Mannheimer Ostermaschierer fordern Herausgabe: Die Coleman-Barracks friedlich nutzen

Frieden schaffen

Von Tom Guerrero – Mannheim. Wie vielerorts im Bundesgebiet gab es am Samstag, 26. März, in Mannheim einen Ostermarsch. In seinem Mittelpunkt stand die Forderung, die Coleman-Barracks nicht länger militärisch zu nutzen. Eingeladen hatten das Friedensplenum Mannheim und die Deutsche Friedensgesellschaft. Nach übereinstimmenden Angaben von Polizei und SWR-Fernsehen nahmen rund 150 Menschen teil.

 

Vertreter des Veranstalters und Redner zahlreicher anderer Organisationen füllten das Programm der rund zweistündigen Kundgebung an einem denkwürdigen Ort vor den Coleman-Barracks. Untermalt wurde das Ereignis durch Liedbeiträge eines gemischten Gewerkschaftschors. Den Abschluss bildete ein Marsch um das 210 Hektar große Areal der Coleman-Barracks in Mannheim-Sandhofen.

 

Die Coleman Barracks haben eine unrühmliche Geschichte


In den späten 1930er Jahren von den Nationalsozialisten als Fliegerhorst Sandhofen erbaut, diente der Stützpunkt als Elite-Fliegerschule. Ab 1945 wurde das Gelände unter der Bezeichnung Y79 von der U.S. Airforce übernommen, wiederaufgebaut und als zentrales Flugfeld für militärische Zwecke genutzt. Coleman-Barracks lautete fortan die Bezeichnung der Kaserne, die in den folgenden Jahrzehnten auch von der U.S. Infanterie verwendet wurde.

Mehrere tausend Armeeangehörige und ihre Familien lebten und arbeiteten dort bis in die 1990er Jahre. In den 80ern des letzten Jahrhunderts verzeichnete man auf Coleman die meisten militärischen Flugbewegungen ganz Europas. Im Gegensatz zu allen anderen U.S. Kasernen in und um Mannheim wurde dieser Standort aus den Konversionsplänen seitens der U.S. Militärs herausgelöst und nicht an den Bund übergeben. Schwer nachzuvollziehen die Beweggründe der beiden Bürgermeister aus Mannheim und Heidelberg, weshalb diese persönlich beim Pentagon vorsprachen und um die militärische Weiterverwendung von Coleman geworben haben.

 

Coleman darf nicht zur Drehscheibe werden


Dennoch wurde es vorübergehend still auf Coleman, abgesehen vom Betrieb einer modernen Radaranlage. Spätestens Ende 2014/Anfang 2015 kam wieder Leben auf in der Kaserne. Militärische Güter in großer Zahl wurden angeliefert und dort stationiert, inklusive dem notwendigen Personal. Derzeit spricht man von weit über 1250 unterschiedlichen Panzern, Militärfahrzeugen und auch Helikoptern.

Teile davon wurden auch bereits wieder verladen und in Ganzzügen abtransportiert. Das Ziel könnte die Ukraine gewesen sein. Größere Teile der Bevölkerung in Mannheim und im angrenzenden Rheinland-Pfalz (Ludwigshafen/Rhein, Rhein-Pfalz-Kreis) sind mit der aktuellen Nutzung der Kaserne nicht einverstanden. Sie protestieren nicht erst jetzt dagegen, dass Coleman dauerhaft zur Drehscheibe für möglicherweise neue kriegerische Konflikte in Zentraleuropa wird.

 

Die Fluchtursachen bekämpfen

Hedi Sauer-Gürth vom Friedensplenum Mannheim hob bei der Kundgebung hervor, dass nur gleichberechtigte Partner Frieden schaffen und erhalten können. Rache und Vergeltung unter Einsatz von Waffen nach dem Prinzip „Blut soll mit Blut ausgewaschen werden“ seien keine Lösung.

Sie beklagte auch, dass bestimmte Gruppierungen Anschläge auf Flüchtende und Flüchtlingsunterkünfte damit zu rechtfertigen suchten, dass sie auf Terroranschläge etwa in Paris oder Brüssel verwiesen. Sauer-Gürth warb auch für eine aktive Friedenspolitik mit dem Partner Russland.

 

Flüchtlingsdrama in Idomeni rasch und human lösen


Die Sprecherin der VVN-BdA Mannheim Elke Kammigan erzählte zunächst ihre Lebensgeschichte. Sie musste als kleines Mädchen aus dem zerbombten Hamburg fliehen und wurde in einem kleinen Dorf im Nordschwarzwald heimisch. Der Vater – als nicht „kriegstauglich“ eingestuft, da er der NSDAP-Ideologie nicht folgte – sorgte bei Kriegsende zusammen mit dem Pfarrer dafür dass im Dorf weiße Fahnen gehisst wurden, um den „Befreiern“ zu signalisieren, dass hier keine Nazis leben, obschon in den umliegenden Wäldern noch SS-Einheiten stationiert waren.

Kammigan ist eine Zeitzeugin der Ostermarsch-Bewegung. Sie hat am ersten Marsch 1962 von Freiburg nach Basel teilgenommen, war am 11. Mai 1952 in Essen dabei, als der Demonstrant Philipp Müller – angeblich in Notwehr – von der Polizei erschossen wurde. Sie hat auch die erste Stockholmer Erklärung mitunterzeichnet.

Sie appellierte beeindruckend, das Flüchtlingsdrama in Idomeni rasch und human zu lösen, die Bekämpfung der Fluchtursachen ernst zu nehmen, sich gegen den Krieg gegen die Kurden in der Türkei einzusetzen und dafür, dass die Menschen hierzulande sich weiterhin in der Flüchtlingshilfe engagieren. Eine klare Absage erteilte Kammigan der weiteren Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO. Sie forderte, die Coleman-Barracks umgehend zur zivilen Nutzung frei zu geben.

 

Viele Arbeitnehmer fühlen sich verunsichert

Lars-Christian Treusch, Regionsgeschäftsführer des DGB-Nordbaden, stellte in seiner Ansprache fest, dass es Risse im Fundament der Gesellschaft gibt. Arbeitnehmer an der Basis seien verunsichert und besorgt, was die eigene wirtschaftliche Zukunft und Lebensperspektive angeht. Dies auch in Anbetracht des drohenden Arbeitsplatzverlustes am Beispiel Mannheim: XXXL Mann Mobilia, Alstom und viele mehr.

Rechtsextreme politische Kräfte versuchten, auch daraus Kapital zu schlagen, um die eingetretene Spaltung der Bevölkerung weiter zu forcieren. Treusch prangerte das verfehlte Geschäftsmodell der deutschen Rüstungsunternehmen an. Diese missbrauchten ihre zumeist pazifistisch eingestellten Arbeitnehmer für die Herstellung von Kriegswaffen.

Empört zeigte sich der Redner über die unfaire und ungleiche Verteilung von Reichtum und finanziellen Ressourcen. Zahlreiche Wohlhabende würden auf unethische Weise noch reicher – doch wo bleibe der Rest der Bevölkerung? Auch Treusch sprach sich klar dafür aus, dass Coleman nicht weiter militärisch zu nutzen.

 

EU-Deal mit Erdogan verschlimmert Lage der Kurden

Alev Bahadir von der DIDF-Jugend Mannheim berichtete über Attentate gegen Kurden in der Türkei und ihre willkürliche Bekämpfung. Sie sparte nicht an Kritik am Erdogan-Regime. Es führe Krieg gegen die kurdische Bevölkerung, lasse Städte zerstören, Menschen töten und vertreiben.

Das brutale Vorgehen etwa gegen Einrichtungen der im türkischen Parlament vertretenen HDP verglich sie mit den Novemberpogromen 1938 in Deutschland. Die Resultate des EU-Türkei-Gipfels am 17./18. März 2016 bezeichnete Bahadir mit drastischen Worten als illegalen Menschenhandel, der die innertürkischen Konflikte noch weiter verschärfen wird.

 

Krieg schafft immer nur neuen Krieg


Jacqueline Andres von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) kritisierte in ihrer emotional wortgewaltigen Rede sämtliche deutsche Militäreinsätze im Ausland. Die Bundeswehr als Verteidigungskraft sei zu einer Interventionsstreitkraft mit aktuell beinahe 20 Einsatzorten, im Ausland gemacht worden.

Warum gelte Kosovo als sicherer Herkunftsstaat, wenn doch das Mandat für die Bundeswehr dort verlängert wurde? Militäreinsätze den Terror nicht, sagte Andres. Krieg sei Terror und biete daher den Nährboden für neuen Terror. Dieser Entwicklung müsse Einhalt geboten werden. Stark kritisierte die Rednerin die Politik des SPD-geführten Wirtschaftsministeriums. Exportlizenzen in Millionenhöhe für Rüstungsgüter und den Verkauf von Waffen etwa an Saudi Arabien als Unterstützer von Al Kaida und ISIS befeuere die humanitäre Katastrophe im Jemen nur zusätzlich.

Bislang etwa 6000 Tote und über 20 000 Verletzte seien das Ergebnis dieses Handelns. Andres warf Frontex und Eurosur komplettes Versagen im Mittelmeer vor. Statt Menschenleben zu retten, werde lediglich versucht, den Schleppern das Leben zu erschweren. Das Resultat seien noch mehr Ertrunkene, die an Griechenlands Küsten angespült werden. Andres sprach sich klar dafür aus, dass Fluchtursachen vor Ort gezielt und nachhaltig bekämpft werden müssen.

 

Ein Selfie für Büchel


Der Abschlussredner des Veranstalters bat um eine Solidaritätsbekundung mittels Selfie, welches online nach Büchel übermittelt werden sollte. In Büchel, einer kleinen Gemeinde in der Eifel, befindet sich ein Luftwaffenstützpunkt. Dort werden auf deutschem Boden die letzten U.S.-amerikanischen Atomsprengköpfe gelagert. Aktivisten vor Ort führen seit 20 Wochen (eine Woche pro Atomwaffe) pazifistische Aktionen durch, um gegen diese Situation zu protestieren und um mehr Öffentlichkeit zu gewinnen.​

Zahlreiche TeilnehmerInnen  machten sich nach der Kundgebung mit Fahnen und Protestplakaten auf den etwa einstündigen Marsch um das riesige Coleman-Areal.

 

Quelle, Fotos & Video: http://www.beobachternews.de/2016/04/02/die-coleman-barracks-friedlich-n...

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