Am Samstag den 22. September demonstrierten 14 Aktivist_innen vor dem Konsulat von Weißrussland in der Fritz-Schäffer-Straße 20 in Bonn. Sie forderten die die Freiheit der in Belarus inhaftierten anarchistischen Genoss_innen. Anlass waren die an diesem Wochenende stattfindenden Parlamentswahlen, aus denen wieder einmal der jetzige Präsident Alexander Lukaschenko als Sieger hervorgehen wird. Lukaschenko regiert das Land diktatorisch und lässt Gegner des Regimes gnadenlos verfolgen, inhaftieren und verschwinden.
Den gefangenen Anarchist_innen werden
verschiedene Taten vorgeworfen, bei denen keine Menschen zu Schaden
kamen, so sollen sie zum Beispiel eine Geheimdienstzentrale mit Feuer
angegriffen haben und an ungenehmigten Demonstrationen teilgenommen
haben. Es geht nicht darum, ob die Genoss_innen die Taten, die gerade in
einem Land wie Belarus legitim und notwendig sind, tatsächlich begangen
haben oder nicht. Sie sitzen wegen ihrer anarchistischen Ideale im
Knast.
Vor dem Konsulat wurde ein Transparent mit der Aufschrift
„Niemand kann frei sein, solange es nicht alle sind“ entrollt. Es wurden
zwei Redebeiträge verlesen, die auf die Repression in Belarus und
speziell auf die Haftbedingungen der inhaftierten Genoss_innen
hinwiesen. Auch wurde die Kooperation zwischen der deutschen und der
belarussischen Polizei angeprangert.
Im Anschluss, zogen die Aktivist_innen in die Bonner Innenstadt, um die Aktion zu widerholen.
Auch
weiterhin sind Aktionen notwendig, so freut sich das Konsulat weiterhin
über Anrufer_innen oder Briefe die nach dem Befinden der Inhaftierten
und deren Freilassung erkundigen.
Fritz-Schäffer-Straße 20 53113 Bonn
(0228) 201.1332 / (0228) 201.1310
Freiheit für die gefangenen Anarchist_innen in Belarus!
Für die Anarchie!
Rede 1
Zur Lage der politischen Gefangenen in Weißrussland:
„Gestern wurden die Kinder von irgendjemandem verhaftet und wir dachten es wäre nicht unser Problem. Heute haben sie unsere Kinder verhaftet. Morgen werden sie die Kinder von jemand anderem verhaften. Menschen seid auf der Hut! Lasst es nicht zu!“
Dies sind die Worte von Valentina Alinevich, der Mutter von Ihar Alinevich. Er ist einer von 5 anarchistischen, politischen Aktivisten, die aufgrund ihres Nonkonformismus zu bis zu 8 Jahren Haft, unter teils verschärften Bedingungen, verurteilt wurden. Vorgeworfen wurden ihnen unter Anderem Aktionen gegen die russische Botschaft in Minsk, eine Bank, ein Casino sowie ein Gefängnis in Soligorsk und eine antimilitaristische Demonstration gegen eine gemeinsame Kampfübung der belarussischen und russischen Soldaten. Bewiesen wurde nichts davon und auch die Angeklagten erklärten, an der Demonstration teilgenommen zu haben, die restlichen Aktionen jedoch nicht zu verantworten.
Aliaksandr Dziadok, langjähriger Anwalt und Richter und Vater von Mikalai Dziadok stuft den Urteilsspruch als unrechtmäßig und illegal ein, da die Angeklagten trotz eines Mangels an Beweisen und unter Verstoß gegen grundlegende Rechte verurteilt wurden. Weiterhin erklärt er, dass ein objektives Gericht, welches die Gesetze beachte, sämtliche Anklagen hätte fallen lassen.
Seit diesem Prozess sind nun zwei Jahre vergangen, die Gefangenen wurden von internationalen Menschenrechtsorganisationen als politische Gefangene eingestuft, der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko begnadigte unter dem Druck der EU 30 politische Gefangene, doch für die gefangenen Anarchisten hat sich die Situation in diesen zwei Jahren nicht verbessert. Ganz im Gegenteil.
Nicht nur dass sie weiterhin unschuldig im Gefängnis sitzen, ihre Haftbedingungen sind, auch nach den Richtlinien von Menschenrechtsorganisationen, untragbar. Mikalai Dziadok wurde Beispielsweise dafür, dass er sich weigerte mehr als die 40 Stunden Arbeit zu leisten, die Gefangene in belarussischen Strafkolonien zu leisten haben, mit 6 Monaten Isolationshaft bestraft. In dieser Zeit darf er keinerlei Kontakt, weder persönlich noch telefonisch, nach außen unterhalten und wird von Unterstützung von außen nicht erreicht. Aliaksandr Frantskevich wurde in einer Bestrafungszelle untergebracht, da er sich weigerte seine Zelle zu putzen, was in den streng hierarchischen, belarussischen Gefängnissen als Arbeit für die „downcasts“ angesehen wird. Diese müssen in Abstand von anderen Gefangenen essen und arbeiten, sind für Drecksarbeit zuständig, werden von anderen als Objekte zur Erniedrigung und zum Sex benutzt. Zudem werden andere Gefangene zunehmend für den Kontakt mit ihm bestraft. Dies sind nur zwei Beispiele, die repräsentativ für eine ganze Reihe weiterer stehen.
Der Umgang mit den inhaftierten Anarchisten kann definitiv als psychische Folter gewertet werden, besonders wenn berücksichtigt wird, dass Lukaschenko verlauten ließ, dass er denjenigen politischen Gefangenen die Freiheit gewähren würde, die ihn persönlich um Gnade ersuchen würden.
Mit diesem Gnadengesuch gehen selbstverständlich ein Schuldeingeständnis und damit auch eine Berechtigungserteilung an den belarussischen Staat und Lukaschenko einher. So besteht die einzige Möglichkeit aus der unrechtmäßigen Haft zu entkommen darin, dieses Unrecht zu Recht zu erklären. Die einzige Möglichkeit zur Freiheit besteht darin die eigenen Ideale zu verraten.
Wie kann es sein, dass Menschen in einem Staat, der sich als Demokratie bezeichnet, derartig behandelt werden, nur weil sie die bestehende Gesellschaft in eine transformieren wollen, die auf freiheitlichen Prinzipien fußt! Es ist eine bittere Ironie, dass genau dieser Prozess zeigt, wie existenziell notwendig eine grundlegende Veränderung des Systems eigentlich wäre, da diejenigen die konstruktive Verbesserungen herbeizuführen und von ihrem angeblichen Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen versuchen mit brutaler Härte verurteilt und bestraft werden.
Aus diesem Grund brauchen die gefangenen belarussischen Anarchisten weiterhin und mehr denn je unsere Solidarität und Unterstützung.
Morgen sind die Parlamentswahlen in Belarus, lasst uns hier ein Zeichen dafür setzen, dass die Gefangenen nicht alleine sind in ihrem Kampf. Wir fordern Freiheit für die gefangenen Anarchisten in Belarus.