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Statement der Antifa Ulm/Neu-Ulm zum 1. Mai
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Fast 2 Wochen nach dem Aufmarsch der Neonazis und ihrer polizeilichen Hilfstruppen in Ulm und Neu-Ulm wollen wir, die Antifaschistische Aktion Ulm/Neu-Ulm, uns kurz zu den Geschehnissen am 1. Mai äußern. Eine Auswertung der antifaschistischen Gegenaktivitäten an diesem Tag diskutieren wir gern mit unseren GenossInnen, das geht aber die staatlichen Repressionsorgane nichts an.
Trotz vorheriger Absprachen mit dem DGB ließen örtliche Verantwortliche des DGBs am Weinhof zu, dass sich unser Antifa-Block nicht in den Demozug einreihen konnte. Somit folgte der DGB willig der Wunschvorstellung der Polizei, den anwesenden DemonstrantInnen ihr Recht auf Versammlungsfreiheit zu verwehren.
Dass DemonstrantInnen davon abgehalten werden konnten mit zu demonstrieren, und die DGB-Demo, inklusive großen Teilen des „Bündnis gegen Rechts“, dennoch los zog, ist ein Armutszeugnis für die verantwortlichen GewerkschafterInnen und der an diesem Tag ach so antifaschistischen Gutmenschen. Und dass sich solche Szenen in einer Stadt abspielen können, die ständig „ihre“ Geschwister-Scholl-Tradition an allen Ecken beschwört, um das städtische Image aufzupolieren, ist widerlich.
Auch der Ulmer Mini-Noske – Ivo Gönner (Oberbürgermeister) –, der gerne Polizeigewalt gegen AntifaschistInnen rechtfertigt, Totalitarismustheorien aus dem Kalten Krieg noch heute anhängt und Autonome als „rotlackierte Faschisten“ öffentlich diffamiert, hat uns an diesem Tag mal wieder gezeigt, wie er denkt. Er selbst hält sich selbstherrlich für einen „sozialdemokratischen“ Bürgermeister.
In ähnlicher Weise verfuhr die Polizei an diesem Tag und präsentierte, wie Staatsgewalt in der Praxis aussieht – vor allem, wer am längeren Ende des Schlagstockes steht. Die Polizei zeigte klar auf, wer ihrer Meinung nach vor Ort seine Meinung kund tun durfte und wer nicht. Ein besseres Lehrbeispiel für die einfache Tatsache, dass das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit den Repressionsorganen nicht einmal das Papier wert ist, auf dem es steht, hätten sie wohl nicht finden können.
AntifaschistInnen wurden von der Teilnahme an einer angemeldeten Demonstration abgehalten. Sie wurden stundenlang willkürlich eingekesselt und massiv mit körperlicher und psychischer Gewalt angegriffen. In Neu-Ulm wurden durch die Polizeisperren an den Donau-Brücken hunderte AntifaschistInnen und BürgerInnen stundenlang in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und von Polizeigewalt und willkürlichen Ingewahrsamnahmen bedroht. Dies sind nur einige wenige unschöne Beispiele die sich an diesem Tag abgespielt haben.
Im Gegensatz dazu wurde für den Schutz der Neonazis am 1. Mai ein riesiger organisatorischer Aufwand betrieben. Von staatlicher Seite aus wurde wirklich alles dafür getan, dass „Nationalsozialismus, jetzt jetzt jetzt!“ gefordert werden durfte und Neonaziblöcke „Europa mach dich frei von der Juden-Tyrannei“ skandieren konnten. AnwohnerInnen in Neu-Ulm wurden von den Nazis bedroht und mit kollektiven Parolen wie „Eselficker“ und „Ali, Mehmet Mustafa, ab zurück nach Ankara“ massiv verhöhnt.
Was sonst eher AktivistInnen autonomer Antifagruppen und antifaschistisch engagierte Jugendliche an fast jedem Wochenende erwartet, traf nun mit voller Härte auch breite Teile der Ulmer Bevölkerung, einfache PassantInnen oder schlicht Fahrgäste der DB.
Bereitschafts- und Bundespolizei, die vermummten Spezialtruppen der BFE sowie die bayerische Knüppelgarde des USK, schikanierten Menschen mit Kontrollen, verteilten willkürlich mündliche und vorgedruckte Platzverweise für das ganze Stadtgebiet, prügelten ohne Vorwarnung auf Menschen ein, ritten mit Polizeipferden gezielt Menschen nieder, ließen ihre Hunde DemonstrantInnen anfallen und versprühten Pfefferspray und CS-Gas aus Feuerlöscher-großen Geräten. Bei den brutalen Festnahmen, Pferdeeinsätzen und Knüppelorgien wurden zahlreiche DemonstrantInnen erheblich verletzt. Auf am Boden Liegende wurde eingetreten und mit Absicht Pfefferspray in Augen und Nase gesprüht.
Drei Wasserwerfer waren gezielt in Stellung gebracht worden, um AntifaschisInnen zu bedrohen bzw. einschüchtern und schließlich wurden sie ohne vorherige Ankündigung gegen diese eingesetzt. Viele haben es wohl zum ersten Mal am eigenen Leib erfahren müssen, dass die Polizei – wenn Menschen durch den Wasserstrahl von ca. drei Meter hohen Bushäuschen gezielt herunter geschossen werden – schwerste Verletzungen in Kauf nimmt.
Solche Polizeigewalt soll vor allem junge Menschen abschrecken und von zukünftigen Demonstrationen und gesellschaftskritischem Handeln abhalten. Die Gewalt der Polizei machte allerdings auch tausenden Menschen deutlich, wie die deutschen Zustände, die wir kritisieren und die wir überwinden wollen, nun einmal aussehen.
Wir hatten mehrfach angekündigt einen Aufmarsch von Neonazis nicht hinzunehmen. Dass viele Menschen in Ulm und Neu-Ulm dies auch so sahen freut uns. Wir beschäftigten uns nicht wie die vielen anderen fernab der Naziroute, in typischer DGB-Manier, mit Konzert, Bratwurst und hohlen Phrasen, sondern versuchten mit Entschlossenheit, den Aufmarsch zu verhindern. Dafür bedanken wir uns bei allen, die an diesem Tag den antifaschistischen Widerstand vorbereitet, getragen und unterstützt haben!
Unsere Waffen gegen diese Zustände heißen Bullengewalt öffentlich machen und das Entwickeln einer gemeinsamen, solidarischen Gegenwehr. Dies bedeutet, die Ursachen dieses polizeistaatlichen Auftretens aufzuzeigen und so die kapitalistische, nationalistische und patriarchale Verfasstheit dieses autoritär formierten Staates zum Thema zu machen.
Wir rufen alle Betroffenen polizeilicher Repressionen auf, solidarisch mit den zu erwartenden Ermittlungsverfahren umzugehen. Den Behörden in die Suppe zu spucken heißt vor allem, keine Aussagen bei den Cops zu machen.
Die Erfahrungen der entschlossenen antifaschistischen Aktionen in Ulm bzw. Neu-Ulm und die in den letzten Wochen entstandene Kontakte zu vielen organisierten und unorganisierten AntifaschistInnen werden wir zu nutzen wissen - für einen noch effektiveren Widerstand gegen Neonazis und ihre Aufmärsche in der nächsten Zeit.
Antifaschistische Aktion Ulm/Neu-Ulm, am 13. Mai 2009
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Selbstkritik
In eurem Statement vermisse ich die Selbstkritik. Sicher die Kritik an Gewerkschaften, am Bürgermeister und der Polizei ist berechtigt und gehört thematisiert. Aber auch kein neues Phänomen.
Selbstkritisch kann doch festgehalten werden, dass es kein wirkliches Konzept gegen den Naziaufmarsch in Ulm gab. Es gab frühzeitig ein breites Bündnis gegen Rechts in Ulm, in das versucht hätte werden können sich einzuklinken und Forderungen und Akzente zu setzen.
Konkret gab es die Einladung zu einer gewaltfreien Frühstücksblockade von den Grünen. Dieses Angebot hätte dankend angenommen und für diese Aktion mobilisiert werden sollen. Mit Druck durch Öffentlichkeitsarbeit - einbeziehen von Medien - wäre es vielleicht möglich gewesen eine Blockade am Bahnhof aufrecht zu erhalten. Die Blockaden gegen den Islamisierungskongress in Köln / Straßbourg zeigen dass solche Konzepte funktionieren können.
Ein großes Manko in Ulm war, dass es keine nennenswerten linksradikalen organisierten Kräfte gab - die kreativ den Nazi-Aufmarsch zu verhindern mit Konzepten zu verhindern suchten. Da wäre doch einiges mehr möglich gewesen.
Es bringt wenig, darüber sich auszulassen wie schlimm Gewerkschaften und Bullen sind. Gerade für unorganisierte Menschen ist es wichtig Bezugspunkte zu haben.
In diesem Sinne
überdenken der eigenen Konzepte und Handlungsfähigkeit