Antikommunismus und die Macht der Sprache

Kommentierter Artikel. (ursprüngl. Martin L.: „Wie entsteht Antikommunismus? Über die Macht der Sprache.“)

Wie oft haben wir uns das schon anhören müssen! Was sei der Kommunismus nicht für eine irrsinnige Vorstellung, wie naiv man denn nur sein könne, und wie oft sei er denn nicht schon in der Geschichte schief gegangen!  Kuba, Nordkorea, wahlweise noch China, all das seien Phänomene der Unterdrückung, wenn sie nicht gar zur Achse des Bösen1 gehören.  Das sind dann immer solche nervigen Momente, in denen ich am liebsten demonstrativ ein „Nein, nein, das ist nicht der…“-Schild aus der Hosentasche ziehen würde. 2 Als LinkeR ist man Vorurteile gewöhnt. Doch wie entstehen eigentlich derartig wirre Ressentiments?

 

Es geht um die Macht der Worte, um die verkehrten Definitionen, die in den Köpfen umherschwirren, die keinen Unterschied ziehen zwischen dem „real existierenden Sozialismus“ 3 und dem gefürchteten K-Wort. Ich werde dabei meine persönlichen Erfahrungen schildern, die nicht einen Antikommunismus intellektueller Ausprägung (Wirtschaftsexperten etc.) beschreiben, sondern die kleinbürgerlichen, vorurteilsbehafteten Rezeptionen. Und einen Vorschlag nennen, der zur Überwindung dieser Ideologie beitragen könnte.

 

Es liegt in der Natur der Sache, dass, wenn die realsozialistischen Staaten immer als „kommunistisch“ bezeichnet, sie früher oder später auch als solche begriffen werden. Speziell in Deutschland wird man schon als Kind oder Jugendlicher aufgeklärt über die „kommunistische“ DDR-Vergangenheit der deutschen Geschichte. Die politische Realität dieser Staaten wird mit den immer gleichen Merkmalen benannt: die Alleinherrschaft der KP, ein mehr oder weniger ausgeprägter Führerkult, eine zentrale Planwirtschaft, die politische Verfolgung Andersdenkender, Betriebe in Staatseigentum und als ideologische Basis das Gedankengut von Karl Marx, der mit seinen Schriften eine naive und gleichheitsfixierte Weltanschauung vertritt. Für die Meisten gilt: Blockbauten, Trabis und Spreewaldgurken – das war der Kommunismus.

Der gemeine Bürger erklärt sich das Scheitern dieser Staaten auch ganz logisch und schon mit beinahe wissenschaftlichem Anspruch: da die Planwirtschaft (eine andere Form als die des Zentralismus existiert in diesem Denken gar nicht) die Kontrolle über alle Bereiche der Wirtschaft haben müsse, sei eine Diktatur und ein ausgeprägtes Polizei- und Spitzelsystem notwendig, was unvermeidbar in den Roten Terror oder ähnlichen Grausamkeiten führe. Außerdem gelte die Zentralverwaltungswirtschaft aufgrund der Planungsschwierigkeiten ökonomisch sowieso als widerlegt (der einzige Punkt dem weitgehend zuzustimmen ist). Oftmals ist man sich auch noch bewusst, dass es schon einen Unterschied gibt, zwischen Ziel und Realität der staatssozialistischen Versuche: das Ziel habe schon irgendetwas mit Gleichheit und Gerechtigkeit zu tun, wie das genau aussehen solle, bleibt aber eher unklar. Jedenfalls sei dieses Ziel gescheitert an der Realität, die, wie oben beschrieben, sich als totalitäres System entpuppt habe.

Das ist ein Modell, wie der gewöhnliche Bürger glaubt den Kommunismus als falsches Heilsversprechen entlarvt zu haben und sich somit ein vermeintlich logisch-abgeleitetes antikommunistisches Dogma konstruiert. Dieses Dogma betrifft gewiss die Mehrheit der „gewöhnlichen Bürger“. Wir haben es also zunächst mit einer einfachen Fehldefinition zu tun: der Kommunismus existiert nur als Realsozialismus (ein Begriff, den auch schon viele nicht kennen), oder als missglückte Idee: das utopische Versprechen eines „Paradies´auf Erden“, „Alle sind gleich“, etc. Ein äußerst schwammiges Verständnis.

Es mangelt an der exakten Definition: die Abschaffung des Privateigentums zugunsten freier Absprachen, wobei ohne Tauschmittel jeder nach seinen Fähigkeiten beiträgt und jedem nach seinen Bedürfnissen zusteht. Diese freien Absprachen bedeuten selbstverständlich eine Organisierung jenseits vom Staat.

Stattdessen wird das Prinzip „Gleichheit“ oftmals als nichts anderes verstanden, als was Proudhon schon forderte: „die Gleichheit der Salaire“. Dadurch ändert sich auch das Verständnis von Klasse: „Klasse“ bezeichnet eigentlich eine gesellschaftliche Gruppe, die sich gegenüber dem Rest durch besondere Eigenschaften bzw. Privilegien auszeichnet. Im Bezug auf das Eigentum äußert sich das in der Definition von Proletariat und Klasse. Doch die interpretierte „Gleichheit der Salaire“ lässt die Klasse zur Einkommensschicht werden. „Klassenlos“ meint dann „einkommensgleich“, „Klassenkampf“ die Rivalität zwischen „arm“ und „reich“. Die falsche Vorstellung der Gleichheit des Lohnes ist sicher nicht der universale Ausdruck bürgerlichen Antikommunismus, aber eine der verbreiteten Fehlinterpretationen. Ein Irrglaube, dem nicht nur Bild-Zeitungsleser unterliegen. Es reicht dazu, sich mit dem Thema nur flüchtig in Schule, TV-Dokumentationen oder DDR-Museen auseinandergesetzt zu haben. Viele Politikstudenten, Qualitätsjournalisten und andere Menschen, die man als gebildet oder aufgeklärt bezeichnen möge, unterliegen hier also einem Trugschluss. Aus diesem bürgerlichem Dogma lässt sich nach und nach eine immer ausgefeiltere Ideologie formen: der eingeführte gleiche Lohn für alle führe dann zu dem Streben, gleicher als andere sein zu wollen , also das individuelle in-die-Tasche-Wirtschaften, wie das ja von den bürokratischen Eliten im „Kommunismus“ vorgelebt worden sei. Und zweitens folge daraus, dass es aufgrund des gleichen Lohns dann keinen Ansporn mehr für Leistung gäbe, sodass die Wirtschaft unter der Faulheit des Menschen zusammenbrechen würde.


Diese begriffliche Fehlinterpretation ist ein simples, aber bedeutendes Phänomen. So heißt es etwa in einem Schulbuch(!), der
Kommunismus ist die klassenlose Gesellschaft, in der das Privateigentum abgeschafft wurde und die Produktionsmittel der Gemeinschaft gehören.4 Solche und ähnliche Definitionen sind zwar richtig und sehr oft anzutreffen. Doch es ist nur logisch, dass so etwas nur falsch verstanden wird. „Klassenlos“ heißt wieder „einkommensgleich“. Und das abgeschaffte Privateigentum wird dann nicht als Vergesellschaftung der Produktionsmittel gesehen, sondern mit dem staatlich angeordneten Befehl, auf Haus und Garten zu verzichten, gleichgesetzt. Der Kommunismus als sozialrevolutionäre Utopie für die Menschen durch die Menschen wird dadurch zur Furcht vor dem Verlust der eigenen Zahnbürste. Wie soll auf so einer Informationsbasis politische Öffentlichkeitsarbeit einer antikapitalistischen Bewegung denn bitte möglich sein?

Gewiss, der Verein freier Menschen wird nicht an ein paar Lexikoneinträgen scheitern. Viel mehr kommt es auf die Wortwahl an, die uns in unserer politischen Meinung sozialisieren. Dafür verantwortlich sind Medien und Politiker. Die eigenen Freunde und der örtliche Stammtisch. Und, in den Anfangsjahren der Sozialisation, Eltern, Schule usw.

Die Definition des Verfassungsschutzes Baden-Württemberg macht sich diese Umstände zu Nutze und verwendet obendrein auch noch das Wort „gleichgeschaltet“:

Der Begriff Kommunismus wird in verschiedenen Bedeutungen verwendet. So kann darunter im weitesten Sinne jede Vorstellung bzw. Theorie von einer Gesellschaft verstanden werden, die durch absolute Gleichheit der Individuen und daher auch durch gleichgeschaltete Lebensführung gekennzeichnet ist; ausgeschlossen ist hierbei ein Privateigentum an Produktionsmitteln. Im engeren politischen Sinne wird darunter die von Marx und Engels begründete Ideologie bzw. Theorie der klassenlosen Gesellschaft verstanden. 5

Das ist ein Beispiel, wie das bürgerlich-antikommunistische Dogma nicht unbewusst, sondern gezielt produziert wird: so kann die Behauptung der „gleichgeschaltete[n] Lebensführung getrost als bewusste Desinformation betrachtet werden.

 

Doch all das haben auch schon viele andere Gefährt_Innen verstanden und bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit ihre Wortwahl angepasst: die offene Einforderung des Kommunismus weicht der vage skizzierten Gesellschaft, die an den Bedürfnissen der Menschen, statt den Profiten der Wirtschaft orientiert ist. Gesprochen wird von einer Gesellschaftsform jenseits von Markt und Ware. Diese in Aufrufen und Flyern verwendeten Beschreibungen sind wiederum so allgemein oder abstrakt formuliert, dass der „normale Bürger“ wieder nichts damit anfangen kann. Diese Umschreibungen scheinen notwendig, aber sie sind ein Kompromiss, sie sind unkonkret, sie sind taktisch.
Ich halte Broschüren, die sich
Einführung in die Kapitalismuskritik oder ähnlich nennen, für sehr sinnvoll und wichtig. Doch sie sollten in ihren Texten darauf achten, erstens explizit-offen und zweitens leicht verständlich, die Funktionsweise von Kapitalismus (Privateigentum an Produktionsmitteln, Konkurrenz usw.) und die Idee der klassen- bzw. herrschaftslosen Utopie zu beschreiben. Anstatt abstrakt von der bedürfnisorientierten Gemeinschaft oder der Gesellschaft jenseits der Wertform zu reden, sollte man sich konkret ausdrücken.

Ja vielleicht auch so, als müsse man es einem Kind erklären. „3 Stunden Arbeit pro Tag 6, jeder hilft nach seinen Fähigkeiten.“, „Jeder nimmt dann nach seinen Bedürfnissen. Stell dir einen Supermarkt, eine Lagerhalle vor, aber dort gibt es keinen Kassierer oder einen Securitydienst...“ Usw. Gewiss, solche Beschreibungen sind unwissenschaftlich, vielleicht klingen sie dadurch etwas stümperhaft. Es ist aber mehr wert, als alle unkonkreten Parolen, Transparente und Flyer zusammen.

 

Der Kapitalismus wird ebenso wenig als eine auf Geld, Privatkapital, Verwertungs- und Konkurrenzzwang basierte Gesellschaft begriffen, sondern als Form des ungerechten Wirtschaftens oder dergleichen. In einem Diskussionsbeitrag wurde zu der Parole „Kapitalismus abschaffen“ einmal angemerkt: „Diese leere Phrase, mit der Sozialdemokratie, Nazis, Konservative und Ökos alle etwas anfangen können und unter der alle etwas anderes verstehen“. 7 

Ebenso entscheidend ist das verkehrte Menschenbild: nicht das, das der materialistischen Lehre entspringt („das Sein bestimmt das Bewusstsein“). Angenommen wird eine rein egoistisch-biologistische Definition. Sozialismus, Staatssozialismus, Realsozialismus, Kommunismus, Kapitalismus. All diese Begriffe haben keine oder eine falsche Bedeutung. Das hierfür notwendige Bild des Menschen wird ad absurdum geführt. Dem Kommunismus wird dadurch jegliche Grundlage entzogen. Dieses diskursive Phänomen ist ein Meisterwerk des Neoliberalismus.

„Wortgewalt“ ist ein hierfür treffender Ausdruck. Gepaart mit der Extremismusdoktrin 8 wird aus dem bürgerlich-antikommunistischen Dogma eine nur schwer aufzubrechende geschlossene Ideologie.

Wollen wir uns einer anderen wichtigen Strömung zuwenden, dem Anarchismus, so ist es so offensichtlich, dass dazu nichts mehr weiter gesagt werden muss. „Anarchie“ bedeutet im Volksmund Chaos und Gewalt, so viel ist klar. Wenn in einem Flyer zum „kommunistischen Anarchismus“ aufgerufen wird, wird darunter so ungefähr nichts verstanden und nichts anderes hervorgerufen als Irritation. Eng verbunden mit dieser Strömung sind freilich die Autonomen und deren Strategie ist dazu gezwungen in der völligen Nutzlosigkeit zu bleiben, solange im allgemeinen Verständnis sich Gewalt immer noch nicht in strukturelle und Gegen-Gewalt aufteilen lässt. Die Denunzierungen als Chaoten, Hassbrenner usw. sprechen Bände.

Bevor nicht die essentiellsten theoretischen Inhalte radikal-linker Ideen ihre wirkliche Definition der Allgemeinheit vermittelt haben, solange wird jede antikapitalistische Mobilisierung nutzlos bleiben: vom einfachen Slogan Smash capitalism bis hin zur 1.-Mai-Demonstration mit ihren hunderten von Flyern.

 

Linksradikalegreifen die in der Französischen Revolution proklamierten Werte Freiheit und Gleichheit in radikaler Zuspitzung auf und wollen den Menschen aus allen politischen und ökonomischen Abhängigkeiten befreien. Ihr Ziel ist es, den demokratischen Rechtsstaat zu überwinden und durch eine klassenlose bzw. herrschaftsfreie Gesellschaft zu ersetzen. 9 schreibt der Verfassungsschutz Niedersachsen auf seiner Webseite. Sie geben damit zu, dass die Aufklärung auf ihre vollkommene Verwirklichung noch wartet. Eine Sache, die in diesem Zusammenhang stets immer heraussticht, ist die Behauptung, der Prozess der Aufklärung wäre schon abgeschlossen. Nur wenn man seinen Begriff streng auslege, so müsse man noch bedenken, dass der technische Fortschritt und ein noch tieferes Verständnis des Universums, der Materie und den Naturwissenschaften im Allgemeinen eine langwierige bis nie lösbare Aufgabe bleibe. Das meint nebenbei, dass die Geschichte, dass die Aufklärung die klassen- bzw. herrschaftsfreie Gesellschaft widerlegt hätte. Freilich kann es auch genau andersrum sein: die Idee der klassen- bzw. herrschaftslosen Gesellschaft ist es, die die Aufklärung widerlegt. Dass wir auf eine ökologische Katastrophe zurasen, das Auseinanderklaffen der sozialen Schere, die Tatsache, dass die Welt schon wieder am Rande eines 3. Weltkriegs steht, 10 aber auch unsere extreme Marginalisierung – all das deutet auf etwas hin: die Aufklärung hat uns vergessen, dadurch hat sie sich vergessen.

 

Was lässt sich gegen diese Misere tun?

 

Wir müssen ein anderes Verhältnis zu unseren theoretischen Grundlagen einnehmen. Weder ein missionarischer Pädagogismus, noch ein resigniertes Verstecken ist ein zielführender Weg. In den konkreten Kämpfen, die wir führen (Streiks, Anti-Pegida, Flüchtlinge, usw.) müssen, radikale, inhaltliche Grundlagen miteinbezogen werden, wenn auch als ein Nebenaspekt: so kann im Rahmen einer „Castor schottern“ – Aktionswoche ein Vortrag über Kapitalismuskritik gehalten werden. Oder man packt eine antikapitalistische Grundlagenbroschüre in den Mail-Verteiler des Blockupy-Aktionsbündnis (in dem auch Gruppen wie Attac etc. vertreten sind). Antikapitalismus als Aufklärung verstehen, als Nebenaspekt, im Rahmen realer Kämpfe. Zudem sollten Websites überarbeitet, erstellt oder vernetzt werden, deren einziges Ziel es ist, Grundlagen zu vermitteln: was wollen die Kommunisten?, Anarchos?, Autonomen?“, „Zur Kritik von Kapitalismus/Volk/Nationusw.

Doch die eben genannten Beispiele, wie eine sinnvolle antikapitalistische Agitation aussehen könnte, müssen den folgenden gemeinsamen Nenner besitzen: sie müssen die unkonkreten Beschreibungen vermeiden und die explizit-offenen verwenden. Das ist eine Kleinigkeit. Aber sie macht viel aus.

 

1  George W. Bush

2  bekanntes Plakat, auf dem die Köpfe von Lenin, Stalin, Mao zu sehen sind und das mit der Parole

   „Nein, nein, das ist nicht der Kommunismus!“ versehen ist.

3 Begriff zur Beschreibung der tatsächlich bisher erprobten Gesellschaftsmodelle, die auf einer

  sozialistischen Ideologie gründen (Sowjetunion, China, usw.). Der Begriff ist als Abgrenzung zur

  ursprünglichen, kommunistischen Ideenlehre entstanden, die eine freiheitliche und egalitäre Vision

  anstrebt. Dabei ist der Begriff durchaus problematisch, da eigentlich auch demokratische Beispiele

  aus der Geschichte (Chile, Pariser Kommune, etc.) unter diesen Terminus fallen würden.

4 dem Sinn nach. Ich erinnere mich nicht mehr an den exakten Wortlaut. Dieses beispielhafte Zitat ist

  entnommen aus dem „Onpulson Wirtschaftslexikon“:

  http://www.onpulson.de/lexikon/kommunismus/ (7.11.2015)

5  http://www.verfassungsschutz-bw.de/,Lde/Startseite/Arbeitsfelder/Gloss_lex (7.11.2015)

6 Arbeit ist ein problematischer Begriff, da er mit verschiedenen Definitionen besetzt ist.

7 Diskussionsbeitrag zu Blockupy. https://linksunten.indymedia.org/de/node/137969 (7.11.2015)

8 politische Lehre, die von einer gemäßigten Mitte ausgeht, der ein linkes und ein rechtes Extrem

  gegenüberstünden; die Extremismusdoktrin wird inzwischen von auch von der bürgerlichen

  Wissenschaft heftig kritisiert

9 http://www.verfassungsschutz.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=12275&article_id

  =54256&_psmand=30 (7.11.2015)

10 ein Entwurf dieses Textes wurde erstmals im März 2014 verfasst, als der weitere Verlauf der

    Ukraine-Krise noch als sehr ungewiss und brisant eingeschätzt wurde

 

 

 

Antwort Frank:

 

Das wäre ja wirklich schön, wenn man nur durch die richtigen Worte Vorurteile und Ideologien bekämpfen könnte. 

 

             (Kommentar Martin: Da habe ich mich vielleicht unklar ausgedrückt. Selbstverständlich ist es

              eine Illusion, dass durch die bloße Anpassung der Wortwahl Vorurteile bekämpft werden

              können, als wäre politisches Bewusstsein, einfach nur ein Projekt des Überredens,

              nacheinander, Schritt für Schritt, nur eine Frage der Zeit. So sehe ich das nicht. Ich möchte

             einen(!) Vorschlag nennen, der zur Überwindung dieser Ideologie beitragen könnte.) 


Ich sehe auch nicht, warum ausgerechnet einer der zentralen Punkte dessen, was einen Kommunismus ausmacht – Planwirtschaft – bewiesenermaßen(!) oder von mir aus weitestgehend bewiesen, nicht funktionieren sollte.


 Wenn Du sagst, „es mangelt an einer exakten Definition“, soll denn das nach dem Doppelpunkt die exakte Definition sein? Und dann glaubst Du, das damit was gewonnen ist? Die Antikommunisten stürzen sich mit Vorliebe auf sowas wie „freie Absprachen“ und halten Dir ihr _Weltbild_ entgegeen, der Mensch ist nunmal Egoist etc… Du schreibst es in den folgenen Zeilen ja auch hin, „die Wirtschaft bricht über der Faulheit der Leute zusammen.“ – Ja, aber dann ist doch das beste Mittel gegen dieses Vorurteil ein Urteil dagegenzusetzen. Man muss sich schon die Mühe machen, diese Vorurteile zu entkräften. Das folgt aber bei Dir im Anschluss nicht, sondern Du sagst, moment: klassenlos heißt nicht einkommensglich!


 Ja, aber was folgt daraus? Und natürlich betreibt der VS Baden-Württembergs Propaganda, was denn sonst…


 Im zweiten Teil forderst Du dann dazu auf, konkret zu werden. Das ist einerseits richtig: man kann den Leuten durchaus mal die Broschüre: „Bedürfnisorientierte Versorgungswirtschaft“ in die Hand drücken (http://stattkapitalismus.blogsport.de/) . Andererseits würde ich davor warnen, in das übliche Muster zu verfallen, das genau den Fehler betont, den Du selbst kritisierst: „3h Arbeit pro Tag“- das ist doch nichts anderes als den Leuten den Himmel auf Erden zu versprechen, das Paradies, nur eben etwas konkreter… Dass das vielleicht ne Spur besser ist als die immergleichen, dummerhaften Parolen auf Transparenten – d’accord! Ansonsten halte ich es eher mit dem GSP: http://www.gegenstandpunkt.com/gs/04/1/lb-plan.htm.


 „Der Kapitalismus wird ebenso wenig als eine auf Geld, Privatkapital, Verwertungs- und Konkurrenzzwang basierte Gesellschaft begriffen, sondern als Form des ungerechten Wirtschaftens oder dergleichen.“ Stimmt – was kann man also tun? Dazu sagst Du nichts. Ich würde daraus schließen: naja, dann muss man also anfangen, den Leuten aufzuzeigen, dass das einer Systematik geschuldet ist, die sich aus folgendem Umstand ergibt…


 „Ebenso entscheidend ist das verkehrte Menschenbild: nicht das, das der materialistischen Lehre entspringt („das Sein bestimmt das Bewusstsein“).“ Ja, mag sein – aber was schließt Du wiederum daraus? Was leitest Du aus diesem Umstand für Maßnahmen ab? Du sagst wieder nichts konkret dazu und fasst es zusammen als „Wortgewalt“ – das ist doch Unsinn! Ein Wort ohne die dazugehörige Meta-Überzeugung (sehr spannend sind hierzu die Ausführungen von Ulrich Gähde) ist überhaupt nicht mächtig und eine Meta-Überzeugung hängt auch nicht am Wort an-sich.


 Deine konkreten Vorschläge (Castor schottern plus Broschüre) in Ehren, aber m.E. kann man die Castor-Aktion auch sein lassen und sich gleich und vollständig dem Studium des Kapitalismus zuwenden , denn viel zu viel ist zu tun bei der Aufklärung all der fehlgeleiteten Menschen draussen im Lande, und leider auch bei 95 % derjenigen, die sich „Linke“ nennen.

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Fragen, die sich daraus ableiten (Kommentar Martin):

 

Welchen Umgang sollten Linke mit ihrer politischen Einstellung hegen? Zurückhaltend-vage? Offen-erklärend? Ist negative Resonanz ein Resultat von zu wenig oder zu viel politischer Selbstdarstellung? Sollen wir, wie beispielsweise Gregor Gysi, uns als „demokratische Sozialisten“ bezeichnen? Oder sollen wir eher den „anarchist way“ einschlagen und mit Circle-A-Symbolen versehen offen die Utopie einfordern?

 

Daran anknüpfend: Wie sieht der bisherige Umgang von Linken dazu aus? Auf welche Resonanz stoßen sie?

 

Erst die Kritik, dann die Utopie? Und die Distanzierung von den realsozialistischen Versuchen? Und die Aufklärung über das falsche Bild des faulen Egoisten? In welcher Reihenfolge? Welche Kritik erzielt die meiste Aufmerksamkeit? Die bürgerliche Empörung über den Massenkonsum und die Umweltzerstörung oder die tiefgründige radikale Kritik über den Zusammenhang von Gebrauchs- und Tauschwert (undsoweiter)?

 

Welches Verständnis von Gesellschaftskritik und Utopie herrscht an anderen Orten und zu anderen Zeiten vor? Früher in der DDR? Heutzutage in Ostdeutschland? Griechenland? Lateinamerika? Asien?

 

Welche psychologische Wirkung erzielen die Thematisierung von Reformen? Bedingungsloses Grundeinkommen als Einforderung oder TTIP als Ablehnung. Wie würden die Leute reagieren, wenn wir, das „durchdachte planwirtschaftliche Konzept“ einfordern? Wie reagieren sie, wenn wir in expliziter Ablehnung zum Staatssozialismus  die dezentral geplante Ökonomie einfordern, wenn wir uns etwa auf Modelle wie Parecon beziehen (Michael Albert, Robert Hahnel)?

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aber, um konkret und genau (gleichzeitig) zu sein, bedarf es manchmal leider mehr der worte, begriffe und beschreibungen, als nur vereinfachungen, im ausdruck.

 

solidarische grütze

Es ist erst einmal schön zu sehen, dass wieder häufiger grundsätzliche Diskussionen über den Kommunismus geführt werden. Obwohl im Text ein sehr politisches/aktivistisches Verständnis der kommunistischen Bewegung durchschimmert, sind viele Punkte durchaus treffend. Leider geht ein wichtiger Aspekt vergessen: Nicht nur die Bürgerlichen definieren UdSSR, DDR, China usw. als "kommunistisch", sondern auch Leninisten diverser Prägungen. Auch der Begriff "Antikommunismus" ist historisch weitgehend ein leninistisches Konstrukt, das absurderweise immer mal wieder jene als "Antikommunisten" diffamiert, welche wirklichen Kommunismus wollen, nämlich Links- und Anarchokommunisten.

...und wann werden wir nun diesen sagenhaften wahren Kommunismus zu sehen bekommen?

unsereiner wird wohl kaum noch etwas zum feiern haben. Aber weshalb dieser Fokus auf wahr und sagenhaft ?

heisst nicht, dass aller Kampf vergebens ist. Ähnlich blöd wäre die Frage, was wahrhaftig sagenhafter Kapitalismus ist. Oder warum  sich keine/r traut, über den Schatten des erkannten und irgendwie auch akzeptierten Übels zu springen. ´s iss, wie´s iss, sagte mein Vater immer. Was erstmal ganz logisch klingt, ist eigentlich Bullshit.

 

Ob das jetzt Klassenkampf oder Leistungsgesellschaft genannt wird.

Immer wieder merke ich, wie Menschen das Gespräch abbrechen wollen, wenn ich sage, dass ich mich Anarcho-kommunistisch verstehe, da hilft es mir nicht unbedingt noch ein Buch aus dem Unrast Verlag zu lesen, sondern den Menschen zu signalisieren, dass ich ihre Sorgen meistenteils ernst nehme und kein weltabgewandter (mehr) Spinner bin.

 

Wichtig sind doch nicht unbedingt die Ideologie und die Schlüsselwörter, sondern der Umgang mit den Grenzen alltäglicher Kämpfe, in denen ein praktisches Verständnis zwischen den individuellen Nöten und dem Umgang mit der Verwaltung entsteht, aus dem perspektivisch etwas wachsen kann, wenn(!) Menschen sich dem gemeinsam stellen. Muss ja nicht immer die grosse Herrschaftsfreiheit sein, auch wenn ich das aufregender fänd, aber Leute glauben nun mal an Bürgerinitiativen und der gleichen.