Rechte Beamte: Polizistenpopulisten

Polizeifunktionär Wendt
Erstveröffentlicht: 
08.10.2016

Rassistische Parolen, fremdenfeindliche Aufkleber, sogar Nazi-Bilder: Immer wieder fallen Polizisten durch ihre Nähe zu Populisten auf - in Sachsen, aber auch in anderen Bundesländern. Woher kommt die Sympathie der Beamten für rechte Ideen?

 

Im Januar hielt die sächsische Polizei ein Auto an. Der Fahrer und seine Begleiter waren offenbar auf dem Weg zu einer Demonstration von Linksextremen in Leipzig.

Es war ein Routineeinsatz, von dem die Öffentlichkeit normalerweise nichts erfahren hätte. Doch wenig später machten die NPD und der Leipziger Pegida-Ableger die Kontrolle publik - inklusive Polizeiprotokoll mit den persönlichen Daten der Demonstranten. So war zu erfahren, dass Insassen des Wagens als "linksmotivierte Straftäter" bekannt seien. Auch, dass man unter anderem eine Schutzweste, Reizstoffsprühdosen, einen Schlagstock und eine Gasdruckpistole gefunden habe. Offensichtlich war das Protokoll von einem Polizeibildschirm abfotografiert und dann im Internet geteilt worden.

Wie kam das Foto in die Hände der Neonazis? Bestehen in der Polizei Verbindungen zum rechten Rand der Gesellschaft? Gibt es Wohlwollen deutscher Polizisten für Pegida, AfD & Co? Seit den Einheitsfeiern in Dresden am vorigen Montag stellen sich diese Fragen erneut. Polizisten schauten interessiert zu, wie die Spitzen des deutschen Staates ein weiteres Mal bepöbelt wurden. Ein junger Sicherheitsbeamter aus Niedersachsen wünschte den Anhängern von Pegida übers Mikrofon noch "einen erfolgreichen Tag".

Politisch ist die Polizei zur Neutralität verpflichtet. Eine Vorgabe, der sie bei Demonstrationen täglich irgendwo in Deutschland zu genügen hat; meistens ohne Beanstandungen. Doch mit dem Aufkommen neuer rechtspopulistischer Bewegungen nehmen Beschwerden zu, Beamte sympathisierten mit den Rechten.

In Dresden kommt diese Kritik sogar von ganz oben. Sachsens stellvertretender Regierungschef und Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) zweifelte bereits Anfang des Jahres an der heimischen Polizei. Er frage sich, "ob die Sympathien für Pegida und AfD innerhalb der sächsischen Polizei größer sind als im Bevölkerungsdurchschnitt".

Beispiele für diese Nähe finden sich nicht nur in Sachsen, wie eine zufällige Auswahl von Vorfällen zeigt.

So tauchte Ende 2015 in Thüringen ein Foto auf, das einen Polizeieinsatz auf der Demonstration des rechtsextremen "Bündnis Zukunft Landkreis Gotha" zeigte. Zu sehen war der Schlagstock eines Polizisten mit dem Aufkleber: "Bitte flüchten Sie weiter± Es gibt hier nichts zu wohnen± Refugees not welcome±" Andere thüringische Polizeibeamte, diesmal in Jena, ließen in ihrem Einsatzwagen demonstrativ eine Ausgabe des rechtspopulistischen, islamfeindlichen Magazins "Compact" hinter der Frontscheibe liegen³ auf dem Titelbild prangte die AfD-Vorsitzende Frauke Petry.

Im brandenburgischen Schwedt wiederum sollen zwei Beamte einer Streife gehört haben, wie junge Männer auf der Straße "Heil Hitler±" riefen. Die Personalien der Rechtsextremen wurden nicht aufgenommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen die beiden Polizisten wegen Strafvereitelung im Amt, es kam zur Anklage gegen einen der einschlägig bekannten Beamten.

In Nordrhein-Westfalen fielen Polizisten auf, als sie nach einem Brandanschlag auf ein Flüchtlingshaus in Altena bei Hagen ermittelten. Die Beamten vermochten bei den festgenommenen Tätern kein rassistisches Motiv zu erkennen, die beiden Männer hätten aus "Besorgnis" gehandelt. Opferanwälte kamen zu einem anderen Ergebnis: Sie fanden Hakenkreuz-Fotos und Hitler-Bilder auf den Handys der Beschuldigten. "Die Ermittlungsbehörden haben sich erneut als auf dem rechten Auge blind erwiesen", kritisiert der linke Landtagsabgeordnete Daniel Schwerd.

Nirgendwo jedoch polarisiert die Polizei zurzeit wie in Sachsen. Pegida-Anführer Lutz Bachmann prahlte dort mehrfach, er werde - natürlich anonym - mit internen Unterlagen der Polizei gefüttert. Vor allem dann, wenn es um kriminelle Ausländer gehe: "Gut, die richtigen Freunde und Unterstützer zu haben." Mal veröffentlicht Bachmann auf Facebook Interna aus der Polizeidirektion Dresden, mal brüstet er sich bei einem Sexualdelikt ("Tatverdächtiger kam von hinten, hat sie genommen und ins Gebüsch gezogen") damit, "immer aktuell, Faxe/Mails zu bekommen". Bei anderer Gelegenheit postet der Pegida-Gründer eine Anzeige gegen vier "Asylbegehrende", gegen die wegen Diebstahls ermittelt wird.

Die Polizei eröffnete zwar ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz. Bachmanns Quelle konnte allerdings nie identifiziert werden.

    "In humoristischer Weise den Sprachgebrauch und Alltag von Polizisten karikiert."

Frank Tempel ist selbst Polizeibeamter, inzwischen sitzt er für die Linke im Bundestag. "Die Polizei ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, auch was die Sympathien für Pegida und die AfD angeht", sagt er. "Sachsen ist ein Musterbeispiel dafür." Lange Zeit sei dort mindestens weggesehen worden. "Die Politik hat es jahrelang vorgelebt", sagt er. So habe Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident von 1990 bis 2002, einst den Satz geprägt, Sachsen sei "völlig immun" gegen rechts.

Monatelang hat Tempel früher als Polizist Straftaten durch Ausländer bearbeitet. Er kann deshalb verstehen, dass die Ermittlungsarbeit die Weltsicht eines Beamten prägen kann. "Wenn man immer nur mit kriminellen Ausländern zu tun hat, kann sich der Blick irgendwann verzerren", sagt er.

Manche Beamte meinen, ihnen drohe von Rechtsextremisten seltener Gefahr. Hans-Jürgen Lange, Präsident der Hochschule der Polizei im nordrhein-westfälischen Münster, weiß aus vielen Gesprächen, dass sie Linksextremen deutlich kritischer gegenüberstehen: "Ich höre von Polizisten, dass sie bei Autonomen immer damit rechnen müssen, mit gefährlichen Wurfgeschossen attackiert zu werden, was bei Rechten nicht der Fall ist." Das präge deren Verhalten im Einsatz.

Viele Beamte wüssten zu wenig über gesellschaftliche Phänomene, sagt Lange. So könne etwa bei der Bundespolizei, die seit über einem Jahr an der deutschen Grenze mit der Registrierung von Zuwanderern beschäftigt ist, "Unmut gegen diejenigen aufkommen, die vermeintlich die Ursache sind" - also die Flüchtlinge.

Tatsächlich gibt es bei der Bundespolizei durch alle Dienstgrade bis in die Spitze hinauf Vorbehalte gegen die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel. Viele Beamte hätten im September vergangenen Jahres lieber die Grenze zu Österreich geschlossen, als Flüchtlingen das Gepäck zum Bus zu tragen und dabei zu helfen, ihre Verteilung im Bundesgebiet zu organisieren.

 

 Den Einsatzbefehl zur Grenzschließung hatte Bundespolizeipräsident Dieter Romann im September 2015 bereits geschrieben, doch in letzter Sekunde entschied Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) dagegen.

Aber lässt sich damit erklären, dass die Aufklärungsquote von schwerer und besonders schwerer Brandstiftung laut Polizei im Jahr 2015 bei über 50 Prozent liegt - die von lebensgefährlichen Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte jedoch nicht einmal halb so hoch ist? Die SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl sieht einen "institutionellen Rassismus" in Teilen der Polizei: Die Ablehnung von Flüchtlingen sei dort "weit verbreitet".

Indizien dafür lassen sich unter anderem bei der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) finden. Deren bayerischer Landesverband brachte 2012 einen Kalender heraus. Eine Zeichnung zeigt einen festgenommenen Schwarzafrikaner in einer Polizeiwache, der "...was heiß' hie' Ve'dunklungsgefah'...?±" brüllt. Auf einem anderen Bild werden die Weisen aus dem Morgenland als hakennasige Araber dargestellt, deren Kamele in eine deutsche Grünanlage koten. Gewerkschaftschef Rainer Wendt fand nichts dabei³ im Kalender werde in "humoristischer Weise der Sprachgebrauch und Alltag von Polizisten karikiert". Die Nachfrage sei groß.

Wissenschaftler wie Martin Winter von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg haben das Phänomen schon vor Langem beschrieben. In einer Untersuchung über "Macht und Funktion der Polizei" hat sich Winter in den Neunzigerjahren mit der Zeitschrift "Polizeispiegel" beschäftigt. Dort sei bis zu den Krawallen in Rostock-Lichtenhagen 1992 das "Horrorszenario einer von Flüchtlingen überfluteten Republik an die Wand gemalt und Verständnis für Aktionen der fremdenfeindlichen Jugendlichen und die Anwohner von Ausländerheimen" geäußert worden.

Berührungsängste mit der AfD gibt es offenbar nicht mal an der Spitze der DPolG. Ihr Chef Wendt, dessen flüchtlingskritisches Buch "Deutschland in Gefahr" die Bestsellerlisten stürmte, stattete der sächsischen AfD-Fraktion im Juni sogar einen offiziellen Besuch ab.

"Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit", meldete der AfD-Abgeordnete Carsten Hütter anschließend stolz. Seine Fraktion veröffentlichte ein fröhliches Gruppenfoto mit Parteichefin Frauke Petry und Wendt. Nach dem Demo-Debakel am Tag der Deutschen Einheit zeigte sich Hütter zufrieden: "Es hat sich schon lange herumgesprochen, wie groß der Unterstützerkreis aus den Reihen der Polizei auch für unsere AfD ist."

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