Von Freiburg nach Clausnitz – Parallelen im rassistischen Diskurs

Ortsschild Clausnitz

Nach Hinweisen auf eine bundesweit Schlagzeilen machende rassistische 'Tür-Politik' Freiburger Clubs, nicht abebbenden rassistischen An- und Übergriffen, nun vor wenigen Tagen im sächsischen Clausnitz der massive Polizeieinsatz um bedrohte Flüchtlinge mit Gewalt in ihre Unterkunft zu „verbringen“, sollen diese Phänomene in einem kurzen Beitrag näher beleuchtet werden.

 

Vorgeschichte/n

 

Anfang Januar 2016 machte u.a. der im südbadischen Freiburg residierende Club 'White Rabbit' bundesweit Schlagzeilen, da man sich seitens dessen BetreiberInnen dazu entschieden hatte, Flüchtlingen den Zutritt zu verweigern. Gerade weil es sich um einen emanzipatorischen Vorstellungen verpflichtet sehenden Club handelte, griff die Presse dieses Ereignis mit besonderem Nachdruck auf (https://linksunten.indymedia.org/de/node/166262). Und erst vor wenigen Tagen machte die sächsische Gemeinde Clausnitz Schlagzeilen. Ein Bus mit Flüchtlingen wurde von einem Mob 'empfangen' der fremdenfeindliche Parolen brüllte. Die verängstigten Flüchtlinge weigerten sich den Bus zu verlassen, um die ihnen eigentlich dort zugewiesene Unterkunft zu beziehen. Sodann griff die anwesende Polizei nicht etwa gegenüber den DemonstrantInnen(hart) durch, sondern es waren die Flüchtlinge, die Gewalt erfuhren: unter Anwendung „unmittelbaren Zwangs“ wurden mehrere der Flüchtlinge aus dem Bus in die Unterkunft gezerrt. Der Chemnitzer Polizeipräsident verteidigte dieses Vorgehen als rechtmäßig und wies den Flüchtlingen eine Mitschuld an der Situation zu, da aus dem Bus heraus DemonstrantInnen gefilmt worden seien; im übrigen hätten manche Flüchtlinge „beleidigende Gesten“ gegenüber den DemonstrantInnen gezeigt (https://linksunten.indymedia.org/de/node/170139).

 

Rechtliche Aspekte

 

Das die Türpolitik des 'White Rabbit',die dort in der Zwischenzeit wieder geändert wurde (https://linksunten.indymedia.org/node/167637), aber auch andere Clubs die vergleichbar agieren, gegen das Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, insbesondere auch gegen Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz verstößt, ist evident, denn die nachteiligen Folgen werden unmittelbar angeknüpft an die Herkunft der Betroffenen.

 

Hinsichtlich der Vorfälle im sächsischen Clausnitz ist zu bemerken, dass das Filmen aus dem Bus heraus zulässig gewesen sein dürfte, schon um die Straftaten der DemonstrationsteilnehmerInnen zu dokumentieren. Was das Zeigen z.B. des 'Mittelfingers' anbelangt, dürfte, angesichts der rassistischen Anfeindungen die zuvor Anlass für diese Gesten gegeben hatten, entweder kein Staatsanwalt Anklage erheben, falls doch, würde wohl ein Gericht von § 199 Strafgesetzbuch Gebrauch machen, der bei wechselseitig begangenen Beleidigungen diese straffrei stellen kann.

 

Eher Philosophische Aspekte

 

Der seinerzeit schon über 70-jährige Immanuel Kant schrieb in seiner 1795 erschienenen Schrift 'Zum ewigen Frieden' über das elementare 'Recht eines Fremdlings (…) nicht feindselig behandelt zu werden', wenn er auf dem Boden eines anderen Staates ankomme.

 

Jene 'Fremden', für uns noch namenlos, jede und jeder mit einem schweren Schicksal beladen, scheinen für viele Menschen eine Quelle der Angst darzustellen. Und dann erzählen solche Menschen Geschichten; das Internet ist voll von 'Erzählungen' über angebliche Erlebnisse mit Flüchtlingen, angebliche Straftaten. Was sollen diese Geschichten, was ist deren Funktion? Im harmlosesten Falle vertreiben diese die Zeit und ansonsten und schwerwiegender: die Furcht (vgl. Blumenberg, 'Arbeit am Mythos' ).

 

Jedoch, Furcht vor wem, Furcht wovor? Die Urerfahrung des Menschen, seit dieser überhaupt vor Äonen ein Bewusstsein entwickelte, ist die Angst. Die Angst, eine Welt bewusst zu erleben, die man nicht versteht. Erzählungen hatten seit jeher und haben dies auch heute noch, die Funktion, das Unerklärliche zu erklären, das Unbenennbare zu benennen und handhabbar zu machen. Durch Benennung und Namhaftmachung, wird so etwas wie Ordnung im Chaos geschaffen; durch den Namen bekommt jemand eine Identität, wird in eine Gemeinschaft gestellt und ist jetzt erst wirklich (vgl. Liessmann, ' Vom Nutzen und Nachteil des Denkens für das Leben', Seite 47).

 

Hierin liegen Chance und Risiko zugleich, denn Etwas als etwas und Jemanden als jemand anzusprechen bedeutet, dieses Etwas als etwas festzulegen, obwohl es auch etwas Anderes ist, und jemanden auf eine Weise als jemanden zu identifizieren, sein Anderssein und seine Veränderbarkeit zu übersehen (vgl. Wilhelm Schmid, 'Philosophie der Lebenskunst', S.250).

 

Und genau hierin ähneln sich die Vorgänge von Freiburg im Januar 2016 und im sächsischen Clausnitz im Februar 2016!

 

Menschen werden feindselig behandelt, der Angst vor dem Unbekannten wird ein solch breiter Raum belassen, dass darin menschenfeindliche Strömungen erstarken können, die durch ihre vielfach auch völlig falschen Erzählungen den Diskurs dominieren, dabei die eigentliche Funktion von Geschichten, nämlich Angst zu mindern, pervertieren und gezielt (versuchen) Ängste zu schüren, oder zu wecken.

 

Eher politische Aspekte

 

An die dumme Stirn gehört von Rechts wegen die geballte Faust“, so schrieb es Nietzsche, und zwar, wie er meinte, als Argument. In der Tat, es gibt ein Stadium der Menschenfeindlichkeit wo alles sachliche argumentieren endet, enden muss, denn andernfalls würde man sich gemein machen mit den Menschenfeinden.

 

Die im GRÜNEN-Wohlfühlstädtchen etablierten Clubs agieren auf intellektuell etwas anspruchsvollerem Niveau, als der Mob der in Clausnitz aufmarschierte; jedoch ähneln sie sich einander mehr, als sie möglicherweise selbst vermuten oder erwarten würden.

 

Beide senden eine politische Botschaft in den Diskussions- und Diskurs-Raum; dass sie nämlich, wie die Menschen vor 500.000 Jahren lieber Mythen anhängen und an liebsten jeden Fremden erschlügen, anstatt ihn namhaft zu machen und so in die Gemeinschaft aufzunehmen.

 

Und dieser Menschenfeindlichkeit gilt es sich entgegen zu stellen.

Gestern ! Heute ! Morgen ! Immerzu !

 

Thomas Meyer-Falk

z.Zt. JVA (SV)

Hermann-Herder-Str. 8

D-79104 Freiburg

https://freedomforthomas.wordpress.com

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facebook.com/notes/deutschland-demobilisieren/pm-konsequenzen-aus-clausnitz-ziehen-freie-wohnortwahl-f%C3%BCr-gefl%C3%BCchtete-rassist_i/1013948475352060

 

PM: Konsequenzen aus Clausnitz ziehen: Freie Wohnortwahl für Geflüchtete - Rassist_innen umquartieren - Polizei zur Rechenschaft ziehen

 

Zahlreiche Medienberichte in den letzten Tagen haben deutlich gemacht: Die Geflüchteten, die in Clausnitz untergebracht wurden, haben Angst um Leib um Leben. Das ist angesichts der Bedrohung direkt bei ihrer Ankunft durch einen hasserfüllten Mob, der Amtshilfe durch die Polizei sowie der generell starken und gewalttätigen rassistischen Strukturen in der Region nur allzu verständlich. Antje Bröckling, Pressesprecherin der Gruppe deutschland demobilisieren, dazu:

"Es ist unzumutbar, Geflüchtete gegen ihren Willen in einem Drecksnest wie Clausnitz unterzubringen und sie dieser Gefahr auszusetzen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Geflüchteten unverzüglich in einen Ort ihrer Wahl umziehen können. Die entstehenden Umzugskosten sowie eine angemessene Entschädigung für die psychischen Belastungen sollen nach dem Verursacherprinzip die Clausnitzer Rassist_innen tragen."


Doch die Geflüchteten sofort in Sicherheit vor potentiellen rassistischen Attacken zu bringen, ist nur der dringlichste Schritt. Bröckling weiter:

"Der Mob - und nicht die Geflüchteten - sind das Problem. Die rassistische Meute darf nicht das Gefühl bekommen, sie hätte gesiegt. Als Konsequenz fordern wir daher die Ermittlung und Umquartierung aller Personen, die sich in den vergangenen Wochen in Clausnitz rassistisch betätigt haben, an einen abgelegenen und gut gesicherten Ort, an dem sie keine Geflüchteten mehr angreifen können."


Aber auch die Polizei steht für Bröckling in der Kritik:

"Einige der Geflüchteten wurden unter Anwendung von Gewalt und gegen ihren Willen aus dem Bus gezerrt. Wir unterstützen die von ihnen gestellte Strafanzeige gegen die Polizei sowie die von amnesty international erhobene Forderung nach einer internationalen und unabhängigen Untersuchung des Polizeieinsatzes. In diesem Einsatz und der nachträglichen Kriminalisierung der Betroffenen wurden durch die Polizei eindeutig Opfer zu Täter_innen gemacht."


Da die Diskussion in den letzten Tagen zum Teil einseitig das Problem Rassismus in Sachsen verortete, ergänzt Bröckling abschließend:

"In Sachsen ist die Dichte an Attacken auf Unterkünfte von Geflüchteten im Bundesdurchschnitt am höchsten. Schon seit Längerem befürchten wir, dass es hier zu Pogromen kommen wird – Orte wie Heidenau, Freital, Übigau, Einsiedel oder Bautzen zeigen die Dimension. Das Problem Rassismus besteht aber bundesweit, Angriffe gibt es mittlerweile in allen Regionen Deutschlands. Für uns gilt daher die Losung: Wenn Rassist_innen angreifen, muss dafür gesorgt werden, dass sie es nie wieder tun - egal ob in Clausnitz, Marzahn, Köln oder Hamburg!"