Die Stadt Dortmund hat sich dem Kampf gegen die Rechtsradikalen verschrieben und will das Image der „Nazihochburg im Westen“ los werden. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine Lücke. Ein Antifa-Camp wird abgelehnt, weil es die Nazis provozieren könnte.
Von Stefan Laurin, Ruhrbarone
Eigentlich müsste die Stadt Dortmund von der Idee des Antifa-Camps begeistert sein: Im Stadtteil Dorstfeld, in dem viele Mitglieder der rechtsradikalen Szene der Stadt leben, wollen verschiedene Initiatoren vom 24. August bis zum 1. September ein Zeltlager errichten. Junge Leute sollen über die Naziszene informiert werden, ein Auftritt der Punkband Slime ist ebenso geplant wie verschiedene Seminare und Diskussionsveranstaltungen. 500 zumeist junge Besucher erwarten die Veranstalter und sie sollen auch dazu beitragen, dass sich die Rechtsradikalen im Vorfeld des für den 1. September geplanten Naziaufmarsches in Dorstfeld ein bisschen weniger heimisch fühlen.
Das alles passt zu dem von Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) verbreitetem Bild von Dortmund als „Hochburg des Widerstandes“ gegen Nazis und ergänzt eigentlich das Konzept von Polizeipräsident Norbert Wesseler, der angekündigt hat, den Nazis „auf die Füße“ treten zu wollen und seine Beamten dauerhaft zu Kontrollen der rechten Szene in das Quartier entsandt hat.
Ordnungsrecht als Repressionsinstrument
Doch die Chancen, dass es das Antifa-Camp in Dortmund geben wird stehen schlecht. Zwar hat die Polizei dem Camp noch nicht endgültig die Anerkennung als Politische Veranstaltung versagt, aber die Linie von Polizei in Stadt scheint klar: Das Camp soll verhindert werden und am besten geht das, wenn nicht politisch sondern formal argumentiert wird. Ordnungsrecht als Repressionsinstrument – wie das geht weiß man auch Dortmund: Folgen die Organisatoren der Empfehlung der Polizei das Camp wie eine Schützenfest anzumelden, bestünde keine Chance mehr, es in diesem Monat zu beginnen. Sie müssten eine Ämter-Odyssee hinter sich bringen.
Wie deutlich die Ablehnung durch die Stadt ist, wurde auch bei zwei Gesprächen deutlich, die die Initiatoren des Camps mit der „Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ führten. Auch nach zwei Gesprächen gibt es keine Ort für das Camp.
Jens Peick, war bei den Gesprächen dabei. Der SPD-Funktionär und städtische Mitarbeiter, eine im Ruhrgebiet nicht ungewöhnliche Kombination, hat die Verhandlungen in gänzlich anderer Erinnerung als die Camp-Macher: „Die Camp-Veranstalter waren nicht zu Gesprächen über andere Orte bereit. Wir haben sie gefragt ob sie sich ein Camp im Fredenbaumpark anstatt im Schulte-Witten vorstellen können aber sie haben jedes Gespräch darüber abgelehnt.“ Man habe nichts gegen das Camp, könne sich aber nicht über das Votum der Dorstfelder Bürger hinweg setzen. Peick: „Wir nehmen Bürgerbeteiligung sehr ernst.“
Die Camp-Initiative beteuert diesem Blog gegenüber, sie hätten sich sehr wohl bereit dazu erklärt, auf andere Flächen in oder in der Nähe Dorstfelds auszuweichen. Interessiert hätte das allerdings niemanden. Klar scheint zu sein: Die Dortmunder SPD will das Antifa-Camp nicht haben.
Andere Parteien und Organisationen sehen in dem Camp eher eine Chance. Thomas Oppermann vom Jugendring Dortmund steht dem Camp positiv gegenüber: „Am Anfang dachte ich, da kommen jetzt ein paar hundert Leute aus ganz Deutschland für ein paar Tage und gehen dann wieder. Was hat das mit Dortmund zu tun? Mittlerweile ist aber deutlich geworden, dass es den Veranstaltern wichtig ist vor Ort zu handeln. Ich halte das Antifa-Camp für eine sinnvolle Geschichte. Es bildet einen guten Rahmen über zivilen Ungehorsam und Aktionsformen gegen Nazis zu diskutieren.“ Oppermann st dafür, dass die Stadt den Organisatoren hilft und ein Grundstück zur Verfügung stellt.
Auch Ulrike Märkel von den Dortmunder Grünen kann die praktische Ablehnung des Camps durch die Stadt nicht verstehen: „Es ist bedauerlich, dass die Stadt Dortmund und die Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie das Antifa-Camp nicht unterstützt. Wir finden es wichtig, dass die Stadt alle Formen des friedlichen Protestes gegen Rechts im Sinne der Vielfalt des Widerstandes unterstützt. Die Organisatoren des Camps haben zahlreiche Gespräche geführt, arbeiten mit Dortmunder Basisgruppen zusammen, haben unlängst die Dorstfelder Bürger mit Flugblättern über ihr Vorhaben informiert und bemühen sich deutlich sich mit anderen Akteuren vor Ort zu verknüpfen.“
Märkel hält es für falsch, Antifa-Aktivitäten unter den Generalverdacht der Gewalttätigkeit zu stellen. Die Erfahrungen mit anderen Antifa-Camps, wie gerade in Kassel, hätten den friedlichen Charakter dieser politischen Veranstaltungsform deutlich gezeigt: „Daher ist die Unterstützung für das Antifa-Camp auch ein wichtiges Zeichen Signal für Dortmunder Toleranz weit über die lokalen Grenzen hinaus!“
Auch die Dortmunder Piraten wünschen sich eine Lösung für das Camp. Piratenchef Christian Gebel: „Es mag Gründe geben, das Antifa-Camp nicht im Schulte-Witten-Park zuzulassen. Aber für eine so wichtige politische Demonstration keinen Ausweichort anzubieten, grenzt an Sabotage. Um das ganz klar zu sagen: Als so unkooperativ hatten wir die Dortmunder Polizei bislang nicht kennengelernt. Dieses Verhalten ist völlig inakzeptabel.
Die ersten Schritte Dortmunds gegen die Naziszene in diesem Jahr zeugten von dem ernsthaften Willen, dem Rechten Einhalt zu gebieten: Es gab Hausdurchsuchungen und Festnahmen, der Druck auf die Szene wurde erhöht, Protest in Hörweiter der Nazis bei einer Demonstration Ende März ermöglicht. Doch je näher der Naziaufmarsch am 1. September kommt, umso mehr scheinen Polizei und Stadtverwaltung in die alten Muster des Herunterspielens der Gefahr und des Blockierens von Protesten zurückzufallen. Schon loben die Nazis im Internet die konstruktiven Gespräche mit der Polizei im Vorfeld des 1. Septembers, greift ein Neonazi-Skinhead eine schwarze Frau am Hauptbahnhof an und prahlen die Rechten von ihren Aktionen gegen die demokratischen Parteien im gerade laufenden Dortmunder Lokalwahlkampf.
Eine erfolgreiche Arbeit gegen Rechts sieht anders aus.
Uns liegt mittlerweile ein Entwurf eines Schreibens der Stadt Dortmund vor, in dem die Position zum Antifa-Camp erläutert wird.
Das Schreiben trägt die Überschrift
Position der Stadt Dortmund zum geplanten Antifa- Camp in Dortmund / im Schulte-Witten-Park1
und die Stadt Dortmund hat sich damit direkt in die Herzen der Nazis geschrieben:Zu dem geplanten Antifa-Camp in Dortmund / im Schulte-Witten- Park vom 23. August bis zum 2. September 2012 vertritt die Stadt Dortmund folgende Position:
Grundsätzlich ist jede friedliche und demokratische Aktion gegen Rechtsextremismus in Dortmund willkommen. Beim geplanten Antifa-Camp ist allerdings nicht deutlich, wer an Organisationen und Gruppierungen sowie Einzelpersonen teilnehmen wird.
Das ist Unfug. Die Initiatoren sind der Stadt bekannt. Ihre Namen liegen vor. Es sind auch Dortmunder Initiativen dabei.
Nicht immer konnte die Antifa in der Vergangenheit gewalttätige Aktionen aus ihren Reihen verhindern und es ist deshalb zu vermuten, das die für dieses Camp angekündigte Gewaltlosigkeit nicht durchsetzbar sein wird.
Die Macher des Camps bekennen sich zur Gewaltlosigkeit. Auch Borussia Dortmund ist es bislang nicht gelungen ein Konzept vorzulegen, mit dem der Verein immer Gewalt aus den Reihen seiner Fans verhindern kann. Klingt fein, ist aber billig.
Die Aktivitäten sind nicht mit den örtlichen Bündnissen abgesprochen, auch nicht mit dem Runden Tisch für Toleranz und Verständigung in Dortmund-Dorstfeld.
Stimmt nicht. Grüne und Piraten unterstützen das Camp, das Dortmunder Antifabündnis (DAB) auch. Zum angeblich so wichtigen Runden Tisch: Noch vor einem Jahre erklärte der, dass es kein Nazi-Problem in Dortmund-Dorstfeld gäbe. Aber besonders schön ist das hier:
Bei der Ausrichtung eines Antifa-Camps im Schulte-Witten-Park in Dorstfeld kann davon ausgegangen werden, dass dies als deutliche Provokation durch die Rechtsextremen wahrgenommen wird und deshalb entsprechende, auch gewalttätige, Vorfälle im Stadtteil nicht auszuschließen sind.
Die Stadt Dortmund kapituliert damit vor den Nazis. Sie will Nazis nicht provozieren? Wenn sie Nazis nicht provozieren will, kann sich ja die Stadt Gedanken machen, was das sensible Gemüt der Nazis-Schläger noch so alles stören könnte. Und ich unterlasse die Aufzählung nur, weil ein einzelner Mensch, den ich sehr schätze, mich darum gebeten hat. Aber mit diesem Satz hat die Stadtverwaltung jeden demokratischen Konsens verlassen.
Auf Grund der berechtigten Zweifel, ob die Gewaltfreiheit aufrechterhalten werden kann und der geäußerten Bedenken des Runden Tisches in Dorstfeld, wird die Stadt Dortmund dieses Antifa- Camp nicht unterstützen.
Redaktionshinweis:
Ergänzend anbei eine Stellungnahme des Runden Tisches für
Toleranz und Verständigung in Dorstfeld zum selben Thema.Tja, die Stellungname ist noch nicht fertig. Die Stadt Dortmund schon.