Herrschaftssicherung in der Umkämpften Stadt - Mietenpolitische Konferenz in Berlin

Rein in die Politik

es hat keinen sinn zu warten bis es besser wird / das bisschen besser wäre das warten nicht wert - die sterne
Seit Jahren sind steigende Mieten, die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen, die Aufforderungen der JobCenter, die Miete zu senken, sprich sich an den Stadtrand zu verpissen, die Aufwertung von Innenstadtquartieren, der Immobilienboom, die Zurichtung der Stadt nach den Anforderungen der Besserverdienenden...sprich der ganz normale kapitalitische Wahnsinn mittlerweile DAS Thema in der öffentlichen Diskussion in Berlin.


Brennende Autos des oberen Preissegments, nächtliche Besuche auf den Baustellen von "Luxusloft", entstandende Mieter- und Stadtteilgruppen und ihre Proteste haben dafür gesorgt, dass das jahrelange Mantra des SPD/ Linke Senats, es gebe kein "Wohnungsproblem", ad absurdum geführt worden ist.

Der neue SPD/CDU Senat verkündete im September ein "Bündnis für bezahlbare Mieten", das "Kapital der Stadt", die prekäre Kreativen sollen weiter auf ihren Spielwiesen toben dürfen, Bar 25 heisst jetzt Kater Holzig und baut mit Millionen aus der Schweiz und Unterstützung aus allen politischen Lagern ein allinclusiv Freizeit/Wohn/ Kunstirgendwasdorf am Spreeufer. Auf eine Konzernzentrale mehr oder weniger kommt es ja nicht an.

Wie immer, wenn soziale Konfliktualität in der Prognostik schwer einzuschätzen ist, werden die Instrumente der Bürgerbeteiligung ausgepackt, machen sich die Berufsbetroffenen und Bewegungsmanager an ihr Werk.

Vor genau einem Jahr übergaben mehr oder weniger medienwirksam Angehörigen der sogenannten Dossiergruppe ihre Anregungen und Forderungen (1) an Vertreter von SPD und CDU. In der Dossiergruppe sind u.a. Vertreter von Kotti und Co, "Bündnis Berliner Sozialmieter", sowie Vertreter der Willibald Alexis Strasse 34 (2) vertreten. Nach unzähligen Treffen in den Hinterzimmern der Macht, beispielweise einem Vortrag der Dossiergruppe bei der Friedrich Ebert Stitung (3), soll nun am 13. November die Ernte eingebracht werden.

In Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und moderiert von dem allseits bekannten "Stadtsoziologen" Andrej Holm, der seine Erkenntnissgewinne auch mal gerne vor der CDU Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses zum Besten gibt, wird die "Konferenz zum Sozialen Wohnungsbau" am 13. November in den Räumen des Berliner Abgeordnetenhauses stattfinden.
Umrahmt wird diese Veranstaltung auf der einen Seite vom einem "Aufruf von ArchitektInnen, StadtplanerInnen, SozialwissenschaftlerInnen, KünstlerInnen und JournalistInnen" (4) auf der einen und einer Begleitdemonstration am 10.November (4a) auf der anderen Seite.

Genau jene Bagage also, die hier teilweise seit Jahrzehnten mit ihren Architekturbüros, Stadtplanungsinstituten, Studien und Gutachten die kapitalistische Zurichtung des Stadt massgeblich vorantreibt, gibt nun der Dossiergruppe Rückendeckung. Das Kernanliegen ihres Engagements legen sie dankenwerterweise selber offen: "...Wer wie zum Beispiel in Paris oder London zulässt, dass die Innenstadt für viele Bevölkerungsgruppen unbezahlbar wird und sich in bestimmten (Rand)Lagen Armutsprozesse konzentrieren, der nimmt in Kauf, dass es in Berlin in Zukunft zu größeren Unruhen kommen wird..." s.a. (4)

Das sich eine Gruppe wie "Andere Zustände Ermöglichen (AZE)", der sonst das Wohlergehen der Berlin- Touristen (5) besonders am Herzen liegt, nicht erblödet, die Demo im Vorfeld der "Mietenpolitischen Konferenz" als "Angriff gegen die kapitalistische Stadt" zu bewerben, spricht Bände ob der Begriffslosigkeit, die sich in Teilen einer "kapitalismuskritischen Linken" breit gemacht hat.

Was hier eigentlich im Kern stattfindet, ist das mutwillige Instrumentalisieren der berechtigten Sorgen und Ängsten, der aufgestauten Wut vieler Menschen, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Miete aufbringen sollen, die keinen Bock haben, in die Neubaughettos am Stadtrand abgeschoben zu werden, denen langsam die Zusammenhänge zwischen ihrer eigentlichen Lage und dem kapitalistischen Normalzustand bewusst wird.
Bewegungsmanager, Berufbetroffende, Stadtplaner, Soziologen, Architekten und die politische Klasse schmieden nun gemeinsam an neuen Käfigen, die uns erträglicher erscheinen sollen.

Auch wir haben keinen masterplan für die gegenwärtige Situation.
Die Kämpfe rund um die Liebig (7) , die auch außerhalb des Szeneghettos sehr breit als notwendiger Widerstand gegen die Zurichtung des Stadt begriffen wurden, waren nur ein heftiges, aber kurzes Auflodern dessen, was eigentlich möglich ist.
Initiativen wie "Leerstand belegen" (8) sind versandet, auf den Demonstrationen und Aktionen der letzten Zeit sieht man im wesentlichen immer wieder nur die gleichen vertrauten Gesichter.

Die GenossInnen von "Les Camarades Imaginaires" (9) schrieben in ihrer Broschüre zur Umkämpften Stadt: "Wir gehen von einem sozialen Krieg aus, indem das Terrain, das wir hilfsweise als umkämpfte Stadt benennen wollen, ein Schlachtfeld ist. Warum wir uns entschlossen haben, uns mit den Gegebenheiten dieser Zone näher zu beschäftigen, erklärt sich an unserem grundsätzlichem Interesse daran, herauszufinden, wie und wo antagonistische Perpektiven überhaupt denkbar sind...."

Wir teilen dieses Bedürfnis und wissen uns darin nicht alleine. Um jedoch Ansätze von sozialer Gegenmacht entwickeln zu können, bedarf es sowohl einer Klarheit in den Begrifflichkeiten als auch einer Abgrenzung gegenüber jener Imagination von Widerstand, die nur der Moderniserung der Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse dient. Das die Bewegungsmanager von Kotti und Co sich nicht erblödeten , sich als Hilfsordner der Bullen (10) aufzuspielen, ist eben nicht als "Betriebsunfall" zu verstehen, sondern enthält im Kern schon ihre Funktion.

Die Fokussierung der politischen Praxis auf Mietenpolitische Konferenzen, die Veranstaltung einer Demonstration, die lediglich dazu dient, sich im Prozess des sich-mit-Herrschaft-gemein-machens eine bessere Ausgangsposition zu verschaffen, gilt es zu denunzieren.

Wir grüssen die GenossInnen, die trotz versteckten Kameras und Bullenstress immer wieder rund um die geräumte Liebig 14 den kapitalistischen Normalzustand durchbrechen, so wie am letzten Wochenende (11), die GenossInnen aus Bremen, die militant ihre Besetzungaktion verteidigt haben und am Ball bleiben (12), sowie die Teilnehmer eines "Demonstrativen Stadtspazierganges" in Zürich, die aufgezeigt haben, wie so etwa auch aussehen kann (13) .

 

Autonome aus Berlin




(1) Mietenpolitisches Dossier: Recht auf Stadt für alle
http://mietendossier.blogsport.de/

(2) Willibald Alexis Strasse 34, Anfang der 80iger besetztes Haus, gehörte zur sogenannten Verhandlerfraktion, zu den Hintergründen siehe: Autonome in Bewegung/ Berliner Häuserkampf
http://autox.nadir.org/archiv/haus/index.html
sowie Dr. Mabuse und Co.: Begrabt mein Herz am Heinrichplatz
https://linksunten.indymedia.org/node/46487

(3) Vortrag der Dossiergruppe
http://mietendossier.blogsport.de/2012/05/21/veranstaltung-wohnen-in-ber...

(4) Aufruf der Soziologen, Architekten, ....
http://kottiundco.net/2012/10/15/aufruf-von-architektinnen-stadtplanerin...

(4a)
http://www.stadtderzukunft.org/

(5) "Mein Freund ist Tourist", Artikel aus dem Berliner Tagespiegel
http://www.tagesspiegel.de/berlin/initiativen-gegen-fremdenhass-mein-fre...

(6) Aufruf der AZE zur Demo am 10. November
https://linksunten.indymedia.org/de/node/70453

(7) Dokumentation der Aktionen rund um die Rämung der Liebigstrasse 14
http://l14soli.blogsport.de/

(8) blog der Initiative Leerstand belegen
http://leerstandbelegen.blogsport.de/

(9) "Rauschen", Circular 01 von Les Camarades Imaginaires
http://lesci.blogsport.eu/

(10) Bericht zur Demo von Kotti und Co, den Bullen und den Auseinandersetzungen
https://linksunten.indymedia.org/de/node/61927

(11) Erklärung zur Aktion am "Dorfplatz" in Berlin - Friedrichshain
https://linksunten.indymedia.org/de/node/70304

(12) blog zur Hausbesetzung und autonomer Organisierung in Bremen
http://unruhsquat.blogsport.de/

(13) Berichte zur Aktion in Zürich und ein lesenswertes Flugblatt, dass bei dieser Gelegenheit verteilt wurde

Bericht 1
http://ch.indymedia.org/de/2012/10/87848.shtml

Bericht 2
http://ch.indymedia.org/de/2012/10/87867.shtml

Flugblatt
http://andiewaisendesexistierenden.noblogs.org/post/2012/10/31/flugblatt...

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

sehr recht haben die autor_innen des textes! es braucht radikale stadtteilarbeit...

was für ein quatsch

der ganze text quillt nur so von falschen unterstellungen und denunziatoionen

es ist schon bezeichnend, das sich die Autor_innen nicht der Diskussion in Berlin stellen. Hier sollen einfach nur Initiativen schlecht gemacht werden weil Sie verhindern wollen, das Leute mit kleinem Geldbeutel, Migrant_innen aktuell aus (Sozial)wohnungen vertrieben werden.

Nur ein Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Behauptung, die Leute bei Kotti&co sein Bewegunsmanager, wer das behauptet, war offensichtlich noch nie im gecekondu...

Fallt nicht darauf rein:

Solidarität mit allen kämpfenden Mieter_innen und  allen die gegen Rassismus kämpfen!

Zwangsräumungen verhindern! Recht auf Stadt für alle!

aber ihr überseht da etwas.  Ihr schreibt:

 

Auch wir haben keinen masterplan für die gegenwärtige Situation.
Die Kämpfe rund um die Liebig (7) , die auch außerhalb des Szeneghettos sehr breit als notwendiger Widerstand gegen die Zurichtung des Stadt begriffen wurden, waren nur ein heftiges, aber kurzes Auflodern dessen, was eigentlich möglich ist.

 

und kritisiert an der Konferenz:

 

Die Fokussierung der politischen Praxis auf Mietenpolitische Konferenzen, die Veranstaltung einer Demonstration, die lediglich dazu dient, sich im Prozess des sich-mit-Herrschaft-gemein-machens eine bessere Ausgangsposition zu verschaffen, gilt es zu denunzieren.

 

Die Kämpfe rund um die Liebig sind nicht vom Himmel gefallen, sie sind das Ergebnis einer langen Reihe von Häuserkämpfen. Die Veranstaltungen von Demonstrationen, Druck durch Öffentlichkeit, militante Interventionen erfüllen in jedem Häuserkampf der letzten Jahre die Funktion, die eigene Verhandlungsposition zu verbessern, um eine realpolitsche Lösung für das Haus zu erkämpfen, in Verhandlungen mit Politik und Eigentümern.  Das war auch bei der Liebig nicht anders, zur Eskalation kam es erst, als die Verhandlungen gescheitert sind.  Der Schokoladen hat den Druck der Räumung genutzt, um sich zu retten, für eine Weile gibt es auch für andere Häuser eine gute Verhandlungsposition. 

Ich bin mir nicht sicher, ob ihr mit dem "sich mit Herrschaft-gemein-machens" das meint.  Ich versteh die Konferenz als Versuch, realpolitische Lösungen für den sozialen Wohnungsbau zu finden, nicht gross anders als das, was jedes Hausprojekt macht, wenn es sich mit Politikern an runde Tische setzt.  Klar orientiert sich Kotti & Co mehr in Richtung Mitte der Gesellschaft als in Richtung Szene.  Hat vielleicht auch damit zu tun, dass sich die Szene meistens nur auf sich selbst bezieht.

Ihr schreibt, ihr habt keinen Masterplan.  Die Bewegungsmanager_innen haben einen.  Die Leute am Kotti sitzen in der Scheiße und brauchen einen Plan. Es ist leicht, radikale Positionen in Texten zu vertreten, wenn man ein sicheres zu Hause hat.  Was habt ihr den Leuten am Kotti als Perspektive anzubieten?  Was habt ihr getan, um ihr Vertrauen zu gewinnen?  Wie wird die Denunziation des Plans, den sie momentan verfolgen, dazu führen, dass sie eine andere Perspektive gewinnen? Eine abstrakte Idee reicht nicht, wenn man konkret bedroht ist.  Und scharfe Begriffe erst recht nicht.