"Gentrifizierung von unten" in Berlin Kreuzberg

Analyse Kritik Aktion

Die Berliner Großmarkt GmbH (BGM), die Eigentümerin zahlreicher Markhallen und Märkte in Berlin, hat heute über die sogenannte Markhalle IX im Kreuzberger Eisenbahnstraße-Kiez entschieden. Den Zuschlag bekamen mit der Investorengruppe Markhalle IX bürgerliche Akteure, die in wenigen Jahren das Quartier um die Eisenbahnstraße komplett verändert und die marginalsierten Menschen aus dem Kiez vertrieben haben. Das Bionade-Bürgertum kann sich nun ihr Slow-Food Paradies aufbauen, den Kreativprekären in den eigenen Reihen Projekträume zur Verfügung stellen und vor allem einen geschlossenen Raum für hochpreisiges Einkaufen im Kiez etablieren. Soziale Ansätze oder Nachbarschaftsarbeit interessiert die vermeintlich lokal eingebundenen Grasswurzel-Projektgruppenmitglieder_innen wenig. Schließlich sind sie Investor_innen und sie wollen verdienen.

 

War der Kiez um die Eisenbahnstraße bis in die Mitte der 90iger Jahre hinein ein Industriestandort mit verschiedenen mittelständischen Betrieben, einer heterogenen migrantischen Bevölkerung und anderen marginalisierten Menschen, änderte sich dies in den vergangenen Jahren massiv. Seit drei Jahren stiegen die Mieten um über 20 Prozent. Schon vorher zogen (weiße) Bürgerfamilien ins Quartier. Es kamen diejenigen, denen Mitte, der Kollwitzplatz und der Friedrichshain zu teuer wurden. Außerdem fanden sie im Kiez gleichgesinnte Bürger_innen.

 

Christoph Albrecht, der Chef der Bürgerinitiative "FreundInnen der Eisenbahnhalle", nennt die Verdrängung ökonomisch schwächer ausgestatteter Menschen gegenüber der taz eine angestrebten "Gentrifizierung von unten", von der die Anwohner_innen im Kiez profitieren würden. Das damit allerdings nicht die vor der Verdrängung dort Wohnenden gemeint waren, unterschlägt Albrecht. Angesichts solcher Äußerungen ist es nicht verwunderlich, daß Albrecht einer der fünf Investoren des als alternative (Bio-) "Projektgruppe Markthalle IX" verklärte Bündnisses ist. Zwei weitere pseudoalternative Investor_innen sind die Sterne-Köche Bernd Maier und Florian Niedermeier, die am Kollwitzplatz das Nobelrestaurant "Meierei" betreiben.

 

Sämtliche Berliner bürgerlichen Zeitungen vom Tagesspiegel über die Springerblätter bis zur taz loben das vermeintliche Bio-Grasswurzel-Projekt. Selbst emanzipatorische Zusammenhänge engagieren sich zu Beginn. Allerdings ist, wenn mensch sich das Projekt, die Akteure und die anvisierten Konsument_innen betrachtet, schnell klar, daß es weder um soziale Teilhabe, noch um gutes Essen für wenig Geld geht. Die Investorengruppe Markhalle IX will in einem gentrifizierten Kiez Spezialitäten verkaufen. Slow Food statt Social Food ist das Ziel, wobei mit slow teuer gemeint ist.

 

Dem Senat gefällts. Die SPD frohlockt, schließlich ist die soziale Durchmischung und die gesteigerte Kaufkraft im Kiez gesichert. Die Grünen freuen sich ebenfalls. Sie sehen gentrifizierte Quartiere - ob nun von oben oder von unten - und ihre bürgerliche Wählerschaft ökologisch nachhaltig heranwachsen.

 

Die Prinzessinnengärten, antisexistisch und multikulturell weichgespült, sind ein fester Partner der Investorengruppe Markthalle IX. Die Inszenierung dieser städtischen Ökobauern mit Hang zur nachbarschaftlichen Missionierung von ehrenamtlichen Arbeitskräften ist als kommerzielle GmbH organisiert. Es wurde weder ein Verein noch eine Genossenschaft gegründet. Die Prinzessinnengärten wollen Prifit machen und setzen hierbei auf ein Inszenierung als soziales Projekt, was sie mitnichten sind.

 

Beide, die Investorengruppe Markthalle IX und die Prinzessinnengärten, sind tatsächlich eine weitere Form einer vermeintlich sanften Verdrängung in den Kiezen. Als Bürger_innen-Initiativen mit sozialem, alternativen oder ökologischen Anspruch simulieren sie eine nachbarschaftliche Grasswurzelorganisierung, die allerdings gegen marginalisierte Menschen gerichtet ist. Diese Gruppen sollten keine Bündnispartner_innen sein. Sie sind und bleiben Teil der Gentrifizierung, auch wenn sie als eine von "unten" kommende verklärt wird.

 

aka berlin

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öko-faschisten, denen gibt man einfach keine stimme! pfui!

nur als Ergänzung, d.h. die Eigentümer sich natürlich ein Gehalt zahlen können, aber sie dürfen keine Gewinne entnehmen.