Untersuchungsausschuss: Neue Spur im NSU-Mordfall Kiesewetter

In diesem Peugeot 306 verbrannte Florian H. kurz vor seiner Aussage. Die Umstände sind unklar.
Erstveröffentlicht: 
14.03.2015

Es gab eine "Neo-Schutzstaffel" (NSS) in Baden-Württemberg, aber das LKA sollte nicht in der rechten Szene ermitteln. Jetzt gibt es neue Erkenntnisse und einen neuen Zeugen: "Matze K.".

 

Von Thumilan Selvakumaran

 

Klein, zierlich, blond gefärbte Haare: Matze K. aus Neuenstein (Hohenlohekreis) sieht unscheinbar aus. Allerdings könnte der Mittzwanziger in den NSU-Ermittlungen eine Rolle spielen. Ursache ist die "Neoschutzstaffel" (NSS), der der erst jetzt identifizierte Matze K. angehörte und die laut Aussagen des Aussteigers Florian H. die "zweite radikale Organisation neben dem NSU" darstellte. Florian H. verbrannte im September 2013 in seinem Auto – just an jenem Tag, als er erneut vom LKA befragt werden sollte.

Zunächst sagte am Freitag vor dem vom Landtag eingesetzten NSU-Untersuchungsausschuss die einstige Ausbildungsleiterin einer Klinik in Heilbronn aus. H. habe dort im Sommer 2011 seinen Mitschülern erzählt, Neonazis steckten hinter dem Polizistenmord von Heilbronn. Sie habe sich aber erst nach Auffliegen des NSU im Dezember 2011 an die Behörden gewandt, weil sie dachte, "der Florian wollte sich nur wichtig machen". Heute wird der Mord tatsächlich Neonazis zugerechnet: Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vom NSU.

 

"Wir sollten nicht in der rechten Szene ermitteln."

 

Im Januar 2012 hatten LKA-Beamte H. zu seinen Hinweisen befragt und waren mit ihm zum Haus der Jugend nach Öhringen gefahren, wo 2010 ein Treffen von NSU und NSS stattgefunden haben soll. Dieser Hinweis hat sich laut einer LKA-Mitarbeiterin "ziemlich konstruiert angehört". Zudem sei es H. "sichtbar unwohl" gewesen, weil er "beim Lügen erwischt worden war". Die Polizistin ist überzeugt: "Alles, was er zu NSU gesagt hat, war erfunden." Die NSS-Spur habe nicht bestätigt werden können. Im Übrigen sei es nicht Aufgabe des LKA gewesen, dem nachzugehen – "weil wir nicht in der rechten Szene ermitteln sollten, sondern nur zum Mord in Heilbronn".

Wurden die Akten zu früh beiseitegelegt? Das scheint so. Denn die NSS gab es offensichtlich doch. Und Matze K., den Florian H. einst vor seiner Familie als "Ziehvater in die Szene" benannt hatte, war Mitglied in der Kameradschaft. Er trägt laut Aussage eines LKA-Ermittlers sogar ein NSS-Tattoo an der Hüfte. Das LKA habe allerdings erst vor wenigen Wochen diesen Sachverhalt bestätigen können, da die Person bis dahin nicht identifizierbar gewesen sei.

Vorsitzender des Ausschusses kritisiert Behörden

Ein ungewöhnlicher Vorgang. Denn die Ermittlungen zu H. waren wenige Tage nach dessen Tod durch die Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Das LKA hatte damals noch versucht, über die Bundesanwaltschaft neue Ermittlungen anzuregen – und scheiterte. Jetzt, da sich der Ausschuss mit dem Thema befasst, wurde die Spur vom LKA selbstständig wieder aufgenommen. "Warum haben Sie das gemacht?", will Ausschussvorsitzender Wolfgang Drexler (SPD) wissen. Die Frage will der LKA-Ermittler aber nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit beantworten. Er bestätigt jedoch, dass Matze K. "jetzt identifiziert" und zur NSS befragt worden sei. Die Vernehmung gilt als Verschlusssache.

Drexler kritisiert, dass sich die Behörden "gleich am Anfang ihrer Arbeit für eine Linie entschieden haben". Der Ausschuss wolle besser agieren: Für den Fall Florian H., der eigentlich abgeschlossen sein sollte, könnte nun ein zusätzlicher Sitzungstermin anberaumt werden.

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"Matze K." = Mathias Klabunde