Was ist die „Zone à Défèndre“ (ZAD) – nur die größte staatsfreie Zone Europas?

La ZAD est partout!

Wer nach der größten Besetzung Europas sucht, hätte diese vermutlich nicht unbedingt südlich des Örtchens Norte-Dammes-des-Landes im Nordwesten Frankreichs vermutet. Auf knapp 50 km² befindet sich dort seit den 60ern ein für den Bau eines großen Flughafens ausgewiesenes Gebiet. Dem stellte sich bereits frühzeitig vielfältiger Widerstand entgegen. Seit wenigen Jahren sind die (ehemals) dort lebenden Bäuerinnen und Bauern enteignet. Manche sind trotzdem geblieben. Dazugekommen sind – einem Aufruf der Einteigneten folgend - hunderte weitere neue BewohnerInnen, die in ca. 15 Häusern und knapp 50 spärlicheren neuen Niederlassungen leben. An allen möglichen Orten in dem Gebiet leben Menschen in Hütten, Baumhäusern, ausgebauten LKW, Wohnmobilen und manchmal Zelten. Menschen, die aus den unterschiedlichsten Motiven die ZAD illegal bevölkern – es finden sich dort Linksradikale, Punks, Hippies und mitunter fragwürdige Ökos mit archaischen Ackerbaumotiven. Die ZAD ist vielfältig, aber sie funktioniert. Es gibt gemeinsame Entscheidungsstrukturen und gemeinsame (dauerhafte) kulturelle und infrastrukturelle Projekte, die den vielen unterschiedlichen kleinen (neuen) Örtlichkeiten eine weitreichende Autonomie lassen.

 

Die bedeutendste ZAD Frankreichs (es gibt noch andere, die aber wesentlich kleiner sind), lässt sich in ihrer Bedeutung, ihrem Sein und ihrem Potential für linksradikale Gesellschaftsutopien schwer angemessen umfassend in einem Artikel beschreiben, insbesondere nicht nach einem nur kurzweiligen Besuch. Faszinierend ist sie allemal. Durch ein so großes Gebiet zu laufen, in dem hunderte Menschen derzeit de facto außerhalb von staatlichem Territorium leben, in dem es selbstverständlich ist, auch ohne Führerschein und Kennzeichen noch bestehende Straßen zu nutzen, in dem Probleme viel bedeutenderer Größenordnung mit emanzipatorischen Antworten angegangen werden müssen, lässt mitunter erahnen, dass eine andere Welt grundsätzlich vielleicht tatsächlich möglich sein kann. Um keine Missverständnisse zu erzeugen: Die ZAD ist weit weg von einer angestrebten kommunistischen Gesellschaftsutopie. Auch 50 km² Land sind annähernd unbedeutend, wenn das Ziel doch die Überwindung der weltweiten Verhältnisse sein muss. Denn niemand, der einigermaßen bei Verstand ist, möchte in einer Welt leben, in der wirtschaftlich neben meist nicht-maschinell-unterstützter Landwirtschaft höchstens noch ein bisschen Handwerk existiert. Eine Welt ohne Fabriken und ihre geilen Güter, ohne Zahnärzte, ohne High-Speed-Internet, ohne Flughäfen, undundund. Doch die ZAD bei Notre-Dammes-des-Landes stellt einen Hoffnungsschimmer dar, einen Ort, an dem emanzipatorische Gesellschaftsentwürfe in Ansätzen ausprobiert werden können, einen Ort, von dem aus wir mit anknüpfen können an viele Kämpfe, die noch zu führen sind.

 

- Ein Ort, der derzeit massiv gefährdet ist! Die französische Regierung hat angekündigt, die ZAD noch vor Weihnachten 2016 zu räumen. Ob sie dies tatsächlich versuchen, ist unklar. Vor einigen Wochen hieß es noch, eine Räumung werde noch im Herbst 2016 erfolgen. Es ist also nicht klar, wann genau der nächste Angriff erfolgen wird. Dass dieser Versuch der Räumung demnächst kommen wird, damit rechnen jedoch die meisten BewohnerInnen der ZAD.

Bereits Oktober/November 2012 versuchte der Staat mit bis zu 2000 Cops die ZAD zu räumen und alle Behausungen zu Zerstören. Der beiderseits äußerst militant geführte Kampf zog sich über mehrere Wochen. Ein Gebiet von solcher Größe zu räumen, in dem die bedeutenden Straßen leicht zu verbarrikadieren sind, und dass ansonsten nur aus Wald und Wiesen besteht, ist alles andere als leicht. Letztlich musste der französische Staat seinen Angriff abbrechen. Allerdings nicht völlig ohne zuvor erzielte Erfolge: Viele noch existierende Häuser und zahlreiche Hütten waren zerstört. Nur wenige Tage nach der Einstellung der staatlichen Angriffe zog jedoch eine Demonstration von über 40.000 Menschen in die ZAD und begann einen umfassenden Wiederaufbau. Heute existieren mehr Hütten in der ZAD als jemals zuvor.

Auf den anstehenden Räumungsversuch sind die BewohnerInnen bestens vorbereitet. Sie sind zudem äußerst entschlossen, alles notwendige zu tun um ihren Wohnort zu verteidigen. Dass eine erfolgreiche Räumung angesichts der äußerst guten Vernetzung der BewohnerInnen in die umliegende Region, der breiten Solidarität in der lokalen Bevölkerung, der überall bereitstehenden massiven Barrikaden und angesichts der Entschlossenheit und der Solidarität innerhalb der Bewegung in Frankreich möglich ist, ist schwer vorstellbar. Auf der gegnerischen Seite steht jedoch niemand geringeres als der französische Staat, der insbesondere seit den islamistischen Terroranschlägen und dem anschließend ausgerufenen Ausnahmezustand – der bis heute fortbesteht – kräftig am aufrüsten ist.

 

An dieser Stelle sei der Aufruf herausgegeben, sich weitergehend mit der ZAD zu befassen und im Falle eines Angriffs durch die französische Polizei sich an der Verteidigung zu beteiligen. Ein Besuch in der ZAD ist immer möglich, man wird auch den Umständen entsprechend gut untergebracht. Auch nach dem Beginn des Angriffs durch den Staat wird es möglich sein, in das weitläufige Gebiet zu gelangen. Die ZAD ruft dazu auf, sie im Angriffsfall möglichst direkt in der Zone zu supporten. Doch auch andere wichtige Beteiligungsmöglichkeiten werden aufgezeigt: Ein (militantes) Agieren in Form von z.B. Lärmdemos vor Bullenunterkünften, Barrikaden, Polizeikonvois blockierendes Fahren im Schneckentempo, sowie „entschlossenem“ Agieren gegen polizeiliche Infrastruktur sind einige von vielen Optionen für ein solidarisches Handeln in der direkten Umgebung. Außerdem sollen im Räumungsfall „Orte der Macht“ in ganz Frankreich besetzt und Solidaritätsaktionen gestartet werden. Für GenossInnen ohne spontan ausreichend weiten Aktionsradius sind vielleicht Aktionen im östlichen Teil Frankreichs denkbar. Oder auch das Konfrontieren französischer Konsulate oder der französischen Botschaft mit solidarischen Aktionen.

 

Weitere Informationen zur ZAD finden sich auf der offiziellen Seite zad.nadir.org

 

Außerdem eine sehr informative Broschüre zur Geschichte der ZAD, inbesondere zum abgewehrten Räumungsversuch im Oktober/November 2012 – in englischer Sprache:

https://constellations.boum.org/IMG/pdf/zad-en-a5.pdf

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Hier findet ihr die deutsche Version.

 

https://linksunten.indymedia.org/de/node/187378

Hier findet ihr Broschüren auf deutsch, in denen Gespräche mit Menschen aus dem Widerstand in Notre-Dame-de-Landes(ZAD) und im Val di Susa(NoTAV) geführt werden. Es gibt mittlerweile über 12 solcher Broschüren vom mouvaise troupe auf französisch.

 

https://linksunten.indymedia.org/de/node/188246