharmützeln mit der Polizei, ein Farbbeutel fliegt. "Na du stolzer Deutscher, bist Du so beschissen stolz auf dieses Land?", giftet eine junge Frau in Richtung eines Burschenschafters.“

Nach der Auflösung der Kundgebung am Inselkraftwerk kam zum Versuch einer Spontan-Demo in Richtung Bahnhofsvorplatz, die nicht von Erfolg gekrönt war. Eine etwa 30köpfige Gruppe von Demonstrant*innen  wurden von den Polizei-Kräften abgedrängt und unter fadenscheinigen Begründungen festgehalten, also gekesselt. Es wurde der Menge vorgeworfen, dass aus ihr heraus Gegenstände geworfen wurden. Eine Demo-Teilnehmerin berichtete später aber, dass nur eine Kastanie geflogen sei. Das führte jedenfalls zu einem kleinen Kessel, aus dem mensch erst nach Abgabe ihrer/seiner Personalien wieder raus kam. Erst gegen 16 Uhr wurden den letzten erlaubt den Platz zu verlassen.

Im Laufe des Tages kam es zu insgesamt vier Festnahmen. Darunter eine 29-jährige Frau, die Beamte beleidigt haben soll, und ein junger Antifaschist, der von Polizisten verfolgt, gestellt und nach Augenzeug*innen-Berichten in einem Polizeiwagen von mehreren Beamten misshandelt wurde.
Für den Schutz durch die Polizei bedankte sich die „Deutsche Burschenschaft“ auf ihrer Homepage:
„Großen Dank schuldet die Deutsche Burschenschaft den Sicherheitskräften des Landes Baden-Württemberg für ihren Einsatz zum reibungsfreien Ablauf des außerordentlichen Burschentages in der Sängerhalle in Stuttgart.“
Knapp 20 Personen begaben sich im Anschluss an die Kundgebungen zum Polizeipräsidium und forderten die Freilassung der Festgenommenen.

Beobachtungen legen nahe, dass zwei zivile Polizei-Mitarbeiterinnen in der Menge unterwegs waren und später vermeintliche Straftäter*innen für ihre Kollegen identifizierten. Der Einsatz von Frauen ist eine durchaus kluge Strategie, da auch unter Linken eher Männer als Gefahr oder potenzielle Zivil-Polizisten wahr genommen werden.

+++ Vorläufiges Fazit +++
Der Termin des außerordentlichen Burschentags in Stuttgart ist in den meisten aktuellen Semesterprogrammen von DB-Burschenschaften bis heute unauffindbar. Trotzdem gelangte irgendwie der genaue Ort in die Medien. Daraufhin wurde dann von antifaschistischer und antisexistischer Seite mit einiger Verzögerung entsprechend reagiert. Seit ungefähr einem Monat wurde an Gegenprotest gearbeitet und zu Gegendemonstrationen mobilisiert.
Am Tag selber waren etwa 150 Personen vor Ort, um gegen den Burschentag zu protestieren. Mit einer früher einsetzenden Mobilisierung, hätten es durchaus auch ein paar hundert werden können. Schade auch, dass bis auf einzelne Ausnahmen, die meisten Teilnehmer*innen der linksalternativen Szene zuzuordnen waren. Es wurden also offenbar keine normalen Bürger*innen oder Anwohner*innen mobilisiert. Eventuell ist das Thema „Deutsche Burschenschaft“ ein zu exotisches und unbekanntes.   

Trotzdem ist der Gegenprotest durchaus als Erfolg zu bewerten. Eigentlich hatten sich die Burschenschafter auf ein Treffen ohne öffentliche und mediale Aufmerksamkeit gefreut. Dieser Wunsch wurde ihnen gründlich vermasselt. Der Gegenprotest verstärkte die kritische Berichterstattung. Am Rande kam u.a. auch heraus, dass die Sängerhalle schon von der NPD genutzt wurde. 
Die Nerven der Burschenschafter dürften noch angespannter gewesen sein, als es durch den internen Zwist ohnehin der Fall war. In diesem Streit hat sich nun jedenfalls die extrem rechte Fraktion durchgesetzt. Die FPÖ-Kaderschmiede Burschenschaft Teutonia Wien ist neue Vorsitzende Burschenschaft und der Republikaner-Funktionär Michael Paulwitz aus Stuttgart von der Burschenschaft Normannia Heidelberg ist neuer Chefredakteur der „Burschenschaftlichen Blätter“ (https://linksunten.indymedia.org/de/node/72263).  

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Es wäre doch mal zu überdenken was diese Spontis mit haushoher unterlegenheit gegenüber der Polizei bringen sollen? Außer Mittel für die Repressionskosten aufwenden zu müssen leider nichts.

Ich spreche mich nicht grundsätzlich dagegen aus dies zu tun, wenn es den eine Möglichkeit gibt damit etwas zu erreichen, aber in diesem Fall war es einfach nur sau blöd.

Und leider zum wiederholten mal in Stuttgart...wollen sich die Leute verheitzen?

ja und was genau war denn jetzt das blöde dran? wie genau werden die Leute verheizt wenn sie gekesselt werden? War selbst schon in zig Kessel und finds jedesmal trotzdem besser als den Anweisungen der Ordnungshüter folge zu leisten. Man kann natürlich auch immer brav und regelkonform demonstrieren, politische Wirkung wird man damit aber wohl nur kaum haben. Wer sich nicht bewegt spürt seine Fesseln nicht...

Das Problem ist nunmal das die Stuttgarter "Antifas" Sexistische Trottel sind, die sich zu allem Überfluss auch noch für die coolsten "Streetfighter" halten. Das haben sie auch am Samstag mal wieder bestens demonstriert. Schon als es die erste Sponti zum Zweiten Kundgebungsort gibt und diese dort ankommt und vor ner Wand dummglotzender Riotcops steht, werden die "schwachen" Frauen die sich in der ersten beiden Reihen befanden von den "coolen zum Frauen beschützen berufenen, starken" Männer nach hinten geschickt. Und der Sponti am Schluss, die dann teilweise noch gekesselt wurde war nunmal eher unnötig, da es auf dem Weg zum Bhf niemand groß gab, den man damit hätte erreichen können und ein durchbrechen, egal an welcher Stelle wäre allein schon wegen der Kräfteverhältnisse unmöglich gewesen. Und das die doofen Stuttgarter noch meinten sinnlos die Cops mit einer zu bewerfen, war eine Eskalation eigentlich schon vorprogrammiert, ist doch gerade in Stuttgart schon seid Jahren alltag das die Cops hier sich immer auf die kleinste Provokation der Leute warten und sich freuen das sie dann endlich richtig "loslegen" dürfen.

Die Verheimlichungsmasche scheint ja zu fruchten, in den "Semesterprogrammen" werden so wichtige Dates halt nicht mehr veröffentlicht, haben etzwas Konspiration zwischenzeitlich gelernt :):):)

Nutzt aber nix!!

ACHTUNG:

Nächste Burschi-Groß-Veranstaltung, bisher GEHEIM:):)

18. + 19. Dezember in Hückeswagen, irgendwo in der Nähe der Pauluskirche

Wahrscheinlich geht die Sache so gegen 18:00 / 19:00 los, soll irgendwie eine "Nachlese zum Burschentag in Stuttgart" werden. In NRW sind die Cops auch etwas netter!!!

Redebeitrag des "Bündnisses gegen Burschentage" | gegenburschentage.blogsport.de

 

Ob in Eisenach, Stuttgart oder anderswo: Sexisten, Rassisten und Nationalisten konsequent bekämpfen.


Die aktuellen Skandale rund um den größten verbindungsstudentischen Dachverband "Deutsche Burschenschaft" (DB), häufen sich. Zwar wird seit Jahrzehnten von antifaschistischer und feministischer Seite auf das sexistische und rassistische Fundament des Dachverbandes hingewiesen und auch die guten Kontakte zum organisierten Neonazismus boten immer wieder Anlass zu Protesten, Demonstrationen und vielfältigen direkten Aktionen. Dennoch befindet sich der Dachverband erst seit 2011 in einer tiefen Krise. Interne Streitigkeiten und schwindende Mitgliederzahlen bereiten große Sorgen, vor allem seit Kritik nicht mehr nur in linken Szenemedien, sondern nunmehr auch in der bürgerlichen Presse laut wird.


Ebenfalls im Jahr 2011 wurde das erste Mal seit Jahren überregional gegen den jährlich stattfindenden Burschentag der DB in Eisenach demonstriert. Nach einer bundesweiten Mobilisierung zogen damals im Juni über 500 Teilnehmer_innen durch das beschauliche Provinzstädtchen mit starker Naziszene. Es war eine der größten antifaschistischen und feministischen Demonstrationen, die es seit langem in Eisenach gab. Auch im Jahr 2012 beteiligten sich mehr als 400 Demonstrant_innen an den Protesten.

 

Trotz der zunehmenden öffentlichen Kritik nahm die Bundesregierung die Deutsche Burschenschaft noch im Juli 2012 in einer Stellungnahme in Schutz. Sie könne keine Hinweise auf Rechtsextremismus innerhalb der DB entdecken, zitierte die Frankfurter Rundschau. Das wäre ja auch ein Ding: Immerhin ist ja auch Verkehrsminister Peter Ramsauer Mitglied der DB. Aber genau das zeigt die enge (historische) Verflechtung von deutschen Rechtskonservativen und Nazis: Auch wenn die Bundesregierung es leugnet, dienen Burschenschaften schon immer als Scharnier zwischen bürgerlicher Mitte und Nazis.

 

Die Burschen sind nun einmal auch Konservative und müssen daher ebenso als diese kritisiert werden. Dadurch, dass sie ihren Konservatismus so betonen, können sie sich leicht von „Nazis“ und „jeglichem Extremismus“ abgrenzen. Doch klar ist, diese Abgrenzung ist rein formal, jedoch – dank des fragwürdigen Exremismusbegriffs, der die „Extreme“ an den Rändern verortet – gesellschaftlich akzeptiert. Anhand der Burschen zeigt sich, dass Nationalismus, Neofaschismus und Rassismus aus der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“ kommen.


Stating the obvious...

 

Kurz vor dem jährlich stattfindenden Burschentag im Jahr 2011 wurden Interna der DB veröffentlich, die "Putschpläne" der Burschenschaftlichen Gemeinschaft aufdeckten. Dieser Zusammenschluss ist einer der größten Flügel innerhalb der DB und zeichnet sich durch einen besonders ausgeprägten völkischen Nationalismus und Rassismus aus. Teil dieses Flügels ist unter anderem Die Alte Breslauer der Raczeks aus Bonn. Diese wurde im vergangenen Jahr gleich zwei Mal zum Gegenstand öffentlicher Kritik. Sie hatte zum einen den Ausschluss einer Mannheimer Burschenschaft gefordert, weil diese ein Mitglied aufgenommen habe, das nach den rasisstischen Kriterien der Raczeks kein echter Deutscher war. Zum anderen hatte Norbert Weidner (Schriftleiter der Burschenschaftlichen Blätter, früherer FAP-Kader und heute eben Mitglied der Raczeks) den christlichen Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, Dietrich Bonhoeffer,  als "Landesverräter" und dessen Ermordung durch die Nazis im KZ als "rein juristisch gerechtfertigt" bezeichnet.


Im letzten Jahr gründete sich, aus Protest gegen die zutage geförderten Nazis der DB, die Initiative Burschenschaftliche Zukunft (IBZ). Diese Initiative, deren Mitgliedern auf einmal aufgefallen sein muss, dass sie jahrelang gemeinsam mit Nazis gesoffen haben, gibt sich tolerant und liberal. Die Abgrenzung ist jedoch bloß formal und strategisch. Die Grundwerte der DB, die in erheblichen Maße vom gesamten Verbindungsmilieu geteilt werden, stellt die Initiative nicht infrage. Frauen sind konsequent aus den Verbindungen ausgeschlossen und Homosexualität wird geächtet. Auf dem Burschentag werden am Denkmal für die deutschen Opfer beider Weltkriege, alle drei Strophen des Deutschlandliedes gesungen – von allen und in trauter Eintracht. Die interne Spaltung hinterlässt, trotz der inhaltlichen Gemeinsamkeiten, dennoch tiefe Wunden. So gibt es Gerüchte über Massenaustritte. Intern wird vereinzelt sogar die Auflösung der DB gefordert.


Unser Kampf gilt der falschen Gesellschaft!


Gerade wenn vermeintlich liberale (Ex-)Burschenschafter sich den Kampf gegen die Nazis der DB auf die Fahne schreiben, halten wir es für notwendig, unsere grundsätzliche Kritik an diesem Dachverband und den gemeinsamen rechten Werten von Studentenverbindungen auf die Straße zu tragen! Denn leicht wird verkannt, dass die Neonazis der DB und ihre Ideologie aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft kommen und allzu gerne wird verdrängt, dass Sexismus, Homophobie, Antisemitismus und Rassismus kein Alleinstellungsmerkmal der Naziburschen sind. Unsere Kritik gilt daher zuallererst der Gesellschaft, die solche
Ideologien und Institutionen überhaupt erst hervorbringt.

 

Wir, das Bündnis gegen Burschentage werden deswegen weiterhin aktiv gegen die DB und den rassistischen und antifeministischen Mist, den die Burschen vertreten, vorgehen!

 

Deswegen heißt es auch im November, wenn sich die Burschen zu ihrem außerordentlichen Burschentag in Stuttgart treffen:

 

Gegen männerbündische Strukturen und Homophobie! Für den Feminismus und ein selbstbestimmtes Leben! Für eine Gesellschaft jenseits von Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus!

„Insgesamt waren am Samstag wegen Versammlungen in der Innenstadt und im Stadtbezirk Untertürkheim bis zu 500 Polizeibeamte im Einsatz.“

* Polizei-Pressemitteilung vom 24.11.2012