Delegationsbericht aus Ahmed (Diyarbakir)

Diyarbakir

Bericht der YXK-Delegation aus Ahmed/Nordkurdistan - Die Situation in Amed ist brutal und unterdrueckend. Der Widerstand ist Leidenschaft. Wir moechten euch einen allgemeinen Ueberblick geben, wie wir die Situation und die Atmosphaere sehen.


Amed und die Umgebung ist ein schoener und lebhafter Ort. Schon vom Flugzeug aus konnten wir einen Blick auf das Umfeld erhaschen. Nachdem wir ueber schwarzbraune Berge flogen, auf deren Spitzen noch Schnee liegt, erreichten wir die Ebene um Amed. Hier sahen wir sattes gruen im Wechsel mit tiefbraunen Flaeschen. Dazwischen tauchen Steine und Felsbrocken auf, die in einer vulkanfaerbung ruhen.
Nachdem wir landeten, sammelten sich gerade tuerkische Soldaten fuer einen Einsatz und Kampfjets startetenn mit lautem donner vom selben Flughafen, um genau die Freund*innen zu toeten, die verbunden mit dieser Natur ein menschlisches Leben fuehren wollen.
In Amed selbst stehen viele Mietshochhaeuser mit vielen grossen Balkonen, die meistens um die Ecken angebaut sind. Breite offene Strassen, die auch mal ein Blick auf sattgruene Wiesen freigeben wechseln sich ab mit verwinkelten, geschuetzten Nebenstrassen. Einkaufsmeilen an der einen Ecke, Wohngebiete an der anderen Ecke. Wir fahren haeufig an Parks und ein- oder zweistoeckigen Gebaeuden vorbei, die in ihrer Quaderform Platz schaffen fuer Laeden oder Familien.

Die Menschen hier sind sehr freundlich und nah. Die Bevoelkerung ist Solidarisch und Verbunden. Sie wollen Leben. Sie wollen Menschlichkeit leben. Sie wollen eine solidarische partizipative Demokratie aufbauen, in der die Frau befreit ist.
Die Tuerkei unterdrueckt diese Bestrebung mit allen Mitteln der Repression und Gewalt. Die Menschen und Staedte hier in Kurdistan sind in Okupation.
Am ersten Tag machten wir uns einen Ueberblick zur Lage in Amed. Auf den Strassen fahren viele gepanzerte Polizeifahrzeuge, was gleich eine bedrohliche Praesenz erzeugt. Zu jeder Zeit koennen diese prolligen Fahrzeuge einen anhalten, was sie auch sehr oft tun. Bei uns bedeutet das lediglich unangenehme Situationen. Die Freund*innen vor Ort werden allerdings oft verhaftet.
Bei unserem Weg durch Amed sind wir an Baglar, dem vom tuerkischen Militaer besetzten Wohngebiet, vorbeigekommen. Hier sahen wir einen gruenen Park, der die Grenze darstellt zur Ausgangssperre. Durch die gesamte laenge des Parks sind Polizeiabsperrungen gespannt. Direkt dahinter sehen wir viele einsatzbereite Panzer auf der Strasse stehen.

Waehrend wir vorbeilaufen, sammelt sich an der Polizeiabsperrung eine kleine Menschenmenge. Sofort fahren gepanzerte Fahrzeuge heran und versuchen die Menschen zu vertreiben. Dabei laufen schwer bewaffnete Soldaten durch den Park. Der Anblick ist sehr bedrueckend. Viele Menschen wohnen in diesem Gebiet und muessen nun um ihr Leben fuerchten, weil sie erfolgreich eine wirkliche Demokratie und eine Frauenbefreiung aufbauen.
Wir versuchten daraufhin nach Sur hereinzukommen, dieser Stadtteil ist ebenfalls besetzt und von einer gewaltigen Mauer umschlossen. Alle Eingaenge sind mit Absperrungen umzaeunt, dahinter stehen gepanzerte Fahrzeuge und Wasserwerfer. Unsere Gruppe versuchte zwei mal hereinzukommen. An beiden stellen wurden wir von aggresiven Polizisten abgehalten, die in Zivil gekleidet waren, mit Schutzweste, Sturmhaube und Ak-47 im Anschlag.
Am Abend wurde ich – Schreiber* dieses Textes – zu einem Schlafplatz gefahren. Wir sind dabei an einem Viertel schicker Haeuser vorbeigekommen. Dieser Bereich ist mit meterhohen Metallplatten ummantelt, ueberall haengen grosse tuerkische Fahnen. Die Freunde sagten mir, hier wohnen die Angehoerigen der Polizei und des Militaers. Diese fuehren hier ein sicheres, geschuetztes Leben, getrennt von der Bevoelkerung. Dies zeigt so deutlich, dass der tuerkische Staat Kurdistan besetzt haelt und mit dem jetzigen Krieg zerstoeren will.

Waehrend der naechsten Tage hoeren wir immer wieder Schuesse durch die Stadt hallen. Auch wenn wir unsere Treffen haben, immer wieder Schuesse und Kampfjets, die ueber die Stadt donnern und auf dem Weg sind andere Stellen zu bombadieren. Besonders Abends bei unseren Schlafplaetzen hoeren wir den tuerkischen Vernichtungskrieg. So schaltet das Militaer an einem Abend den Strom ab, kurz darauf gibt es wieder viele Schuesse in der nahen Nachbarschaft.
Die Tage um Newroz herum gibt es immer wieder kleine Feiern auf der Strasse. Ein Feuer wird entzuendet, die Menschen tanzen drumherum. Es herrscht Befreiung und Leben. Es dauert keine 20 Minuten, schon kommt ein gepanzertes Fahrzeug und schiesst ohne Vorwarnung mit Traenengas in die Menge. Der tuerkische Staat will jede kleine Freiheit im Keim ersticken.
In unserer Gruppe herrscht dauerhaft eine Anspannung wegen der staendigen Presaenz von Repression, obwohl wir im Unterschied zu den Freund*innen vor Ort sehr priviligiert sind. Wir versuchen nicht lange in einer grossen Gruppe draussen zu sein, denn so fallen wir zu sehr auf. Da ueberall Zivilpolizisten sind und mehrmals die Minute gepanzerte Fahrzeuge vorbeifahren, kann es immer passieren lange kontrolliert oder festgenommen zu werden. Was uns beides schon passiert ist – https://www.jungewelt.de/2016/03-23/005.php Selbst die Polizei traegt dabei immer AK-47 Maschinenpistolen in den Haenden.

Uns faellt auf, dass die Jugend fehlt und alle Jugendhaeuser leer sind. Wo sie sind?: Gerade die Jugend ist es, die in Sur, Cizre und ganz Kurdistan fuer Frauenbefreiung und autonome Demokratie kaempft, gegen die Okupation und den derzeitigen Faschismus des tuerkischen Staates.
Der Widerstand ist riesig. Die Menschen hier haben den Sinn erkannt, dass das wichtigste im Leben ist, die Befreiung der Frau und die Errichtung einer autonomen Demokratie voranzutreiben, in der jede*r direkt mitdiskutiert und -arbeitet und die nicht bedeutet nur ein Kreuzchen zu machen.
Die Verbundenheit und der Sinn in der Taetigkeit ist hier unter den Menschen gewaltig. Es ist faszinierend mit welcher Kraft die Menschen hier gegen die Grausamkeiten ankaempft. In Kurdistan geht es um die Verteidigung der Menschlichkeit. Auch Europa hat gerade einen Verfall der demokratischen Werte zu verzeichnen. Kurdistan ist weltweit einzigartig in ihrem konsequenten Kampf fuer Werte von wahrer Demokratie, die weit ueber die in Europa hinaus geht.

Der deutsche Staat hat gerade einen Deal mit der faschistischen Tuerkei beschlossen. Unter der jetzigen Situation begeht Merkel damit ein Kriegsverbrechen und einen Bruch mit der Menschlichkeit. Wir muessen die Wichtigkeit des Kampfes in Kurdistan wahrnehmen und gerade jetzt, in Zeiten des Demokratieverfalles weltweit, alles in unserer Kraft stehende tun.

Ein schoenes Leben muss selbst entschieden werden.

Die Solidaritaet staerkt uns gegen Unterdrueckung.

Mehr Artikel gibts auf dem Blog zur Delegation: newroz.blogsport.eu

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Ich war vor ungefähr zehn Jahren in Amed. Die Menschen, die ich dort kennen gelernt hatte, waren Revolutionäre, und solche Herzlichkeit, Hilfsbereitschaft und diese Art Gespräche waren für mich neu. Das Establishement hasst doch solche Leute, ich glaube Merkel & co kein Wort, falls sie die Menschenrechtssituation dort kritisieren.Von Erdogan und dem Pack werden sie sich auch nicht klein kriegen lassen, denn was ich mitbekommen habe, ist für sie "schlechtes Leben mehr zu fürchten als den Tod" mehr als nur ein Spruch. Und hier in Deutschland und so, na ja...(ich bin auch nicht besser). Es ist Zeit sich zu bewegen!