Gedenktafel für Josef Anton Gera: jetzt!

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- Kundgebung: Gegen rechte Gewalt und für die Würde der Opfer -

Am 17. Oktober werden wir, wie in den letzten Jahren, Josef Anton Gera und allen anderen Opfern rechter Gewalt gedenken. Anders, als in den letzten Jahren, werden wir nicht in Form einer Demonstration durch die Innenstadt ziehen, sondern uns am Eingang zum Westpark  (Haltestelle Jacob-Meyer-Straße/Jahrhunderthalle) um 18 Uhr versammeln; in unmittelbarer Nähe der Kruppbrache, wo Josef Gera am 17. Oktober 1997 zwei schwulenfeindlichen Rechtsradikalen zum Opfer fiel. Vor dem Hintergrund des Todestags von Gera wollen wir erklären, warum eine alljährliche Zusammenkunft zur Würdigung von Opfern rechter Gewalt wichtig ist und welche Bedeutung das Erinnern für eine antifaschistische Bewegung hat.

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Josef Anton Gera wurde am 14. Oktober 1997 aus homophoben Motiven ermordet. Der damals 59jährige Frührentner feierte am besagten Abend mit seinen beiden späteren Mördern in einer leer stehenden Hütte auf dem ehemaligen Kruppgelände. Geras Mörder benutzten diese Hütte öfters zum feiern, dementsprechend waren die Wände mit Hakenkreuzen und SS- Runen „geschmückt“. Zu später Stunde, als manch einer der Feiernden schon eingeschlafen war, habe Gera den beiden wachgebliebenen Patrick K. und Uwe K. sexuelle Avancen gemacht. Daraufhin griffen sie Gera mit Stahlrohren an und verletzten ihn dabei so stark, dass er mehrere Rippenbrüche erlitt, sich einen Lungenflügel, die Milz und die Leber zerriss. Er konnte sich noch bis zur Alleestraße schleppen, wo PassantInnen ihm ins Krankenhaus halfen. Dort erlag er am 17. Oktober seinen Verletzungen.

Seine Mörder prahlten am Tag vor ihren Familienangehörigen, dass sie es „einem Schwulen gezeigt“ hätten. Diese Aussage unterstrichen sie mit einem Hitlergruß. 

 

Zwar wurden Patrick K. und Uwe K. wegen Mordes verurteilt, aber die Intention wurde von der Staatsanwaltschaft so abenteuerlich umgedichtet, dass es einen nur noch anwidert. Abgesehen davon, dass es sich bei den Mördern mangels ihrer Zughörigkeit zu rechtsradikalen Parteien oder Gruppen nicht um Neonazis gehandelt haben könne, behauptete die Staatsanwaltschaft, die Mörder hätten gar nicht aus schwulenfeindlichen Gründen getötet, die niederen Beweggründe seien durch „Alkohol und eine Menge Frustration“ gegeben gewesen. Die Schwulenfeindlichkeit als Mordmotiv schied nach Definition der Staatsanwaltschaft aus und gleichlautende Angaben der geständigen Täter wurden als Schutzbehauptung abgetan. Was die nachvollziehbare Frage aufwirft, ob die Staatsanwaltschaft Homophobie im Umkehrschluss als „strafmildernden“ Umstand eingeordnet hätte. 

 

Staatsräson verklärt bundesdeutsche Realität

Welche Funktion die Verschleierung der Hintergründe von Verbrechen mit neonazistischen Motiven in den 90ern hatte, und wie sie auch nach dem hochoffziell ausgerufenen „Aufstand der Anständigen“ infolge des Mords an dem gebürtigen Mosambikaner Alberto Adriano im Jahr 2000 in Desseau fort wirkt, lässt sich an einer Fülle an Beispielen erläutern. Stichhaltigster Ausgangspunkt für die Kritik an einer Politik, die die Realität von Rassismus und neonazistischer Gewalt in Deutschland zum Schutz außen- und standortpolitischer Interessen leugnet, ist allein schon der gewaltige Unterschied zwischen der offiziell erfassten Zahl der Todesopfer rechter Gewalt und der Zählung unabhängiger Stiftungen, die mehr als dreimal so viele Opfer rechter Gewalt recherchieren konnten. Und so tauchen in der Liste, die die Bundesregierung auf eine Anfrage im Bundestag herausgegeben hat, weder Josef Anton Gera auf, noch der vor sechs Jahren in Dortmund von einem Neonazi erstochene Thomas „Schmuddel“ Schulz. In Dortmund, wo das Gericht zwar die rechtsradikale Gesinnung erkannte, als Mordmotiv aber ebenfalls ausschloss, lehnten Teile der Kommunalpolitik die Anbringung einer Gedenkplatte mit der unverschämten wie verharmlosenden Parole, man wolle keinen „Wallfahrtsort für Links- und Rechtsextremisten“, lange Jahre ab. Der eigentliche Grund dürfte darin zu finden gewesen sein, dass Dortmund als Wirtschaftsstandort und Eventmetropole (Austragungsort bei der WM 2006, Loveparade, RUHR.2010, etc.) keine lästigen reaktionären und auf Ortsfremde abschreckend wirkende Schandflecken auf seiner weißen Weste dulden wollte. 

 

Standort der stolzen Holzköpfe

 

Lokal wie bundesweit galt und gilt: TouristInnen und ausländische InvestorInnen sowie ihre Angestellten können sich in der als weltoffene Nation inszenierten BRD sicher fühlen. Kulturelle Vielfalt ist gern gesehen – solange der betriebseigene „Diversity Manager“ kulturelle Unterschiede in Wettbewerbsvorteile ummünzt und „kriminelle Ausländer“ dem Steuerzahler nicht auf der Tasche liegen: die Guten ins Töpfchen, der Schlechten entledigen sich die Ausländerbehörden oder die Nazis. Die Kehrseite einer solchen Verhandlung über Integration, die das Dasein und die Lebenspersperktiven (nicht nur) von MigrantInnen wahlweise von „Arbeits-“ oder „Integrationswilligkeit“ abhängig machen, wird in den politischen Analysen selbst der „Multikulti“-BefürworterInnen streng ausgespart. So dürfte es die BerufspolitikerInnen der bürglichen Parteien und die Medien doch eigentlich nicht wundern, wenn Rechtsradikale in zunehmende Maße gegen Angehörige von Minderheiten hetzen und in gleicher Konsequenz zur Gewalt greifen: das Eichmaß ihres Handelns ist schon durch eine (entlang am Leistungsprinzip) auf Ausgrenzung und Stigmatisierung ausgerichtete Politik vorgegeben; obschon die Folgen ihres Handelns soweit aus dem Raster des politisch Vertretbaren fallen, dass häufig ihre Motive so weit als möglich ins Unkenntliche verzerrt werden müssen, um jeglichen Verdacht einer Gesinnungsverwandtschaft zu zerstreuen. 

Für Letzteres bieten sich Staatsanwaltschaften, Polizei und Gerichte, aber auch Medien, immer wieder als nützliche Erfüllungsgehilfen an.(1)

 

Remembering means Fighting

 

Trotz- oder gerade deswegen kommt es in letzter Zeit zu einer immer stärkeren Aufarbeitung von Mordfällen mit rechtem Motiv. Gerade durch die kontinuierliche Aufklärungs- und Gedenkarbeit unabhängiger Initiativen und antifaschistischer Gruppen konnte Öffentlichkeit für diese Thematik geschaffen werden. (2) Dass die Umstände ihres Todes in ihrem jeweiligen Kontext aufgeklärt und diese vermittelt werden, ist das Mindeste, was jedes Opfer eines gewaltsamen Verbrechens verdient, selbst wenn es einen politisch „unangenehmen Beigeschmack“ bedeutet. 

Wir meinen, dass den Opfern gerade solcher Verbrechen im Nachhinein ein ehrlicherer Umgang gebührt, als zu der es ihrerzeit die Justiz und Politik bereit waren. Ein öffentliches Erinnern an faschistische Morde, denen Einzelne zum Opfer fielen und gleichzeitig auf die Einschüchterung vieler abzielt(e), ist schon aufgrund der Zeitlosigkeit der Würde der Opfer angebracht. Andererseits können Tendenzen, die solche faschistischen Taten rechtfertigen, heute nur wirksam bekämpft und die Würde der Menschen, welche in einem völkisch-rassistischen Weltbild keinen Platz haben, geschützt werden, wenn wenigstens die Schicksale von Menschen wie das von Josef Gera im kollektiven, öffentlichen Gedächtnis einen Ort finden. 

 

Deshalb fordern wir seit Jahren, dass in der Nähe des Orts, an welchem Josef Gera ermordet wurde, eine Gedenktafel angebracht wird.

Kommt am Montag, den 17. Oktober um 18 Uhr zum Westpark und lasst uns dieser Forderung öffentlich Nachdruck verleihen!

 

 

 

(1) Bei spektakulären Fällen allerdings, wie dem des Massakers in Oslo, welches der Täter Anders Breivik mit Versatzstücken neu-rechter Kulturkampf-Phantasmen rechtfertigte, konnten nicht mal die bürgerlichen Medien, von denen übrigens Teile ohne Anhaltspunkte zunächst einen islamistischen Terroranschlag witterten, umhin, eine gewisse Nähe des Täterdenkens zu Elementen bürgerlichen Integrationsquarks zu vermuten. 

 

(2) Hier eine unvollständige Liste von Gedenkaktionen und Aufklärungsarbeit (Ergänzung erwünscht!):

 

 

Thomas „Schmuddel“ Schulz (Dortmund)
http://aid.blogsport.de/2011/03/30/gedenktafeln-fuer-thomas-schmuddel-schulz/
http://de.indymedia.org/2011/04/304043.shtml

Dieter Eich (Berlin-Buch)
http://niemandistvergessen.blogsport.eu/
http://nea.antifa.de/lokales/eich11.html

Horst Pulter (Velbert)
http://fuenfterfebruar95.wordpress.com

 

 

Samuel Yeboah (Saarlouis)
http://linksunten.indymedia.org/node/42044

Eisam Chandim (Bochum)
http://linksunten.indymedia.org/es/node/42013
http://linksunten.indymedia.org/node/42044

Ramazan Avci (Hamburg)
http://de.indymedia.org/2010/12/296853.shtml

Kamal K. (Leipzig)
http://linksunten.indymedia.org/de/node/27556

Alberto Adriano (Dessau)
http://de.indymedia.org/2010/05/282575.shtml

 

Milos R. (Syke)
http://gedenkenanmilos.blogsport.de/

Nihad Yusufoglu (Hachenburg)
http://28dezember.blogsport.de/ 

 

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