Im Vorfeld
Die Beteiligung am Aktionsbündnis gegen die Sicherheitskonferenz war schwächer als die letzten Jahre, und auch die autonome Mobilisierung wurde von wenigen Gruppen und Einzelpersonen getragen. Die Gründe sind vielfältig.
Attac zog sich nach der Kontroverse um eine Veranstaltung aus der Mobilisierung weitgehend zurück: Im vergangenen Sommer hatte Attac Siko-Chef Ischinger zu einer Podiumsdiskussion geladen, einige Autonome aus der Mobilisierung sahen darin einen Bruch des Bündniskonsens „Kein Dialog mit Kriegstreibern“ und hinderten ihn am Reden (Stellungnahme dazu).
Trotz der daraus resultierenden Spannungen war die Zusammenarbeit im Bündnis konstruktiv und solidarisch – ein Ergebnis der langjährigen gemeinsamen Mobilisierungen. Allerdings beteiligten sich kaum „neue“ Leute an der Bündnisarbeit. Viele gerade jüngere Genoss_innen sehen die Siko als das Thema einiger „Spezialist_innen“ an und machen die Mobilisierung nicht zu ihrem Projekt. Darüberhinaus sind die Kapazitäten der Münchner Linken begrenzt und größere Events im Vorfeld wie die Aktionen gegen den Naziaufmarsch am 14.11. banden Kräfte, deren Fehlen in der Siko-Mobilisierung spürbar waren.
Andere Probleme lagen nicht in der Hand der Münchner Linken. Die Mobilisierung gegen den Naziaufmarsch in Dresden am 13.2., der grösste in Europa, entwickelte zuletzt eine grosse Schubkraft. Als Linksradikale sehen wir gerne, wie eine antifaschistische Mobilisierung an Fahrt gewinnt. Lokal stellte uns Dresden aber vor das Problem, dass bundesweit viele Städtezusammenhänge, die sonst Busse nach München gestellt hatten, sich auf Dresden konzentrierten. Es war schnell absehbar, dass weit weniger von außerhalb anreisende Genoss_innen als in den Vorjahren mit uns gegen Krieg und Kapitalismus demonstrieren würden.
Kurz vor der Siko waren wir noch mit einer selten schlechten Presse konfrontiert. Die PR-Strategie Ischingers ging voll auf: Mit Ischingers „Dialogbereitschaft“ und – so behauptete die Süddeutsche Zeitung - dem Ende des Irakkriegs und der letzten Phase des Krieges in Afghanistan gäbe es doch eigentlich keinen Anlass mehr für Proteste, die nichts als leere Rituale seien. Dass mit Stephan Cornelius jener SZ-Redakteur den Artikel verfasste, der tags bei der „Sicherheitskonferenz“ moderierte, ist eine interessante Fußnote, die darauf verweist, wieviel Meinungspluralismus sich ein kriegsführendes Deutschland leistet.
Trotz dieser Probleme versuchten die linken Kräfte gemeinsam, mit der Mobilisierung präsent zu sein. Einen neuen Akzent setzte dabei die Aktion „Nicht in unserem Namen“, mit der auf den – nach Jahren wieder stattfindenden – Rathausempfang für die Siko-Teilnehmer_innen reagiert wurde.
Das Wochenende
Der Rathausempfang stand im Fokus der Freitagsaktion: Mit einem antimilitaristischem Konzert wurde versucht, die Gäste aus Militär und Wirtschaft zu stören. Etwa 200 Leute beteiligten sich an dieser Aktion, der es an Power fehlte.
Etwas später gab es noch eine Kundgebung gegen das Diner im Feinkost-Käfer, zu dem der Anwalt Seyboldt alljährlich ausgewählte Konferenzteilnehmer_innen einlädt. In unseren Augen eine gute Idee; weil aber nur sehr kurzfristig, schwach und völlig vom Aktionsbündnis entkoppelt mobilisiert wurde, fanden sich bloß etwa ein Dutzend Leute ein.
An der Großdemo am Samstag beteiligten sich 2200 bis 3000 Leute. Für eine klar links geprägte Antikriegsdemo eine respektable Grösse, gleichzeitig waren es aber deutlich weniger Menschen als in den Vorjahren (2009: 5000). Bei schlechtem Wetter startete die Auftaktkundgebung mit starker Verspätung und zog sich eine ganze Weile hin. Wir vermissten motivierende Redebeiträge mit einer radikalen Ausrichtung, die eine gute Einstimmung auf die Demo gewesen wären.
Schließlich formierte sich die Demo und zog, über Viktualienmarkt und Oberanger, los. Mindestens 500 Leute liefen im internationalistischen Block, zumindest vor dem Lauti auch alle in Ketten.
Dieses Jahr gingen einige Genoss_innen mit riesigen Sprechblasen-Schildern vor und um den Block. Die Parolen waren zum Teil klare Losungen gegen Krieg, zum Teil etwas absurd anmutende Seyfried-Anleihen. Die Riesensprechblasen waren, zusammen mit dem Hochtranspi, der sichtbarste inhaltliche Ausdruck im Block. Gleichzeitig konnten diese Schilder auch sinnvoll als (Sicht-)Schutz gegen die Polizei eingesetzt werden. In unseren Augen eine gelungene Aktion!
Im Gegensatz zum letzten Jahr zeigten die Bullen wieder massiv Präsenz: Der Block wurde durchgehend von einem Spalier bestehend aus 3 bis 6 (!) Reihen Bullen begleitet. Trotzdem wurde versucht Seitentransparente durchzusetzen. Die Bullen reagierten darauf nicht wie gewöhnlich mit Angriffen auf den Block, sondern indem sie die gesamte Demo stoppten und die Demoleitung unter Druck setzten, bis die Transpis eingeholt waren.
Die Moderation im Block-Lauti tat ihr bestes, die Stimmung während des stop-and-go zu heben, über diesen langen Zeitraum kein leichtes Unterfangen. Gute Musik und inhaltliche Aussagen, die versuchten, Passant_innen die Demo zu erklären, standen wenig kämpferischen Ansagen gegenüber der Polizei gegenüber: Immer wieder wurde diese aufgefordert, die Uniform wegzuwerfen und die Seite zu wechseln, immer wieder wurde die eigene Friedlichkeit betont. Wir und, wie wir glauben, viele andere aus dem internationalistischem Block, halten es schlichtweg für falsch, ausgerechnet Bullen zu agitieren, und haben auch keinen „friedlichen“ Anspruch, um ihn vor uns herzutragen. Entsprechend irritierend waren diese Ansagen vom Lauti, der ansonsten wie auch die letzten Jahre, mit guten Parolen und Sound wesentlich zur Stimmung im Block beitrug.
Nach einer Zwischenkundgebung am Sendlinger Tor mit einer weiteren, wenig motivierenden Rede (diesmal von der Präsidentschaftskandidatin der US-Grünen, Cynthia McKinney) zog die Demo durchs Hauptbahnhofviertel. Inbesondere in der engen Landwehrstrasse zeigten sich die Spalierbullen von ihrer ätzenden Seite und bedrängten die Demo. An der Ecke Landwehr-Schillerstr. fanden sich der Bayerische Innenminister Herrmann sowie Münchens Polizeichef Schmidbauer mit ihren Personenschützern am Strassenrand ein, um sich die Demo anzuschauen. Es dauerte viel zu lange, bis sich rumgesprochen hatte, wer da am Wegesrand steht. So blieb es bei einigen Parolen gegen die beiden. Hier wäre eine schnelle massenhafte Reaktion notwendig gewesen.
Am Hauptbahnhof gab es dann einen längeren Halt, weil dort über eine frühzeitige Auflösung der Demo beraten wurde, die dann schließlich kurz nach dem Stachus umgesetzt wurde. Diese im Vorfeld als Reaktion auf massive Repression diskutierte Option scheint uns in diesem Fall inadäquat. Der vorzeitige Abbruch, als Moment der Stärke geplant, wirkte wie ein glanzloses Ende einer verregneten Demo. Die nicht stattgefundene Abschlusskundgebung hätte die Chance geboten, die Demo mit kämpferischen Inhalten in unmittelbarer Nähe zum Tagungsort der Kriegsstrategen zu beenden.
Auch dieses Jahr gab es wieder ein Convergence Center, wegen der schwachen Resonanz außerhalb Münchens war es schlechter besucht als in den Vorjahren. Trotz kurzer Vorbereitungszeit beteiligten sich viele Genoss_innen aus München an der Organisation des CCs; von der Konsumhaltung, die wir sonst gegenüber der Mobilisierung wahrnehmen, war hier nichts zu spüren.
Fazit
Die Demo fand das neunte Mal statt – als nach wie vor größte Demo im Polit-Kalender Münchens. Das ist gut. Trotzdem betrachten wir die Demo im ganzen nicht als Erfolg: Zu spät gestartet, zu lang, zu nass, kaum offensive Momente, wenig gute Redebeiträge, verhältnismäßig wenig Leute und dann der defensive Abbruch der Demo. Vieles davon ist Ausdruck der oben genannten Probleme der Mobilisierung: Wenig Leute im Bündnis heißt weniger Mobilisierung, heißt auch, dass wichtige Organisationsarbeit auf wenigen Schultern lastet, sicherlich ein Grund für die verspätete Auftaktkundgebung. Auch die eher mittelmässigen Redebeiträge mussten wir uns deshalb anhören, weil sich nicht genug Leute im Bündnis um bessere Redner_innen gekümmert haben. Die Liste ließe sich fortsetzen... .
Wir sehen darüberhinaus ein grundlegenderes Problem in der Tatsache, dass sich sowohl Teile der linken Szene als auch ein Großteil der anderen potentiellen Demobesucher_innen immer weniger für antimilitaristische Themen zu interessieren scheint - deren Brisanz nach dem Bombardement von Kundus auch für breite gesellschaftliche Kreise wieder deutlich geworden sein müsste.
Wie der autonome Beitrag zur Mobilisierung 2011 aussehen soll, ist für uns erstmal offen. Wir werden uns Zeit lassen für eine breite Diskussion über die Perspektiven der Proteste. Eines ist allerdings klar: Antimilitaristischer Widerstand in München hat nicht nur einen Ort und nicht nur ein Datum! Es bedarf mehr antimilitaristischer Aktionen übers gesamte Jahr verteilt – gegen die Präsenz der Bundeswehr in Schulen, Arbeitsämtern und Unis, gegen die Präsenz von Militäreinrichtungen, gegen Kriegslogistik und Kriegslogik!
Einige Autonome aus der Mobilisierung gegen die „Sicherheitskonferenz“
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