Zwischen Protest und Pranger

Freitaler Asylbewerber am Facebook-Pranger
Erstveröffentlicht: 
05.05.2015

Hetze im Internet, Verletzte im Freitaler Asylbewerberheim – der Ton in der Flüchtlingsdebatte wird rauer.

 

Das Foto zeigt eine Gruppe junger Männer – dunkle Haare, dunkler Teint –, die am Busbahnhof in Döhlen an einer Ampel stehen. Eigentlich harmlos. Und doch ist ein solches Bild in der derzeit aufgekratzten Stimmung in Freital in der Lage, einen Sturm der Entrüstung zu entfesseln. Das Foto der etwa 20 jungen Leute machte auf Facebook die Runde. Online gestellt hatte es am Donnerstag die Anti-Asyl-Bewegung „Freital wehrt sich“. Die Botschaft dazu: „Zustände in Freital am Abend. Wollt ihr diesen Mob begegnen? Frauen wurden angepöbelt...“ (Fehler im Original).

 

Für Ines Kummer, Sprecherin des Freitaler Willkommensbündnisses, wurde mit der Aktion eine Grenze überschritten: „Das Foto in Verbindung mit dem Text kommt einem Pranger gleich.“ Doch problematisch war nicht nur das Bild. In den Kommentaren darunter werden die Betroffenen bis heute verunglimpft. User rufen dazu auf, sich zu „bewaffnen“, eine Bürgerwehr zu gründen und „das Pack“ und „den Dreck“ „aus der Stadt“ zu jagen. Binnen Stunden hagelte es gut 100 hasserfüllte Kommentare – kein Einzelfall.

 

„Das ist Hetze der übelsten Sorte und nicht hinnehmbar“, so Kummer entsetzt. „Die Gruppe war in Begleitung von Freiwilligen des Willkommensbündnisses und auf dem Weg zum Sport in der Turnhalle des Weißeritzgymnasiums.“ Die Betreuer seien im Bild gut zu erkennen, zu Pöbeleien sei es nie gekommen. Als sich mehrere aufgestachelte User auf Facebook spontan verabredeten, zum Busbahnhof zu fahren, um „für Ordnung“ zu sorgen, alarmierte Kummer die Polizei.

 

Widerstand gegen Hetze wächst

 

Im Dippoldiswalder Revier häufen sich die Einsätze rings um die Unterbringung von Asylbewerbern in Freital. Diese würden Polizeisprecher Marko Laske zufolge allerdings weniger durch kriminelle Asylbewerber oder Vorfälle in den Unterkünften als vielmehr durch angemeldete und spontane Demonstrationen ausgelöst. Einsätze wie jener in der Nacht zum Sonntag am Leonardo-Hotel seien die Ausnahme: Ein junger Mann hatte den Angaben zufolge ohne erkennbaren Grund im Foyer seinen Kopf gegen eine Vitrine geschlagen und musste mit Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden. Derzeit werde er wegen psychischer Probleme behandelt, so Laske. Im Internet wurde über gewalttätige Auseinandersetzungen und Schüsse gemutmaßt. Beides wies die Polizei zurück.

 

Bereits am Donnerstag hatten die Beamten zum Langen Rain ausrücken müssen – weil Unbekannte nachts einen Stein durch ein Fenster geworfen und damit einen Bewohner am Kopf verletzt hatten.

 

Auch den Ordnungshütern ist die Dynamik bekannt, die die Verbreitung vermeintlicher Fakten über das Internet zu entwickeln vermag. „Da wird vieles aufgebauscht“, so Marko Laske. Die Verfolgung volksverhetzender Kommentare in sozialen Netzwerken sei gerade bei anonymen Urhebern nicht einfach, aber es gebe Mittel und Wege. Grundsätzlich aber handele es sich um eine Straftat, stellte Laske klar. Seit Januar hat sich die Zahl der Anzeigen im Landkreis verfünffacht. War es im Januar noch eine, gab es im März bereits fünf und bis Mitte April weitere drei Anzeigen.

 

Hetze und Menschenfeindlichkeit etwas entgegensetzen will seit Kurzem eine Facebook-Gruppe namens „Freital Watch“. Die Initiatoren wollen anonym bleiben, fürchten Angriffe radikaler Asylgegner. Viel zu wenige Menschen widersprächen der immer unverhohlener zur Schau gestellten Menschenverachtung, so die beiden führenden Köpfe der Gruppe gegenüber der SZ. „Die Kommentare in der Gruppe ‚Freital wehrt sich‘ erfüllen in vielen Fällen den Tatbestand der Volksverhetzung. Das Schockierende ist, dass sie meist unmoderiert stehenbleiben und sich diese Einstellungen so weiter verfestigen“, sagt einer der Initiatoren. Zwei Kommentare der „schlimmsten Sorte“ hat er bereits zur Anzeige gebracht: „Da war selbst die Polizei geschockt.“ Nun wolle man andere ermutigen, das Gleiche zu tun.

 

Längst nicht alle befürworten die Initiative. Kritiker wie Kerstin Mager-Baran vom Willkommensbündnis, die selbst eine syrische Familie in ihrem Haus aufgenommen hat, werfen der anonymen Gruppe „Denunziantentum“ und „Feigheit“ vor. „Diese Leute tun niemandem einen Gefallen, weil sie zusätzlich provozieren“, so Mager-Baran, die die Wut vieler Kommentatoren verstehen kann. Man müsse auch extreme Wortmeldungen im Gesamtkontext sehen, statt blindlings zu verurteilen.

 

Die Aktivisten von „Freital Watch“ widersprechen dem entschieden. Mit Ines Kummer teilen sie die Befürchtung, dass sich folgenlose Gewaltaufrufe im Internet gegenseitig bestätigen, potenzieren und sich irgendwann in Taten übersetzen könnten. „Man muss klarmachen, dass das, was sie tun, nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt, sondern eine Straftat ist.“ Solange so wenige Menschen aufbegehrten, seien Anzeigen das einzige Mittel.

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