Antikapitalismus als (antisemitisches) Ressentiment
Vortrag und Diskussion mit Andreas Peham
Die in den 1990er Jahren wieder aufkommende Debatte um einen
Antisemitismus in der Linken oder gar einen linken Antisemitismus hatte
ihren Ausgangspunkt neben der antizionistischen Feindschaft gegen Israel
in als (zumindest strukturell) antisemitisch kritisierten
Artikulationen der globalisierungskritischen Bewegungen. Das Schlagwort
vom „verkürzten Antikapitalismus“ machte die Runde – so, als ob aus
Falschem etwas Wahres hervorkommen könne. Dieser zumeist moralisierende
Antikapitalismus ist darum mit dem Adjektiv „fetischistisch“ besser
beschrieben: Er verharrt an der Oberfläche und nimmt den
Schein der Verhältnisse für ihr Wesen. Damit reproduziert er die
Verwandlung von Gesellschaftlichem in Sachliches und Natürliches,
welches dann mittels Personalisierungen weiter konkretisiert wird. Aus
dem Kapitalismus als soziale Struktur wird der Ausfluss des
(verkommenen) Treibens von „Kapitalisten“, aus diesen im nächsten
Schritt finstere „Hintermänner“, die sich im Geheimen verabreden. Der
Verschwörungsmythos markiert den Übergang vom strukturellen zum offenen
Antisemitismus.
Antisemitismus bedeutet auch und vor allem,
Juden und Jüdinnen – seit dem ihnen unterstellten Gottesmord als
allmächtig und die prototypischen „Verschwörer“ phantasiert – für
unpersönliche und undurchschaute gesellschaftliche Herrschaft persönlich
haftbar zu machen. So überrascht es wenig, den Ursprungsort des
modernen (politischen) Antisemitismus in der Linken zu finden. Diese
vermochte anfangs nicht, hinter den Schein der Verhältnisse, die
Zirkulation, zu schauen und setzte diese mit „Judentum“ gleich. Weil
dieser Gründungsmakel gerne verdrängt wird, sollen seine fatalen
Wirkungen ausgehend von den Marxschen Überlegungen „Zur Judenfrage“
(1843) nachgezeichnet und diskutiert werden.
Andreas Peham ist
Mitarbeiter im DÖW (Doukumentationsarchiv des österreichischen
Widerstandes) und Autor von mehreren Büchern und Publikationen. Gerade
schreibt er für theorie.org eine Einführung in die Kritik des Antisemitismus.
Das Antifa-Café findet jeden dritten Dienstag des Monats ab 19:00 in den Räumen der Wipplingerstraße 23 statt. In der Regel wird es mit Vorträgen, Mobi- und Diskussionsveranstaltungen bespielt, außerdem gibt es Film- und Buchvorstellungen. Es soll Raum geschaffen werden sich zu informieren, sich auszutauschen und zu vernetzen. Wir versuchen an jedem Abend vegane Speisen zu freien Preisen anzubieten, kühle Getränke gibt es garantiert. Es versteht sich von selbst, dass es im Café keinen Platz für Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, Nazis, Homophobie und andere Widerwärtigkeiten gibt! Für eine starke, antifaschistische Linke! Bis zum nächsten Dienstag!
Verkürzte Verkürzungskritik
Ich würde Marx recht geben wenn er sagt, Kapitalismus sei
1. die Herrschaft der Produkte über den Menschen (Konkurrenz, Kapitalverhältnis)
2. die Herrschaft von Menschen über Menschen (der Kapitalisten über die Proletarier).
Es ist eine Verkürzung den Kaptialismus als bloße Herrschaft der Kapitalisten über die Proletarier darzustellen, ABER auch die Umkehrung ist eine Verkürzung:
Die meisten Kritiker der verkürzten Kapitalismuskritik verkürzen ihre Kritik selbst und stellen die Verhältnisse so dar, als sei es eine bloße Struktur, eine pure Logik und keine Menschen mehr, die herrschten. In ihrer Weltsicht ist auch der Kaptialist vom Hungertod bedroht, wenn er von der Durchführung der kapitalistischen Logik zurückschreckt, als seien alle Menschen, egal wie mächtig, nur Marionetten des abstrakten Kapitalverhältnisses.
Dieser Struktur-Marxismus, der auf Althusser zurückgeht und in der der darauf basierenden neuen Marxlektüre und der damit verwandten antideutschen Strömung beliebt ist, ist ebenso verkürzt, nur zum anderen Ende hin. Und zwar zu einem Ende hin, welches den anfänglichen Widerstand gegen das Kapital als antisemitisch denunziert und damit die herrschenden Verhältnisse schützt....