Von der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit haben die meisten schon einmal gehört. Dieser Artikel beschäftigt sich mit einer Stellenausschreibung der Dr. Claus & Sohn GmbH für eine "Sozialpädagogische Betreuungskraft" die zum 01.01.2015 in 06112 Halle (Saale) beschäftigt werden soll. Grund für diesen Artikel ist der darin enthaltene Satz: "Wir suchen für eine neu einzurichtende Asylantenunterkunft 2 sozialpädagogische Betreuungskräfte mit Erfahrung im Betreuungsbereich von Personen mit Migrationshintergrund." Angeknüpfungspunkte sind die Unterbringungsbedinungen in Lagern, rassistisches Wachpersonal, Debatten um Heime und Lager und der politische Charakter der sozialen Arbeit.
Warum die Aufregung?
"`Asylant/in´ war früher der amtliche Begriff für einen anerkannten Flüchtling mit Bleiberecht. Der Begriff Asylant/in wurde seit den achtziger Jahren politisch missbraucht, um bestimmten Flüchtlingsgruppen das Recht auf Zuflucht abzusprechen. Vor allem in der Politik und in den Medien wurde dabei auf nationalsozialistische Sprache (und Wirkungen*) zurückgegriffen. Als Beispiel dafür kann das Wort `Asylschmarotzer´ angeführt werden, das uns einreden soll, wir hätten es hier eher mit gefährlichen Schädlingen als mit Menschen zu tun. Auch in anderen Begriffen wie z.B. `Asylantenflut´, `Asylantenschwemme´ usw. werden Flüchtlinge als schlimme Bedrohung dargestellt." (Quelle: sos-rassismus-nrw.de)
Die Begrifflichkeiten
Die Stellenanzeige verwendet verschiedene Begriffe, die aus Menschen, die sich entschieden haben ein terretoriales Konstrukt zu wechseln, wahlweise "Asylanten", "Asylsuchende", "Personen mit Migrationshintergrund" und "Migranten" macht.
Von offizieller Seite wird zumeist in "Flüchtling" und "Asylsuchend" unterschieden: "Die beiden Begriffe Flüchtlinge und Asylsuchende werden im Alltag oft vermischt, dabei unterscheidet die beiden Gruppen etwas sehr essentielles: Bei einem Flüchtling wurde seine Flüchtlingseigenschaft bereits anerkannt. Ein Asylsuchender steht noch einen Schritt vor dieser Bezeichnung. Ein Asylbewerber ist eine Person, die in einem fremden Land um Asyl, also Aufnahme und um Schutz vor Verfolgung ersucht und deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist." (Quelle: UNHCR)
Was denn nun?
Wir halten fest - "Asylant*In" als Begriff ist beladen mit der Kampagnenarbeit faschistischer Strukturen und damit ein unbrauchbar, da Rassismus zu jeder Zeit mitklingt. "Asylsuchende" bezieht sich auf das Asylrecht: "Das Asylrecht für politisch Verfolgte ist in Deutschland ein im Grundgesetz verankertes Grundrecht. Nach heftiger öffentlicher Debatte im Jahr 1993 wurde das bis dahin schrankenlos gewährte Asylgrundrecht aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG herausgenommen und nach Art. 16a Abs. 1 GG übertragen." (Quelle: Wikipedia). "Person mit Migrationshintergrund" trennt Menschen in staatliche/nationale Identitäten. Dabei bleibt die eine Person durch einen Umzug von Freiburg nach Flensburg nach fast 1000 km Fahrtweg immer "Deutsche" (Lokalpatriotismus hin oder her). Eine Person, welche sich von der tunesischen Küste ein Fünftel der Stecke (200 km) nach Lampedusa begibt oder nur von Kreuzlingen nach Konstanz wechselt (bspw. 500 m) wird ständig auf einen "Migrationshintergrund" beschränkt. Das selbe Prinzip, nur noch verkürzter: "Migraten". Halten wir an dieser Stelle fest: Wir haben uns bisher nicht auf ein Wort verständigt, das frei von Diskriminierung ist. "Flüchtling" ist dies erst recht nicht, da es verniedlichend oder abwertend verwendet wird. Der Begriff steht für die Reprudoktion gesellschaftlicher Machtverhältnisse durch die Sprache. So spricht kein Mensch von Sozialarbeitlingen, die sich um Deutschlinge kümmern. Im weiteren Artikel wird daher von Menschen auf oder nach der Flucht gesprochen.
Die Arbeitgebenden
Als Arbeitgebende tritt in der Jobanzeige die Dr. Clauß & Sohn GmbH auf: "Die Dr. Clauß & Sohn GmbH besitzt als inhabergeführtes Immobilien-unternehmen alle
Voraussetzungen, um die Dienstleistungsspektren Asset-Management, Hausverwaltung,
und Immobilienvermarktung umfassend zu erfüllen.
Hierbei verfolgen wir keinerlei konkurrierende eigene Immobilien-interessen, sondern
betreiben in den verschiedenen Segmenten des Immobilienmarktes ein reines Verwaltungs-,
Beratungs- & Vermittlungsgeschäft. Kerngeschäft unseres Hauses ist die Verwaltung und
die Bewirtschaftung von Wohn- und Gewerbeimmobilien sowie WEG-Anlagen und Industrieobjekten.
Dazu wird das Vermittlungsgeschäft an nationale und internationale Investoren betrieben. Das Unternehmen wurde nach langjähriger Erfahrung in der Immobilienwirtschaft durch den
Kaufmann der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft Ulf Clauß im Jahre 1999 gegründet. Umfangreiche Markt- / Fachkenntnisse sowie ein leistungsstarkes und unabhängiges Team aus
freundlichen Fachkräften tragen zum Erfolg unserer Kunden und Mandanten bei." (Quelle: dr-clauss.com).
Privatwirtschaftliche Unterkünfte kennzeichnen wirtschaftsliberale Staaten, die zumeist zwar Krieg führen und deren Staatsbüger*innen alles von überall konsumieren möchten, sich aber wenig Gedanken um die Folgen machen und daher zu wenig Unterkünfte für Menschen schaffen, die auf der Flucht sind oder ihre Flucht beenden möchten. In den entstehenden Einrichtungen fehlt es zumeist an Professionalität im Umgang mit den spezifischen Bedürfnissen derer, die dort untergebracht werden (sollen).
Dies wird in unserem Fall besonders deutlich. Ein Immobilienunternehmen, dass jetzt auch "Asylantenunterkunft" ins Angebot mit aufgenommen hat. Dazu kommt die nicht tarifliche Bezahlung für die späteren Angestellen und die haarsträubende Stellenanzeige, auf die wir hier aufmerksam machen wollen.
Die Perspektive
Wir bitten darum, dass antifaschistische/antirassistische Gruppen und Einzelpersonen in und um Halle sich diesem Fall annehmen. Und haben eine eigene kleine Stellenanzeige verfasst.
Recherchearbeit zur geplanten Unterkunft der Dr. Claus & Sohn GmbH in Halle
Wir suchen für die Recherche über eine "neu einzurichtende Asylantenunterkunft" engagierte Antirassit*innen in und nahe Halle.
Folgende Aufgaben sind angedacht:
* Dr. Claus & Sohn GmbH unter die Lupe nehmen
* Ort der Unterkunft begutachten
* An bisherige AntiRa-Arbeit in Halle anknüpfen
* Sozialarbeiter*Innen gegen solche Stellenausschreibungen mobilisieren
Für die Zukunft wird in Betracht gezogen:
* Unterstützer*Innenkreis aufbauen
* Menschen in der Unterkunft unterstützen, wenn sie dies möchten
* Zukünftiges Wachpersonal und Angestellte unter die Lupe nehmen
* (Presse)arbeit gegen braune Wutbürger, Altnazis und Faschos (Lesebriefe, Blogs, Plakate, Sticker, Transpis)
Besondere Sprachkenntnisse:
* Alle Sprachen von Vorteil
* Angeeignete Sprache(n) kritisch reflektieren
Es handelt sich hierbei um ein unbefristetes Engagement.
klöngel
"Wir halten fest - "Asylant*In" als Begriff ist beladen mit der Kampagnenarbeit faschistischer Strukturen und damit ein unbrauchbar, da Rassismus zu jeder Zeit mitklingt"
Naja, Asyl meint ja erst einmal Zufluchtsort. Was Anfang der 1970er Jahre abwertend gedeutet wurde (ant-Endung) bedeutet erst mal nichts.
DemonstrANT ist auch nichts schlimmes. Wobei es eher die Gesellschaft ist, die da sagt "öh, blöder DemonstrANT" oder gar "blöder DemonstrANT" - also braucht man auch nicht wieder den Rassismus-Knopf drücken. Was hat das mit Rasse zutun? Jeder kann überall asyl beantragen. Da entscheidet doch nicht die Rasse und wenn dann als auf Grund seiner ethnischen Zugehörigkeit (Rasse) verfolgte Person.
Ich sehe diese dann doch eher moderne Wortschöpfung des Asylanten Begriffes nicht die Wortbildung an sich als Problem sondern den Wortgebrauch als Problem.
Zu kritisieren ist auf jeden Fall, der Umgang mit dem Begriff. Der lässt sich in seinen Ursprüngen auch auf eher rechte Bereiche beziehen - zumindest haben diese ihn häufig benutzt - ändert aber nichts an der nicht eindeutigen Lage dieses Wortes.
Stellenangebot und Wortklauberei
ich wundere mich über den Verfasser dieses Artikels. Ich habe mir die Unterkunft angesehen und stelle fest, dass die Betreuung da sehr liebevoll durchgeführt wird und das sich die Leute echt kümmern. Ist es da denn tatsächlich angemessen an einer Wortwahl so rumzumekeln, insebsondere an einem Wort was allabendlich hunderte Male in den Medien auftaucht ? Hier wurde angepackt und etwas unternommen das ist positiv. Ich unterstelle dem Verfasser des Artikels, dass er zuviel Zeit hat und ich empfehle ihm doch mal lieber rauszugehen und mit anzupacken statt solche Artikel zu verfassen. War er denn schon mal aktiv und hat etwas auf die Beine gestellt oder geholfen - oder meckert er nur rum ?