Erschlagt nicht den Boten für das Aufdecken von unangenehmen Wahrheiten

Erstveröffentlicht: 
07.12.2010

WIKILEAKS verdient Schutz, nicht Drohungen und Angriffe.

 

1958 schrieb ein junger Rupert Murdoch, damals Besitzer und Redakteur von „Adelaide’s The News“: „Im Wettrennen zwischen Geheimnis und Wahrheit, scheint es unvermeidlich, dass die Wahrheit immer gewinnen wird“.

In seinen Beobachtungen spiegelt sich möglicherweise die Erfahrung seines Vaters, Keith Murdoch,wider, dass australische Truppen sinnlos von inkompetenten britischen Kommandeuren an der Küste von Gallipoli geopfert wurden. Die Briten versuchten ihm den Mund zu verbieten, aber Keith Murdoch ließ sich nicht zum Schweigen bringen und seine Anstrengungen führten zur Beendung der desaströsen Gallipoli Kampagne.

Annähernd ein Jahrhundert später, veröffentlicht auch Wikileaks furchtlos Fakten, die öffentlich gemacht werden müssen.

Ich bin in einer Kleinstadt in Queensland aufgewachsen, wo die Leute direkt aussprachen was sie dachten. Sie mißtrauten einer handlungsstarken, mäßig eingeschränkten Regierung als etwas das korrumpiert werden kann, wenn es nicht sorgfältig beobachtet wird. Die dunklen Tage der Korruption in der Regierung von Queensland vor der Fitzgerald Untersuchung sind ein Zeugnis dafür was passiert, wenn die Politiker die Medien knebeln um sie davon abzuhalten die Wahrheit zu berichten.

Diese Dinge habe ich nicht vergessen. Wikileaks wurde um diese Kernwerte herum geschaffen. Die Idee, entstanden in Australien, war es Internettechnologie auf neue Art zu nutzen um die Wahrheit zu berichten.

Wikileaks prägte eine neue Art von Journalismus: Wissenschaftlichen Journalismus. Wir arbeiten mit anderen Medienorganisationen zusammen angetrieben von dem Ansinnen den Leuten die Nachrichten zu bringen, aber auch um zu beweisen, dass sie wahr sind. Wissenschaftlicher Journalismus erlaubt es eine Nachrichtenmeldung zu lesen, und dann online die originalen Dokumente einzusehen auf denen sie basiert. Auf diese Weise kann man sich selbst ein Bild machen: Ist die Nachrichtenmeldung wahr? Hat der Journalist sie akkurat wiedergegeben?

Demokratische Gesellschaften benötigen starke Medien und Wikileaks ist Teil dieser Medien. Die Medien helfen dabei die Regierung ehrlich zu halten. Wikileaks hat einige harte Wahrheiten über den Irak- und den Afghanistankrieg aufgedeckt, und Enthüllungen zur Wirtschaftskorruption ans Tageslicht gebracht.

Einige Leute haben gesagt ich sei Kriegsgegner; um es klarzustellen: Das bin ich nicht. Manchmal müssen Nationen Krieg führen, und es gibt einen gerechten Krieg. Aber es gibt nichts falscheres als eine Regierung, die ihr Volk über diese Kriege belügt, und dann von denselben Bürgern verlangt ihr Leben und ihre Steuergelder für diese Lügen zu riskieren. Wenn ein Krieg gerechtfertigt ist, dann erzählt die Wahrheit und die Leute werden entscheiden ob sie ihn unterstützen.

Wenn Sie einige der afghanischen oder irakischen Kriegstagebücher gelesen haben, einige der US Botschaftsdepeschen, oder eine Geschichte über die Dinge die Wikileaks berichtet hat, überlegen Sie wie wichtig es für alle Medien ist in der Lage zu sein frei über diese Dinge zu berichten.

Wikileaks ist nicht der einzige Veröffentlicher der US Botschaftsdepeschen. Andere Medien, einschließlich des britischen The Guardian, The New York Times, El Pais in Spanien und Der Spiegel in Deutschland haben dieselben Berichte der Diplomaten veröffentlicht.

Trotzdem ist es Wikileaks, das als der Koordinator dieser anderen Gruppen, die Spitze der boshaftesten Attacken und Anschuldigungen von der US-Regierung und ihrer Gefolgsmänner abbekommen hat. Ich wurde des Landesverrates beschuldigt, obwohl ich Australier bin, und kein US-Bürger. Es gab dutzende von ernsthaften Aufrufen in den USA mich durch US-Spezialeinheiten „auszuschalten“. Sarah Palin sagt ich sollte „zur Strecke gebracht werden wie Osama bin Laden“, ein republikanischer Gesetzesentwurf steht vor dem US Senat; Er läuft darauf hinaus mich zur „transnationalen Bedrohung“ zu erklären und entsprechend unschädlich zu machen. Ein Berater des Büros des kanadischen Premierministers hat im nationalen Fernsehen aufgerufen ein Attentat auf mich zu verüben. Ein amerikanischer Blogger hat dazu aufgerufen meinen 20-jährigen Sohn, hier in Australien, zu kidnappen und ihm etwas zu leide zu tun, aus keinem anderen Grund als um an mich heran zu kommen.

Und Australier sollten ohne Stolz beobachten, wie schändlich Julia Gilliard und ihre Regierung diese Gefühle bedient. Die Macht der Australischen Regierung scheint zur freien Verfügung der USA zu stehen, ob etwa mein Australischer Pass eingezogen wird oder ob Wikileaks Unterstützer ausspioniert oder schickaniert werden. Der Australische Generalstaatsanwalt tut alles was er kann um eine US Untersuchung zu unterstützen, die klar darauf ausgerichtet ist Australische Staatsbürger ins Hinterlicht zu locken und in die USA zu schicken.

Premierministerin Gillard und US-Außenministerin Clinton haben kein Wort der Kritik für die anderen Medienorganisationen gehabt. Der Grund dafür ist: The Guardian, The New York Times und Der Spiegel sind etabliert und groß, während Wikileaks entsprechend jung und klein ist.

Wir sind die Underdogs. Die Gillard Regierung versucht den Boten aus dem Gefecht zu nehmen, da es nicht in ihrem Interesse ist, dass die Wahrheit aufgedeckt wird – einschließlich der Informationen über ihr eigenes diplomatisches und politisches Handeln.

Gab es eine Antwort von der australischen Regierung zu den zahlreichen öffentlichen Drohungen oder der Gewalt gegen mich und andere Wikileaks-Mitarbeiter? Man hätte vielleicht erwartet, dass eine australische Premierministerin ihre Bürger gegen eine solche Sache verteidigen würde, aber es gab nur vollkommen unbegründete Behauptungen der Illegalität. Die Premierministerin und besonders der General-Staatsanwalt sollte ihre Pflichten ausführen mit Würde und überparteilich. Seien Sie sich sicher diese beiden wollen ihre eigene Haut retten. Es wird ihnen nicht gelingen.

Jedes mal wenn Wikileaks die Wahrheit publiziert über Mißbräuche die von US-Agenturen begangen werden, singen Australische Politiker und das US-Außenministerium in einem erwiesen falschen Choral: „Ihr gefährdet Leben! Nationale Sicherheit! Ihr gefährdet unsere Truppen!“ Dann wiederrum sagen sie es sei nichts von Wichtigkeit unter dem was Wikileaks veröffentlicht. Es kann nicht beides wahr sein. Was davon ist es?

Es ist weder das eine noch das andere. Wikileaks hat vier Jahre Veröffentlichungs-geschichte. Während dieser Zeit haben wir ganze Regierungen verändert, aber keine einzelne Person, soweit es bekannt ist, kam zu Schaden. Aber die USA, mit Duldung durch die australische Regierung, hat alleine in den letzten Monaten Tausende getötet.

US-Verteidigungsminister Robert Gates gab in einem Brief an den US-Kongress zu, dass keine sensiblen Geheimdienstquellen oder Methoden durch die Offenlegung der Afghanischen Kriegstagebücher gefährdet wurden. Das Pentagon stellte fest, dass es keinen Beleg dafür gibt, dass Wikileaks Berichte dazu geführt hätten, dass jemand in Afghanistan zu Schaden kam. Die NATO hat in Kabul gegenüber CNN gesagt, sie könnte keine einzige Person finden, die Schutz benötige. Das australische Verteidigungsministerium  hat dasselbe gesagt. Keine australischen Truppen oder Quellen sind durch etwas das wir veröffentlicht haben geschädigt worden.

Aber unsere Veröffentlichungen waren weit davon entfernt unwichtig zu sein. Die US-Botschaftsdepeschen haben einige überraschende Fakten aufgedeckt:

  • Die USA verlangten von ihren Diplomaten persönliches Human-Material und Informationen von UN-Vertretern und Menschenrechtsgruppen, einschließlich DNA, Fingerabdrücke, Iris-scans, Kreditkartennummern, Internet-Passwörter und Passfotos zu stehlen – unter Verletzung internationaler Abkommen. Wahrscheinlich waren auch australische UN Diplomaten das Ziel.
  • König Abdullah von Saudi Arabien verlangte von den USA Iran anzugreifen.
  • Offizielle Vertreter in Jordanien und Bahrein wollen Iran’s Nuklearprogramm mit allen Mitteln stoppen.
  • Großbritanniens Irak-Untersuchung wurde manipuliert um „US-Interessen“ zu schützen.
  • Schweden ist verdecktes Mitglied der NATO und die Geheimdienstzusammenarbeit mit den USA wird dem Parlament vorenthalten.
  • Die USA gehe nicht zimperlich vor um andere Länder zu überzeugen freigelassene Häftlinge aus Guantanamo aufzunehmen. Barack Obama stimmte einem Treffen mit dem Slowenischen Präsidenten nur zu wenn Slowenien einen Gefangenen nähme. Unserem pazifischen Nachbarn Kiribati wurden Millionen Dollar angeboten um einen Häftling zu akzeptieren.

In seinem wegweisenden Urteil im Fall der Pentagon Papiere, hat der Oberste Gerichtshof der USA gesagt „nur eine freie und ungebundene Presse kann effektiv Täuschungen der Regierung enthüllen“. Der Wirbelsturm um Wikileaks in diesen Tagen verstärkt die Notwendigkeit zur Verteidigung des Rechtes aller Medien auf eine Offenlegung der Wahrheit.

Julian Assange is the editor-in-chief of WikiLeaks.