Benjamin Brinsa: Porträt eines Leipziger Neonazis

Benjamin Brinsa, hier in den Geschäftsräumen des Sicherheitsunternehmens „Black Rainbow“

„I am not a neo-Nazi, never have been, never will be.“ Das hat Benjamin Brinsa vor drei Jahren geschrieben. Damals hatte der kommerzielle Verband Ultimate Fighting Championship (UFC) den inzwischen 26-Jährigen Freefighter unter Vertrag genommen. Dem Leipziger stand eine steile Profikarriere bevor, doch sie scheiterte nach kaum zwei Monaten.

 

Dem „Hooligan“, so auch sein Kampfname, fielen in den USA seine politischen Ambitionen hierzulande auf die Füße, der Verband stieg aus dem Vertrag wieder aus. Vorher war Brinsa auch in Deutschland von MMA-Veranstaltungen gestrichen worden. Er witterte eine bösartige Kampagne und blieb trotzig dabei: „I am a completely non-political person.“ Das war die größtmögliche Lüge.

 

In Wirklichkeit ist Brinsa bereits seit gut einem Jahrzehnt in der Neonaziszene aktiv. Fotos zeigen ihn als Teilnehmer eines Naziaufmarsches am 3. Oktober 2006 in Leipzig, angemeldet von Christian Worch. Seine Anschrift hatte Brinsa zeitweise in die Odermannstraße 8 in Leipzig-Lindenau verlegt, das war jahrelang die Adresse des örtlichen NPD-Büros. Zudem war er Mitgründer und wohl auch bekanntestes Mitglied der Lok-Hooligangruppe „Scenario“, in der von Anbeginn Neonazis mitmischten. Auch das, was Brinsa als rein sportliches Interesse verkaufen will, war niemals unpolitisch: Die einst in Wurzen und Leipzig aktive Nazigruppe „Aryan Brotherhood“, die auf Fotos vermummt mit Pumpguns posierte, feierte seine frühen Kampferfolge ausgiebig und nannte ihn „unseren Juniorstar“. Als er 2011 in Köthen beim „Pride and Glory“-Turnier antrat, bewarben Kameradschafter aus Leipzig das Event mit Hinweis auf die „Aktivisten aus Leipzig“, die im Ring stehen werden.

 

Der Junior von einst ist heute einer der einflussreichsten und am besten vernetzten Neonazis im Raum Leipzig. Seine politischen und sportlichen Ambitionen sind so wenig zu trennen wie damals, vermutlich verdient er heute sehr gut daran. Und unpolitisch geworden ist er keineswegs, auch wenn er nach wie vor versucht, Details zu verbergen.

 

Brinsa bei einem Neonaziaufmarsch 2006 in Leipzig
(Brinsa bei einem Neonaziaufmarsch 2006 in Leipzig)

 

Anfang 2007 etwa wurde er, mit einer Sturmhaube vermummt, für ein Fernsehmagazin interviewt. Er rechtfertigte darin „Juden“-Rufe und, wie der Beitrag treffend zusammenfasste, das Vorgehen rechter Hooligans „gegen Juden, Farbige und Ausländer“. Im Jahr darauf entstand ein Foto, das Brinsa hinter einem Transparent mit der Aufschrift „Ultras LOK – Nationaler Widerstand“ zeigt. Die Schrift war teils in den Farben Schwarz, Weiß und Rot abgesetzt. Im Hintergrund gemalt: ein stilisierter Mann mit Baseballkeule. Tatsächlich war Brinsa auch selbst mehrfach beteiligt an gewaltsamen Übergriffen auf gegnerische Fans des FC Sachsen Leipzig und später der BSG Chemie. Wo er ein Hallenfußball-Turnier besuchte, so geschehen Anfang 2009 in Grimma, ging es ebenfalls nur am Rande um den Sport. Veranstalter wie Teilnehmer entpuppten sich ausnahmslos als Anhänger der rechten Szene.

 

Ein schlechter Tarnversuch war zur gleichen Zeit die Gründung eines eigenen Boxvereins. Dessen Name „Vorwärts“ war von einem anderen, nicht-rechten Verein entliehen, zu den Initiatoren zählten neben Brinsa allerdings etliche weitere Neonazis. Hierunter welche, die zum Firmennetzwerk um „Front Records“-Gründer Thomas Persdorf (Wurzen/Schildau) zählen. Dazu Mitglieder der berüchtigten „Terrorcrew Muldental“ sowie Mittäter beim Naziüberfall auf Fans und Spieler des Roten Stern Leipzig 2009 in Brandis. Und schließlich der Nazischläger Thomas Kuhbach, zuletzt aufgefallen als Beteiligter an dem Überfall in Leipzig-Connewitz am 11. Januar diesen Jahres.

 

Brinsas Plan war offenbar, seine Kampfsport-Ambitionen zu professionalisieren. Das hat, von der UFC-Episode einmal abgesehen, bislang funktioniert. Er tritt dabei nie allein auf, sondern immer in enger Zusammenarbeit mit namhaften politischen Weggefährten. Sie trainierten zeitweise gemeinsam beim „Bushido Freefight Team“, zogen dann den „Boxclub Lokomotive“ hoch und firmieren heute als „Imperium Fight Team“. Fast alle Beteiligten rings um Brinsa gehören zum Kern der Scenario-Gruppe, die sich inzwischen aufgelöst hat. Zumindest offiziell.


 Brinsa mit Gesinnungsgenosse und Geschäftspartner Thomas Persdorf am 21. November 2015 am Rande eines Fußballspiels in Schildau, im Hintergrund Matthias Möbius (ehem. NPD-Stadtrat Wurzen)
(Brinsa mit Gesinnungsgenosse und Geschäftspartner Thomas Persdorf am 21. November 2015 am Rande eines Fußballspiels in Schildau)

 

Denn der weitgehend gleiche Personenkreis steht auch hinter eine Reihe von Freefight-Veranstaltungen, die 2012 und 2013 zunächst unter dem Namen „Sachsen kämpft“ begonnen wurden und die seit 2014 als „Imperium Fighting Championship“ weitergeführt werden. Zuschauer wie Teilnehmer entstammen von Anbeginn mehrheitliche der rechten Szene. Brinsa übernahm in dem Veranstaltungsbetrieb eine Doppelrolle: mal als Teilnehmer, zunehmend aber als Mitorganisator. Die inzwischen vierte Auflage des „Imperium Fighting Championship“ war für den 26. März im Leipziger Evenpalast geplant. Von der Professionalisierung profitieren Unterstützer, die teils wieder dem Firmennetzwerk um Persdorf zuzurechnen sind. Sie treten auch als Sponsoren Brinsas in Erscheinung, so etwa das Label „Staffbull Department“. Mit „Staffbull“ stieg Brinsa immer wieder in den Ring, sei es Ende 2012 in Abu Dhabi, im Jahr darauf in Moskau oder auch bei der „La Familia Fight Night“ in Halle. Die Marke widmete ihm gar ein eigenes T-Shirt.

 

Diese Verbindungen sind kein Zufall. Vielmehr gehört Brinsa längst selbst zu dem geschäftstüchtigen, weit verzweigten Wirtschaftskreislauf, das sich seit Anfang der 2000er rund um den Neonazivertrieb „Front Records“ entsponnen hat. So wurde Brinsa im Jahr 2010 gemeinsam mit Persdorf Geschäftsführer der (mittlerweile insolventen) Firma A&B Service UG. Diese Firma tauchte zugleich im Impressum der martialischen Website der „Aryan Brotherhood“ auf. Dort wurden Sicherheitsdienstleistungen angeboten. In genau dem Milieu verkehrt Brinsa bis heute. Bilder aus dem Jahr 2013 zeigen ihn als Gast der „Black Rainbow“-Weihnachtsfeier, Seite an Seite mit dem ehemaligen Lok-Präsident Steffen Kubald. Zu den weiteren Aufgaben der A&B-Firma gehörte außerdem, auch ganz auf Brinsas Schiene, das Sportmanagement.


 Brinsa und Persdorf am 20. April 2015 im Legida-Demonstrationszug
(Brinsa und Persdorf am 20. April 2015 im Legida-Demonstrationszug)

 

Weitere Standbeine kamen hinzu. Ende 2013 eröffnete er in Wurzen das Ladengeschäft „Streetwar“, gleichzeitig der Name einer Klamottenmarke. Zum Ladensortiment gehörten weitere Marken aus dem Persdorf-Geflecht und natürlich auch „Staffbull Department“. Angesiedelt war der Laden am langjährigen Geschäftssitz von „Front Records“. Für die Registrierung der zugehörigen Website nutzte Brinsa, wenig kreativ, ganz einfach die E-Mail-Adresse von „Scenario“. Inzwischen will er die Marke abgegeben haben, Online-Nachfolger wurde der weiterhin im Persdorf-Umfeld angesiedelte „Patriotenversand“. Zu den Bestsellern, die im Sortiment verblieben, gehören „Lügenpresse“-T-Shirts. Sie werden inzwischen auch angeboten von einem neuen Vertrieb namens „Edler Stoff“. Dahinter steht der Legida-Anmelder Markus Johnke aus Wurzen, der mit Persdorf befreundet ist. Das „Edler Stoff“-Sortiment ist auch sonst teilidentisch mit den Front-Records-Waren, nur etwas teurer.

 

Brinsa tauchte inzwischen selbst bei Legida auf, so etwa am 20. April 2015, und zwar gemeinsam mit Persdorf. Ein vielleicht nicht ganz zufälliger Ausflug: So kamen frühe Legida-Unterstützer von der Security-Firma „Pro GSL“. Und während mehrerer Legida-Demonstrationen sammelten sich Hooligans aus der Lok-Szene am Rotlichtladen „Metropolis“ und der „Haifischbar“. Die ersten beiden Gewerbe sind zugleich Sponsoren der kommenden „Imperium“-Fight-Night, Tickets dafür gibt es in der „Haifischbar“ zu kaufen. Das alles sind sehr auffällige Bezüge einer angeblich komplett unpolitischen Person.


 Brinsa, rechts im Bild, bei einer Schießübung
(Brinsa, rechts im Bild, bei einer Schießübung)

 

Auch am 11. Januar, dem Tag des „Legida-Jubiläums“, trat Brinsa in Erscheinung. Er beteiligte sich nicht an der Demonstration in der City. Er auch war nicht unter den Neonazis, die zeitgleich bewaffnet in Connewitz randalierten und die danach – inklusive Brinsas Kumpel Thomas Kuhbach – von der Polizei festgesetzt wurden. Stattdessen kurvte Brinsa unmittelbar nach dem Vorfall in einem Auto durch den Leipziger Süden. Offenbar in der Annahme, herumirrenden Kameraden helfen zu können, hielt er wiederholt an und fragte dunkel gekleidete Menschen, ob er sie aus dem Gebiet herauschauffieren dürfe. Dafür gibt es mehrere Zeugen. Brinsa selbst bestreitet das. Fest steht, dass unter den Angreifern rund 40 Personen aus dem Lok-Umfeld stammen, allein ein halbes Dutzend gehört zu „Scenario“. Das sind ohne Zweifel Brinsas Leute.

 

In einem neuen Statement spricht er von „persönlichen Neidern“, die keine „Eier haben“ und ihn bloß denunzieren wollen. Von den Vorgängen in Connewitz distanziert er sich aber nicht: „Gewalt erzeugt immer Gegengewalt“, schreibt er und sagt, Linke müssten „mit dem Echo leben“. Sein kruder Eintrag, falls er ihn denn selbst verfasst hat, endet mit den erstaunlichen Worten „Keine Gewalt und Sport frei! Kein Rassismus!“ Daran ist, schon wieder, alles geschwindelt. Brinsa, der auf einmal gegen Gewalt ist, posiert zugleich mit Waffen im Internet. Mal mit der Pistole auf einem Schießstand, mal mit dem Schnellfeuergewehr im Wald. Das ist keiner, der geläutert wäre. Das ist einer, der sich weiter radikalisiert.

 

 Brinsa mit größerem Kaliber
(Brinsa mit größerem Kaliber)

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Hab gehört der Herr Brinsa war auch am 10.Mai 2014 bei den Überfällen von LOK-Faschos auf Handball- und Chemiefans beteiligt. Dort gab er wohl aber eher eine schlechte Figur ab.