Prostitution ist keine "normale" Arbeit von Frauen

Einladung zum 137. Jour Fixe zusammen mit LISA, Feministische Landesarbeitsgemeinschaft der Partei "Die Linke"

Am Mittwoch, 3. Februar 2016 um 18 Uhr 30, Curiohaus, Rothenbaumchaussee 15, Hofdurchgang

 

Prostitution ist keine „normale“ Arbeit von Frauen!

Mit
Anja Röhl, Buchautorin und freie Mitarbeiterin im Feuilleton der JW
Anita Friedetzky, aktiv in der Frauenfilmgruppe Hamburg
Hildegard Heinemann, Sprecherin LISA, Hamburg (Moderation)

Wir beginnen mit der Lesung von Anja Röhl aus dem Buch von Rachel Moran „Was vom Menschen übrig bleibt. Die Wahrheit über Prostitution“


Wir machen im Rahmen des Jour Fixe dieses Treffen, weil es 400.000 bis 700.000 Frauen in Deutschland gibt, die sich prostituieren müssen, um durchzukommen. Wir nehmen Stellung gegen die Prostitution und nicht gegen die Opfer, die Prostituierten. Aber gegen die Profiteure: Die Bordellbetreiber, die Zuhälter und Frauenhändler - gegen die „Freier“ und UnterstützerInnen.

 

Seit einiger Zeit macht unter gewerkschaftlich und sozialistisch orientierten AktivistenInnen der Slogan die Runde, dass Prostitution eine „normale Arbeit“ von Frauen darstelle – eine Dienstleistung wie andere auch. Auf wundersame Weise wurde der Begriff „Prostitution“ in „Sexarbeit“ umgetauft. Und damit es auch alle AusbeutungsgegnerInnen kapieren, die es bisher als natürlich empfanden, Prostitution zu verdammen, posaunen alle Medien – auch die „linken“ – diese neue Wortschöpfung auf allen Kanälen hinaus.

 

Ganz begeistert von dieser Umbenennung springen da auch und wie im vorauseilenden Gehorsam  Offizielle der Dienstleistungsgewerkschaft verdi mit aufs Boot und bieten sich an, Prostituierte zu organisieren, damit es ihnen „beruflich“ bei ihrer „Arbeit“ ein bisschen besser geht. Zum Beispiel bot im Februar 2014 verdi ein „Freiluft“-Seminar an unter dem Titel „Hamburg und die Huren – Kulturstrich St.Georg“, wo für eine kulturvolle und menschenwürdige Prostitution im Hamburger Bahnhofs-Stadtteil St. Georg im Gegensatz zum „schmuddeligen“ St.Pauli geworben wurde.

 

Oder: In sich fortschrittlich aufführende Zeitungen und Zeitschriften wie Taz, Wir Frauen, Jungle World, Konkret und bei Amnesty etc. erscheinen häufig Artikel und Interviews von und mit VertreterInnen von Vereinen, die sich für die Prostitution als staatlich anerkannte „Sexarbeit“ stark machen.

 

Last not least gibt man sich auch in großen Teilen der feministischen Bewegung fortschrittlich und modern, indem immer wieder behauptet wird, Prostitution sei gar nicht zu verdammen, weil sie vielen Frauen die Gelegenheit gäbe, ein selbstbestimmtes, vom Patriarchat befreites sexuelles Leben zu führen.

 

Wir vom Jour Fixe zusammen mit VertreterInnen der feministischen Arbeitsgemeinschaft LISA in der Linkspartei bieten mit diesem Abend einen in der gewerkschaftskritischen und linken Bewegung in Hamburg bisher einmaligen Versuch an, eine klare Position gegen die sexuelle Ausbeutung und Sklaverei von Frauen einzunehmen. 

 

Anja Röhl – uns gut bekannt (125.Jour Fixe vom 4.2.2015) von einer Lesung aus ihrem Buch über Ulrike Meinhof mit dem Titel „Die Frau meines Vaters“ – wird uns mit  Auszügen aus dem Buch der irischen Autorin und ehemaligen Prostituierten Rachel Moran schonungslos in die elende Welt der Sexsklaverei führen.

 

Vor diesem Hintergrund und mit diesem Wissen möchten wir eine rege, sachliche, aber auch kontroverse Diskussion anregen.

 

Geleitet und moderiert wird der Abend von Hildegard Heinemann.

 

Der Abend wird zwei Abschnitte haben. Nach der Lesung im ersten Teil mit kurzen Verständnisfragen zum Text wird im zweiten Teil die Diskussion über das Thema „Prostitution“ mit einem Statement von Anita Friedetzky eingeleitet.

 

Wie immer geben wir Euch mit dieser Einladung die Möglichkeit, sich anhand von beigefügten Internet-Links auf das Thema einzustimmen.

 

http://www.anjaroehl.de/was-vom-menschen-ubrig-bleibt-die-wahrheit-uber-prostitution/

http://kritischeperspektive.com/kp/2015-30-zur-materialistischen-kritik-der-prostitution/

https://www.vhs.at/fileadmin/uploadsrmc/downloads/Service/Master_Thesen/MTKienesberger.pdf

http://www.feministisches-institut.de/wp-content/uploads/2013/11/Appell-f%C3%BCr-Prostitutio

http://besondere-dienste-hamburg.verdi.de/service/veranstaltungen/++co++ef0c49a8-88cc-11e3-9ad5-525400438ccf


Als Bücher empfehlen wir außerdem

  • Rachel Moran: „Was vom Menschen übrig bleibt. Die Wahrheit über Prostitution“, Marburg 2015

  • Anita Kienesberger: „Fucking Poor. Was hat „Sexarbeit“ mit Arbeit zu tun?“, Hamburg 2014

  • August Bebel: „Die Frau und der Sozialismus“, diverse Neuausgaben des Originals von 1879


Vorbereitungsgruppe Jour Fixe
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Jour Fixe: Wer wir sind und was wir wollen
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Profiteur(e)Innen, BordellbetreiberInnen, ZuhälterInnen, FrauenhändlerInnen, FreierInnen

1) Kaum Sklaverei

Die allerwenigsten Frauen prostituieren sich aus Zwang, sondern weil sie mit dieser Arbeit Geld verdienen - und zwar mehr als in ihrer Heimat und mehr als mit den anderen Jobs, die illegalisierten Frauen offenstehen. Bei einer freien Entscheidung zwischen Putzen und Sexarbeit kann von Sklaverei keine Rede sein. Wer diesen Frauen helfen will, muss sich für bessere Arbeitsbedingungen und besser bezahlte Jobs für Migrantinnen einsetzen. Das betrifft selbstverständlich auch Männer und Transmenschen. Und klar: Niemand soll einer Arbeit nachgehen müßen, auf die er/sie keine Lust hat.

 

2) Die gesellschaftliche Ächtung ist das Problem

Sexarbeiter*innen werden immer noch aus der Gesellschaft ausgeschlossen. I.d.R. weiß ausser dem engsten Freundeskerei niemand von einer Tätigkeit als Sexarbeiter*in - auch wenn die schon lange zurück liegt. Die (berechtigte) Angst vor Ausgrenzung, Verlust von Freundeskreis und Job ist zu groß. Weshalb ist das so? Weshalb trifft diese Ächtung nicht die Freier und Zuhälter?

Weshalb verwenden auch die Veranstalter*innen das gleiche Bild einer Prostitution, in der Frauen wie Dreck behandelt werden (also Dreck sind)? Wären das selbsbestimmte und selbstbewusste Frauen, die sich teuer verkaufen, nichts tun, worauf sie keine Lust haben und sich das Heft ihres Handelns nie aus der Hand nehmen lassen, ... Hm. Wären das Heldinnen? Vielleicht sind die das sogar? Und sie würden auch gerne so wahrgenommen werden und Stolz auf ihren Job sein dürfen.

Der Anteil der Migrantinnen im Rotlichtmilieu ist innerhalb von etwa 15 Jahren von knapp 50% auf über 80% angestiegen. Die meisten Frauen kommen aus Rumänien, Ungarn und Bulgarien. Viele der Frauen sind Roma oder gehören anderen Minderheiten an. Die Frauen werden geschickt, genötigt, gezwungen, Geld in Deutschland zu "machen". Wenn ich "kaum Sklaverei" lese, dann ist das 1:1 die Propaganda der Pro-Prostitutions-Lobby. Die wenigsten der Frauen prostituieren sich "freiwillig". Was immer das bedeutet. Ja, wir sollten ächten: die Sexkäufer und Zuhälter/innen.

Als glückliche, linksradikale und queer-feministische Sexarbeiterin kann ich nur sagen:

Ich möchte einfach nur kotzen, wenn ich solche Veranstaltungen sehe.

Emma go home.

Sex unter Zwang ist und bleibt Vergewaltigung und keine Prostitution. Prostitution kann nur freiwillig passieren, alles andere ist sexuelle Aubeutung/ Vergewaltigung.

Dass es noch immer "Feministinnen" gibt, die Prostitution/Sexarbeit und Menschenhandel/kommerzielle Vergewaltigung nicht auseinander halten können/wollen, erschließt sich mir nicht.

Ich und meine Kolleg*innen, die Sexarbeit selbstgewählt und gern machen (insofern mensch im Kapitalismus überhaupt von "Freiwilligkeit" reden kann), wir schlichtweg negiert.

Ich finds uncool, dass Indymedia so einen reaktionären Schwachsinn hier bewirbt. Ja, ich pöbel, ja ich bin scheiße sauer.

Prostiutution ist das Konservativste überhaupt, da würde ich auch kotzen müssen...

Ich bin froh, das Hamburg nicht nur in der Hand der Prostitutionslobby bleibt!

An der Uni und der HAW finden jedes Semester (!!) mehrere (teils Pflicht-)Veranstaltungen für Studierende statt, die Prostitution als Care-Arbeit etablieren wollen. Im März ist wieder ein "Sexarbeitskongress", auf dem wie gehabt, sicherlich wieder die priviligierten weissen Dominas Undine de Reviere und Johanna Weber den Studentinnen empfehlen, sich ihren Lebensunterhalt durch Prostitution zu veredeln.
Vor allem Soft- ähhh Postfeministinnen und deren Medien ("Missy" etc.) propagieren die "Sexarbeit".
Letztendlich wollen sie selbst privat aber nicht mit Freiern liiert sein....

Und vor allem haben diese Pseudo-"Feministinnen" keinerlei "Lust", selbst in die ach so supitolle "Sexarbeit" einzusteigen - das soll armen, marginalisierten Frauen "vorbehalten" bleiben.

 

Hier ist ein großartiger Text zum Thema, verfasst von einer ECHTEN (= radikalen) Feministin:

 

http://www.prostitutionresearch.com/Dworkin%20-%20Prostitution%20and%20Male%20Supremacy.pdf

http://sexindustry-kills.de/



Dazu schweigen Hydra, Donna Carmen und die Lobbyist/innen ...

Jede Form der Lohnarbeit ist Prostitution. Alle die zur Lohnarbeit genötigt sind tragen ihren Körper und/oder ihre Psyche zu Markte. Und bei vielen Menschen die dies tun erleidet eins von Beiden oder beides Schaden. Dennoch sind wir im bestehenden System meist dazu gezwungen uns - und damit unsere Körper - gegen Geld (Lohn, Gehalt) zu verkaufen. Leider.

 

Ihr könnt gerne Sexarbeit als bestimmte Form der Prostitution bezeichnen, bei der - im Gegensatz zu vielen anderen Jobs - auch der Intimbereich des Körpers eingebracht wird. Oder ihr bezieht Prostitution nur auf die Arbeit mit diesem Bereich des Körpers. Aber solange gesagt wird, Prostitution sei es den eigenen Körper zu verkaufen muss ich feststellen, das schlicht jede Form der Lohnarbeit Prostitution ist.

 

Und ob eine Person Sexarbeiter_in sein will oder nicht, entscheidet sie am Ende selbst. (Wie schon in einem anderen Kommentar gesagt, gewaltsam erzwungene Sexarbeit ist Vergewaltigung)

Möglicherweise gibt es Menschen, die Sex gegen Geld angenehmer empfinden als sich durch schwere Arbeit den Rücken zu versauen. Oder die weniger Probleme damit haben Sex mit Fremden zu haben als täglich vor dem selben dummen Chef buckeln zu müssen. Jeder muss selbst wissen, wie er im kapitalistischen System am für ihn/sie angenehmsten überleben kann.