Enough ist Enough – Solidaritätsdemonstration in Dresden

Sponti in Dresden

Als Reaktion auf den Überfall von mehr als 200 rechten Hooligans und Nazis auf das linksalternativ geprägte Leipziger Wohnviertel Connewitz, haben am Donnerstagabend etwa 100 Menschen in der Äußeren Neustadt spontan gegen die derzeitigen Zustände demonstriert und sich solidarisch mit den Betroffenen in Leipzig und Berlin gezeigt. Nach einem Redebeitrag ging es dazu vom Albertplatz über die Alaunstraße weiter direkt ins Herz des Viertels.

 

In mehreren hundert verteilten Flugblättern wurden Passantinnen und Passanten noch einmal über die derzeitige Situation in Dresden informiert. Als die Polizei schließlich kurz darauf mit mehreren Mannschaftswagen anrückte, hatte sich die Demonstration bereits am Martin-Luther-Platz aufgelöst.

 

Nicht erst seit dem Überfall vom Montag, bei dem neben dem Fischladen vom Roten Stern Leipzig, Bäckereien, Optiker, das Könich Heinz, auch eine Privatwohnung mit Pflastersteinen, Baseballschlägern, Äxten, Latten und Pyrotechnik attackiert worden war, werden Parallelen zur Situation in den 1990er Jahren sichtbar, als Nazis überall im Land nicht nur Linke, sondern auch Migrantinnen und Migranten angriffen und umbrachten. Anders als noch am 12. Dezember, als die politisch Verantwortlichen im Freistaat angesichts der Ausschreitungen am Rande eines durch Connewitz geplanten Naziaufmarschs von „linkem Straßenterror“ sprachen, blieb der große mediale und politische Aufschrei nach den rechten Ausschreitungen allerdings aus.

 

Wir glauben nicht mehr an Zufälle. Das ist innerhalb kürzester Zeit der zweite Angriff auf ein linkes Viertel in #Sachsen. #addnme #le1101

— Dresden News (@addnme) January 11, 2016

 

Der Überfall kam jedoch keineswegs überraschend. Bereits im letzten Jahr hatten rechte Hooligans und Nazis die Großveranstaltungen von PEGIDA in Dresden immer wieder für gewalttätige Übergriffe genutzt. So waren beispielsweise am ersten Jahrestag der rechten Sammelbewegung in Oktober mehrere hundert Nazis und rechte Hooligans über Stunden von der Polizei unbeachtet auf die Jagd nach politischen Gegnerinnen und Gegner gegangen. Auch bei der offiziellen Jahresabschlussveranstaltung am 21. Dezember griff ein ähnliches Klientel trotz eines Polizeigroßaufgebots in der Äußeren Neustadt wahllos Menschen an und verletzte diese zum Teil schwer.

 

Angesichts dessen von einem Zufall zu sprechen, fällt angesichts immer neuer Pannen und Fehleinschätzungen schwer. So hatte schon im Vorfeld des einjährigen Geburtstags von LEGIDA der Sächsische Verfassungsschutz versucht, ein zivilgesellschaftlich organisiertes Aktionsnetzwerk für seinen Protest zu diskreditieren. Wie überflüssig die von einem Burschenschaftler geleitete Behörde inzwischen ist, zeigen die veröffentlichten Erkenntnisse zu den am Montag geplanten Veranstaltungen. Denn während der VS von einer Mobilisierung der rechten Szene „in nur geringem Umfang“ ausging, schätzte er den Verlauf der Gegenaktionen als „gewaltgeprägt“ ein. Eine fatale Fehleinschätzung, wie sich später herausstellte.

 

Obwohl erst Stunden vor dem Angriff interne Informationen der Polizei nicht zum ersten Mal im Internet veröffentlicht wurden, versucht sich die Polizei seit Monaten nicht nur als politisch neutral, sondern auch als angebliches Opfer von Sparmaßnahmen zu verkaufen. Zugleich zeigen die Ausschreitungen von Heidenau im August ebenso wie eine Reihe von bis heute unaufgeklärten rechten Übergriffen und Brandanschlägen in den zurückliegenden Monaten, wie wenig die Polizei gewillt zu sein scheint, für die Sicherheit von Asylsuchenden zu sorgen. Hinzu kommt in Sachsen eine schwarz-rote Landesregierung, die seit Monaten rechte Gewalt verharmlost, indem die dringend notwendige linke Kritik am rassistischen Normalzustand immer wieder diffamiert wird.

 

Bericht zur Demonstration: Sponti: Enough ist Enough – Solidarität über die Szene hinaus

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Könnte durchaus missverständlich formuliert wurden sein. Ich lese ihn jedenfalls so, als ob zur Zeit "nur" linke angegriffen würden und "Ausländer" nicht. Das Gegenteil ist ja schließlich der Fall, schlimmer noch, im Gegensatz zu den meist doch etwas glimpflichen Situationen von linken oder was dafür gehalten wird, sind die vielen Üergriffe auf "Ausländer" nicht so glimpflich verlaufen. Aber dies ist sicher bekannt und nur eine Fehlformulierung.

Gestern Abend fand auf den Straßen der Neustadt eine Demonstration der Undogmatischen Radikalen Antifa (URA) statt. Das Motto lautete „Enough is enough – Solidarität über die Szene hinaus“.

 

Die Organisatoren schreiben in einer Pressemitteilung, dass es sich bei der spontanen Demonstration um einen Unmutsbekundung als Ausdruck der Wut ob des aktuellen und anhaltenden Zustand der deutschen Gesellschaft im Allgemeinen und der sächsischen im Speziellen handele.

Die Organisatoren sprechen von rund 100 Teilnehmern, die um 20 Uhr vom Albertplatz über die Alaun- und Louisenstraße bis zum Martin-Luther-Platz zogen. Der Pressesprecher der Dresdner Polizei Marko Laske bestätigte auf Nachfrage die Demonstration. Er sprach von rund 70 Personen, die sich friedlich verhalten haben. „Vereinzelt wurde Pyrotechnik eingesetzt, es bestand aber für uns kein Grund zum Eingreifen“, erläutert Laske.

Die URA selbst spricht von einer lautstarken und kraftvollen Demonstration, die mit einem kurzen Redebeitrag, einer knappen Chronik rechter Gewalt, eingeleitet wurde. Anlass der Demonstration waren unter anderem die Ereignisse am 21. Dezember, als, wie Augenzeugen berichteten, Hooligans und Neonazis durch die Neustadt zogen und mehrere Menschen teils schwer verletzt hatten und der Brandanschlag am 24. Dezember auf das Wohnprojekt RM16 in Dresden – Pieschen.

 

http://www.neustadt-ticker.de/42770/aktuell/spontane-antifa-demo-durch-die-neustadt

In allen Linke Räumen in Dresden (AZ Conni, RM16, Wums...) halten sich auch nicht Bio-Deutsche auf oder wohnen sogenannte "EU Ausländer"oder Geflüchtete".

— vom 19. Oktober 2015

gemeinsame Presseinformation des AZ-Conni und des Projektes RM16

In der Nacht vom 18. zum 19. Oktober 15 griffen ca. 10 vermummte Personen von mehreren Seiten das alternative Wohnprojekt „Mangelwirtschaft“ in Dresden Übigau mit Steinen, Böllern und Buttersäure an. Mehrere Scheiben des Hauses wurden dabei zerstört. Menschen wurden glücklicherweise nicht verletzt.

Dieser Anschlag kam keineswegs unerwartet. Seit Ende September versammeln sich rund um die Uhr „besorgte Bürger_innen“ und Neonazis vor einer Turnhalle im Stadtteil, um mit einer Blockade der Einfahrt die Unterbringung Geflüchteter zu verhindern.
Die Polizei reduzierte ihre Präsenz im Stadtteil auf ein Minimum und es kam zu Übergriffen auf Journalist_innen, deren Schutz die Polizei nicht gewährleisten wollte oder konnte (siehe Pressemittelung des DJV Niedersachsen). Immer offensichtlicher bewegten sich auch organisierte Neonazis bei der Blockade und scheuten nicht davor zurück in größeren Gruppen vor bzw. auf dem Grundstück des Wohnprojekts „Mangelwirtschaft“ zu provozieren und deren Bewohner_innen mit dem Auto oder zu Fuß zu verfolgen, weil diese sich solidarisch mit den Geflüchteten zeigen.
Erst die Bestätigung der „besorgten Bürger_innen“ und Neonazis, durch das systematische Wegschauen, hat diese dauerhafte Situation der Unsicherheit hervorgerufen. Was muss noch passieren, bis die Politik der Zurückhaltung endlich aufgegeben und effektiv gegen die Rassist_innen vorgegangen wird?

Wir verurteilen diesen feigen Anschlag, die ständigen Provokationen und die Verharmlosung durch Polizei und Politik aufs Schärfste und möchten auf diesem Wege unsere Solidarität mit allen Betroffenen zum Ausdruck bringen.
Ihr seid nicht allein! Wir lassen uns nicht einschüchtern – derartige Angriffe zeigen lediglich die Notwenigkeit noch offensiver gegen menschenverachtende Einstellungen vorzugehen.

 

http://azconni.de/solidaritaet-mit-dem-wohnprojekt-mangelwirtschaft/

Pressemittteilung, 24.12.2015

Brandanschlag auf alternatives Wohn- und Kulturprojekt RM16

In der Nacht zum 24.12.2015 wurde gegen 1:30 Uhr in das Wohnprojekt RM16 in Dresden-Pieschen eingebrochen und ein Brand im Kohlenkeller entfacht.

 

http://rm16.blogsport.de/2015/12/24/24-12-15-brandanschlag-auf-alternati...

 

25.12.2015 Warum dementiert die Dresdner Polizei einen Anschlagsverdacht?

Pressemitteilung, 25.12.2015

Warum dementiert die Dresdner Polizei einen Anschlagsverdacht?

Wie würden sie es nennen, wenn mitten in der Nacht in ihrem Haus ein Fenster aufgebrochen wird und kurz darauf im Keller ein Brand ausbricht?

 

Genau das ist in der Nacht zum 24.12.2015 im Wohn- und Kulturprojekt RM16 in Pieschen geschehen. Einen Tag danach dementiert die Polizei diese Darstellung gegenüber der Sächsischen Zeitung und spielt die Gefährdung herunter.

Zuerst wurde gezielt versucht das Fenster zum Kohlenkeller aufzubrechen. Da dies nicht gelang, wurde bei einem Fenster im Erdgeschoss zuerst die Vergitterung aus der Verankerung gebrochen und dann das Fenster ausgehebelt.

 

http://rm16.blogsport.de/2015/12/25/25-12-2015-warum-dementiert-die-poli...

Vielen Dank aus Leipzig für die Solidarität und schön, dass in Zeiten wie diesen langsam die Erkenntnis reift, dass wir einfach zu wenige sind, um den Nazis das Handwerk zu legen und wir viel mehr Menschen über die Szene hinaus erreichen müssen. Dazu wäre es aber vielleicht auch mal nötig, das eigene Auftreten zu hinterfragen und den schwarzen Kapu im Schrank zu lassen, wenn man durch's eigene Viertel demonstriert. Denn so dürfte die Aktion auf viele Außenstehende eher abschreckend wirken.

Ein guter Anfang wäre die Erkenntnis das es scheiß egal ist welche Sachenfarbe Mensch trägt. Ich zieh jetzt keine bunten Klamotten an, mach mir ne "anständige Frisur", lege meine Radikalen Patches ab, oder veränder mein Jargon um mich bei den Bürgis anzubiedern!

Es ist immer wichtig sich selbst, sein Handeln und auch sein Auftreten zu reflektieren, aber dies sollte nicht in Anpassung enden. Prinzipiell kann ich deinen Gedankengang verstehen, allerdings zeigen auch diverse Proteste links-bürgerlicher Bündnisse, dass ein "freundlicheres" Erscheinungsbild kein garant für Anschlussfähigkeit ist. Wichtiger ist im kleinen, also in Gesprächen, Willkommensfesten in Unterkünften, Infoveranstaltungen oder anderweidiger Öffentlichkeitsarbeit die Menschen auf sich aufmekrsam zu machen, und Solidarität auf einem Level zu etablieren, das über Äußerlichkeiten einzelner Aktuer*innen hinwegsieht. Sprich, die Menschen sollten lernen, dass ein solidarisches Miteinander (z.B. bei Protesten, aber vorallem darüber hinausgehend) nur funktioniert, wenn man Unterschiede respektiert und z.B. auch unterschiedlichen Aktionsformen nicht ablehnend gegenüber steht. Außerdem sollte endlich die Extremismustheorie aus den Köpfen verdrängt werden. Solch eine Sponti wird eher ein Zeichen in die Szene hinein sein, einmal um die Wut über die Zustände auszudrücken, wieder aus der Resignation bzw. politischen Gelähmtheit herauszukommen und um wach zu rütteln, dass Solidarität nur funktioniert, wenn auch "andere" partizipieren (können). Solidarität muss Praxis werden! Schön, dass Dresden die Kraft gefunden hat, die sie schon verlohren glaubte. Jetzt ist es an der Zeit daran anzuknüpfen!