NATO-Gegner kritisieren Demonstrationsauflagen der Behörden.
Friedensaktivisten berichten von Verletzten nach Polizeieinsatz in
Strasbourg
Mehrere hundert Menschen haben am Freitag in Baden-Baden friedlich
gegen den NATO-Gipfel demonstriert. »Wir hatten eigentlich
mit etwa 5000 Teilnehmern, darunter mit vielen gewaltbereiten
Autonomen gerechnet«, sagte Polizeisprecher Lothar Haak am
Rande der Veranstaltung gegenüber junge Welt. Doch die
teilweise grotesken Auflagen der Behörden sowie die Schikanen
der Polizei an den Tagen zuvor dürften viele Kriegsgegner
verunsichert und vom Protest in dem abgeriegelten Kurstädtchen
abgehalten haben. So forderte das Regierungspräsidium
Karlsruhe unter anderem ein Verbot von Wasserspritzpistolen.
Untersagt war das Tragen von Kapuzenpullovern, vorgegeben eine
Lärmbegrenzung für den Lautsprecherwagen. Dieser wurde
von der Polizei jedoch gar nicht erst durch die Kontrollen
gelassen. Die Beamten boten daraufhin einen Einsatzwagen für
Durchsagen als Ersatz an. »Wir beugen uns diesem Diktat,
bezweifeln aber dessen Rechtmäßigkeit«, sagte
Friedensaktivist Monty Schädel während seiner Rede vor
den meist jugendlichen Demonstrationsteilnehmern, darunter viele
Schüler aus der Region. Es werde versucht, so Schädel,
alle NATO-Gegner als Terroristen und Chaoten zu diffamieren. Vor
allem die massive Polizeipräsenz habe viele Aktivisten
abgeschreckt.
Tatsächlich berichteten Teilnehmer, ein Großteil der
Bewohner des Anti-NATO-Camps im benachbarten Strasbourg hätte
befürchtet, nach dem Protest in Baden-Baden nicht wieder auf
die französische Seite zu gelangen. Im Nachbarland sind etwa
9000 Polizisten im Einsatz. In Süddeutschland wurden sogar
über 15000 Beamte aufgeboten; davon allein 5000 in der Stadt
Baden-Baden, wo am Freitag abend Bundeskanzlerin Angela Merkel
(CDU) US-Präsident Barack Obama und die übrigen Staats-
und Regierungschefs der NATO-Staaten zum Galadiner empfing. Das
eigentliche Gipfeltreffen findet am Samstag in Strasbourg
statt.
Wegen des Pakttreffens befindet sich die gesamte Region seit Tagen
im Ausnahmezustand. Am Donnerstag abend wurden in Strasbourg 300
Personen nach Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und
Polizei festgenommen. Etwa 100 von ihnen befanden sich am Freitag
nachmittag noch in Untersuchungshaft. Die Polizei hatte
Tränengas und Gummigeschosse eingesetzt. Vermummte errichteten
eine Barrikade, zertrümmerten ein Dutzend Bushaltestellen und
zündeten mehrere Müllbehälterr an. Reiner Braun vom
»Internationalen Koordinierungsgremium« (ICC)
erklärte am Freitag auf einer Pressekonferenz, ihm liege eine
Videoaufnahme vor, angefertigt von einer Familie aus
Strasbourg-Neuhof, die zeige: »Der Hauptteil dieser kleinen
Gruppe, 200 Leute, gehört zu einer kriminellen Gang aus
Neuhof.« Diese nutzten die Chance, das Camp der NATO-Gegner
»für ihre kriminelle Aktionen« zu
mißbrauchen.
Die Polizei gab an, es habe bei den Auseinandersetzungen keine
Verletzten gegeben. Ein Fotograf der Nachrichtenagentur ddp wurde
jedoch nach Angaben der Agentur von einem Gummigeschoß in den
Bauch getroffen und mußte ins Krankenhaus gebracht werden.
Auch Teilnehmer der Demonstration berichteten gegenüber junge
Welt von Verletzten. Dennoch trafen bis Freitag abend immer mehr
Menschen im Camp ein. Schätzungsweise 5000 Protestler befanden
sich bei jW-Redaktionsschluß auf dem riesigen Areal an der
Rue de la Ganzau.
Indes hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße
die Ausreiseverbote nach Frankreich während des NATO-Gipfels
bestätigt. Die Richter wiesen die Eilanträge zweier
Deutscher zurück, denen am Grenzübergang Scheibenhardt
verweigert wurde, mit ihrem Wohnmobil nach Frankreich auszureisen.
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, daß
Deutschen nach dem Paßgesetz die Ausreise ins Ausland
verboten werden dürfe, wenn die Annahme bestehe, daß
»erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland
gefährdet« seien. Im Falle der beiden Antragsteller
bestehe Grund zur Annahme, daß sie beabsichtigten, sich in
Strasbourg »an möglicherweise gewalttätigen
Ausschreitungen« zu beteiligen. Darauf ließen unter
anderem schwarze Kleidungsstücke und Schals schließen,
die im Fahrzeug sichergestellt worden seien.
Für die am Samstag in Strasbourg geplante Großkundgebung
»No War –No NATO« rechnen die Veranstalter mit
mehreren zehntausend Teilnehmern. Den Auflagen zufolge dürfen
sich die Demonstranten nur auf einer rund sieben Kilometer langen
Strecke im Gebiet des Rheinhafens bewegen –weit entfernt von
der hermetisch abgeriegelten Innenstadt und dem
Kongreßzentrum, wo sich die Staats- und Regierungschefs
treffen wollen. Allerdings sind auch vielfältige Blockaden
angekündigt.
Schwwarze Kleidungsstücke
zum Verwaltungsgericht "schwarze Kleidungsstücke": heute beobachtet bei der "gespaltenen" Demo, die sich an der Brücke nach Strasbourg staute: Ein PKW (Münchner Nummer!) mit einem Typen, der seine "schwarze Ausstattung" wegsteckte als man ihm zusah. Dem langen Telefonat nach das bruchstückhaft rüberklang, ein deutsch telefonierender Zivilpolizist, der sich über die bevorsetehnde Räumung der Brücke unterrichten ließ.