Freiburger NATO-Prozess: Einstellung dank Lügen

13.04.2010: Grafiti am Freiburger Landgericht

Am Dienstag, den 13.04.2010 wurde das Strafverfahren gegen einen Linken nach etwa der Hälfte des Berufungsprozesses vor dem Landgericht Freiburg eingestellt. Der Angeklagte muss 500 Euro an Pro Asyl bezahlen. Ihm wurde vorgeworfen, auf der Make-Militarism-History-Demo am 30.03.2009 in Freiburg eine Rauchbombe geworfen zu haben.

 

Gericht und Staatsanwaltschaft wollten der Version des Belastungszeugens Daniel Schweiger vom Polizeirevier Freiburg Nord folgen, dass die Polizei im Falle einer Festnahme immer mehrfach gegencheckt, ob der/die Richtige festgenommen wird und im konkreten Fall "tausendprozentig sicher war, dass der  Angeklagte der Täter war." Um einer Bewährungsstrafe wie in der ersten Instanz zu entgehen, hat die Verteidigerin für ihren Mandanten eine Erklärung abgegeben. In dieser wurde die Tat wider besseren Wissens zugegeben.


Am 30.03.2009 demonstrierten in Freiburg knapp eine Woche vor dem 60. NATO-Gipfel in Strasbourg, Baden-Baden und Kehl über 2.000 Menschen unangemeldet und zum Teil vermummt gegen die NATO und für Versammlungsfreiheit. Die Demonstration war mit einem riesigen Polizeiaufgebot konfrontiert: 3.000 Bullen, Kontrollen mit Maschinenpistolen, drei Wasserwerfer, Räumpanzer und schweres Gerät standen bereit, um die von Freiburgs Polizeichef Amann in die Welt gesetzten und von der BILD-Zeitung kolportierte Vorahnungen von „Gewalt und Zerstörung“ zu unterbinden. Dazu kam es nicht – ganz so, wie von Seite der DemonstrantInnen im Vorfeld angekündigt.

Um das größte Polizeiaufgebot seit der Dreisameckräumung 1980 zu rechtfertigen, musste der Angeklagte herhalten. In der ersten Instanz wurde er zu einer Bewährungsstrafe von drei Monaten verurteilt, wobei strafverschärfend gewirkt haben soll, dass es in einer politisierten Stadt nötig sei "Gewaltäter abzuschrecken", da sich politische Leute nicht mehr trauen, zu demonstrieren, wenn auf Demos Gewalttaten stattfinden:"Aus generalpräventiven Gründen ist eine Freiheitsstrafe unabdingbar". Das Urteil basierte weitgehend auf der "von Belastungseifer freien Aussage des Zeugen Schweiger."

Dieser 25-jährige Polizist tat sich auch beim heutigen Berufungsprozess dadurch hervor, dass er seinen memorisierten Bericht vom 30.03.2009 nacherzählte. Um sicher zu gehen, dass er auch nichts vergessen sollte, hatte er diesen auch noch vor sich auf dem Tisch liegen. Ihm sei der Angeklagte aufgefallen, da er am Ende des schwarzen Blocks in einer hellbraunen Jacke herausstach. Weiterhin sei ihm dann ein weiß qualmendes, rundes Flugobjekt aufgefallen, wobei er nicht gesehen haben will, ob der Angeklagte dieses geworfen habe. Sicher sei er sich dennoch. Auch hat er gesehen, dass der Angeklagte zwischenzeitlich ein Skateboard getragen habe. Dieses sei durch die Reihe gewandert.

Im Anschluss wurde PHK Martin Sarau, 50  Jahre alt, ebenfalls vom Revier Nord, vernommen. Sarau berichtete, dass an der unangemeldeten Demo etwa 2000 Leute teilnahmen. Er konnte ebenfalls nicht sehen, ob der Angeklagte der Werfer des "bengalischen Feuers" war. Er habe diesen, der zum Zeitpunkt des Wurfs in der Mitte des schwarzen Blocks gelaufen sei, ab dem Wurf bis zu seiner Festnahme beobachtet. Dabei habe dieser die ganze Zeit das Skateboard getragen.

Nach diesen sich an mehreren Punkten widersprechenden Aussagen wurde ein kurze Pause anberaumt, die genutzt wurde, um durch einen Deal der erneuten Verurteilung zu entgehen. Im Tausch für ein gelogenes Geständnis und eine Zahlung von 500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung erklärten Gericht und Staatsanwaltschaft ihr Einverständnis zu einer Einstellung nach § 153 Absatz 2 Nr. 2 StPO. Dadurch war es nicht mehr nötig, die Polizeizeugen Kuhlke, Hartsch und Höfflin zu hören.

 

Schwarze Kapuzis statt hellbrauner Jacken!

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Immer wieder schockieren mich die Mißverhältnisse zwischen "Bürger" auf er einen und Staatsapparat auf der anderen Seite. Polizisten bekommen defacto Vertrauensboni, der Makel der medialen Vorverurteilung wirkt in den Köpfen der Menschen. So oft ist man mit getürkten Geständnissen besser dran, als wenn man für die Wahrheit einstehen würde. Denn am Ende heisst es Polizei lügt (bzw. übertreibt), oder du tust es. 

Politisch ist das sicher gewollt und notwendig um repressive Maßnahmen gegen bestimmte Gruppen (Demonstranten, Freiräumler, Besetzer,...) durchzusetzen und im Nachhinein zu legitimieren.

Pfui wird mir ob der Systemimmanenten Geschwüre schlecht.

wird immer wieder schlecht wenn sich Leute darüber aufregen, wie überraschend böse doch alles ist. Das Kindergartenniveau ödet doch nur noch an.