Pressemitteilung zum Auftritt von Horst Seehofer im Truderinger Festzelt am 2. Mai 2016 [München]

Die Truderinger Böllerschützen: Pyrotechnik ist kein Verbrechen!

Unter dem Motto "Horst Seehofer spricht Klartext" hat die CSU München-Ost am Montag, den 02. Mai 2016, um 19 Uhr ins Truderinger Festzelt eingeladen. Dass Klartext bei der CSU offenen Rassismus und nationalistische Hetze bedeutet, hat etwa 15 junge Leute, größtenteils selbst aus dem Münchner Osten, auf den Plan gerufen.

 

Etwa 10 Leute - frei von Lederhosen und in eher "alternativem" Outfit - betraten gegen 19:30 Uhr das Bierzelt. Da es keine Sitzplätze an den Biertischen mehr gab, stellten sie sich auf den Gang. Zu diesem Zeitpunkt hielt noch jemand anderes als Seehofer eine Begrüßungsansprache. Schon nach wenigen Sekunden wurde die Gruppe auf die andere Seite des Zeltes verwiesen, da sie dort, wo sie gestanden sind, die Sicht einiger sitzender Leute versperrten. Drüben jedoch standen sie den Bedienungen im Weg. Also gingen sie ein Stück nach hinten. Doch auch das genügte dem Festwirt nicht. Den jungen Leuten wurde unterstellt, sie blockierten Fluchtwege. Eine hanebüchene Ausrede, standen doch im ganzen Bierzelt Leute auch auf den Gängen, welche im Gegensatz zu den Seehofer-Kritiker*innen nicht nach mutmaßlichen Querulanten aussahen; an denen jedoch hat sich niemand gestört. Nachdem ein rabiater Security (zu dem kommen wir später noch) aggressiv zu schubsen begonnen hatte, gingen die jungen Leute dann freiwillig vor die Türe. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sie noch keinerlei Störungen unternommen. Der Ausschluss auf Grundlage des Hausrechtes des Zeltwirtes erfolgte also aus reiner Willkür beziehungsweise aufgrund von Unterstellungen aufgrund des Aussehens. So geht Demokratie in Bayern, im Dorf Trudering, das aus uns unerfindlichen Gründen Teil einer Millionenstadt ist.

Die Gruppe ging nun zu einem Seiteneingang, um wenigstens von draußen ihrem Ministerpräsidenten lauschen zu können. Den Securitys schmeckte das so gar nicht und so trug sich etwas zu, was in München wirklich Seltenheitswert hat: einer der etwa 10-20 Polizist*innen (es waren nur normale Leberkasblln und keine BePos eingesetzt, und vermutlich war im Vorfeld auch mit keinen Störungen gerechnet worden), vermutlich der Einsatzleiter, verteidigte das Recht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit vor dem mackerigen Türsteher. Er anerkannte zwar des Wirtes Hausrecht, wies aber darauf hin, dass vor der Tür öffentlicher Grund sei, weshalb die jungen Leute dort bleiben durften.

Von dort aus wurden Parolen gerufen, sodass irgendwann die Tür geschlossen wurde.

Die Reaktionen vorbei- und herauskommender Leute (es handelte sich auch um den Ausgang in Richtung Toiletten) waren ganz unterschiedlich. Einige fanden es schön, dass es noch junge Menschen gebe, die sich für Politik interessieren, und lobten die und dankten der Gruppe dafür. Andere ließen die Jugendlichen wissen, dass sie ebenfalls kein Verständnis für den Rausschmiss hätten. Ein alter und unter dem Einfluss der im Bierzelt in Massen konsumierten Droge Alkohol stehender Sack beschimpfte sie als "Arschlöcher" und "G'schwerl" und wäre ohne das beherzte Eingreifen eines Polizisten auch handgreiflich geworden. Der zuvor erwähnte Security unterstellte allen, arbeitslos zu sein, weil man mit deren Aussehen ja nie 'nen Job finden würde. Er habe selbst einen Migrationshintergrund, liebe aber dieses Land, weshalb er gerne Seehofers Veranstaltung schütze. Er finde die Protestierenden "einfach dumm", und wenn sie politisch was machen wollen, können sie ja einfach wählen gehen: das ist Demokratie; aber öffentliche Demonstrationen und Protest anscheinend nicht.

Ein CSU-Fan störte sich an einer englischen Parole (die nebst jeder Menge deutschsprachiger und bairischer Sprüche ["Wem sei Bierzelt - unsa Bierzelt!"] skandiert worden war), da man ja schließlich in Deutschland sei.
Wenn den jungen Leuten (von denen die meisten erwerbstätig und/oder studierend sind und teilweise zu einer Uhrzeit noch malocht haben, zu der sich der Truderinger Dorfpöbel schon im Bierzelt die Birne zugesoffen hat - was aber eh irrelevant ist) nicht gerade Erwerbslosigkeit und "Asozialität" unterstellt worden sind, war eine beliebte Frage, ob die Protestierenden denn dann auch "die Flüchtlinge finanzieren" würden. Ganz so, als wären Geflüchtete keine erwachsenen Menschen, die sich selbst um sich kümmern können, sondern als müsste man sie wie kleine Kinder oder [in Gefangenschaft lebende] Tiere behandeln und umsorgen.

Einige der Bierzeltbesucher*innen waren immerhin auch nach dem Auftritt des Ministerpräsidenten noch in der Lage, auf einem zivilisierten Niveau und in angenehmer Lautstärke zu diskutieren, andere mussten von der anwesenden und zwischenzeitlich verstärkten Polizei zurückgehalten werden. Eine Crazy Combination bot sich durch zwei Freunde, beide etwa Mitte 20: der eine gab an, dass er Jude sei (warum auch immer er das für erwähnenswert hielt...), der andere prahlte mit seiner Kette von "Thors Hammer" und gab sich recht offensichtlich als Faschist zu erkennen, während er seine Dummheit zur Schau stellte und den Protestierenden unterstellte, dass alle dumm und arbeitslos seien, am Flaucher abhängen würden und Drogen wie LSD und Heroin konsumieren würden. Von den nüchternen Jugendlichen nach seinem eigenen Drogenkonsum gefragt, gab er an "nichts, also zwei Maß Bier" getrunken zu haben.

Der bürgernahe Horst Seehofer schüttelte auf dem Weg vom Bierzelt zum Auto noch Hände und winkte in päpstlicher Manier seinem treu untergebenen Volk. Ob er den Gegenprotest, der zwischenzeitlich auf eine Wiese hat ausweichen müssen, damit der Kini zum Auto gehn konnte, überhaupt wahrgenommen hat, ist nicht bekannt.

Der Protest war wichtig und es war schön, dass sich wenigstens manche Bürgerinnen und Bürger auf faire Diskussionen eingelassen haben oder den jungen Leuten sogar ihre Solidarität bekundet oder gar ihr politisches Engagement gelobt haben. Gleichzeitig wurde den Protestierenden allerdings vor Augen geführt, dass "auch" der konservative Großstadt-Dorfpöbel eine ernsthafte Gefahr für die körperliche Unversehrtheit darstellen kann, wie man es sonst eher von "richtigen" Faschist*innen gewöhnt ist. Und es hat sich auch gezeigt, dass normale Streifenpolizist*innen besser in der Lage sind, zwischen Linken und Rechten zu deeskalieren, als es bei jedem anderen Anlass der Fall ist, wo BePos und USK meist eskalative Einsätze an den Tag legen.

Nachdem die Gruppe etwas schief "Refugees are welcome here" gesungen hat, wurde sie vom Leiter der Kirchenchors zur Probe eingeladen. Weil sie ja sonst eh nix zum tun haben.

Da die Medien wie Süddeutsche Zeitung und Bayerischer Rundfunk lediglich über Seehofers vermeintliche Bekanntgabe über seine Nachfolge beziehungsweise die Posse der Bildzeitung und über den Bau der dritten Startbahn am Flughafen berichten[1][2], sehen wir uns in der Pflicht, auch auf den kleinen, aber wirkungsvollen Gegenprotest bei dieser ansonsten unspektakulären Provinzveranstaltung hinzuweisen.
Ob mit Krawatte oder in Springerstiefeln: Rassist*innen überall demaskieren und stören!

Auf dem Bild seht ihr die Truderinger Böllerschützen, die den Ministerpräsidenten mit Böllern empfangen haben.


[1] http://www.sueddeutsche.de/bayern/csu-seehofer-stolpert-ueber-den-doppel...

[2] http://www.br.de/nachrichten/oberbayern/seehofer-fruehlingsfest-truderin...

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Danke, das ihr da wart und wenigstens etwas Gegenprotest auf die Straße bzw. vor das Bierzelt getragen habt. 

Wir waren durch Pegida gebunden, vielen Dank und Vergelt's Gott!

", vermutlich der Einsatzleiter, verteidigte das Recht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit vor dem mackerigen Türsteher." So wie ich die bayrische Polizei kenne, wurde er danach zum Aktenschleppen versetzt...