Am Montag fand in Dresden die nun schon vierte Auflage der Montagsdemonstration “Gegen Glaubenskriege auf deutschem Boden” in der Innenstadt statt. Erneut schafften es die Veranstalter, die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf inzwischen bereits deutlich mehr als 1.500 zu steigern.
Nach einer längeren Rede am Postplatz, die zeitgleich von mehreren hundert Menschen akustisch gestört werden konnte, zog der Demonstrationszug wie in den vergangenen Wochen nahezu schweigend durch die Innenstadt und endete schließlich mit lautstarken “Wir sind das Volk!”-Rufen vor der Frauenkirche auf dem Neumarkt (Bilder). Neben einer großen Zahl von Hooligans der Dresdner Fußballfanszene beteiligten sich am frühen Montagabend erneut zahlreiche Protagonisten der hiesigen rechten Szene.
Auf der anderen Elbseite hatten sich zuvor auf einer vor dem Goldenen Reiter angemeldeten Gegendemonstration etwa 300 Menschen versammelt, um, von den laufenden Kameras der Polizei begleitet, bis zur Auftaktkundgebung der PEGIDA-Demonstration zu ziehen.
Während es von Seiten der PEGIDA-Demonstration mit Ausnahme der immer erfolgreicher verlaufenden Mobilisierung kaum etwas neues zu berichten gab, kritisierte eine kurdische Schülerin bei den von der “Undogmatischen Radikalen Antifa” (URA) Dresden organisierten Gegenprotesten, die Doppelmoral der Veranstaltung auf dem Postplatz.
Anstatt sich mit den wenigen Menschen solidarisch zu erklären, die aktiv gegen den islamistischen Terror des IS vorgehen und sich auf den Straßen zahlreicher europäischer Großstädte mit der kämpfenden kurdischen Bevölkerung in Rojava einig zu zeigen, wird von den Veranstaltern anhand einiger weniger Beispiele versucht, in Dresden das Bild von einer gestiegenen Zahl an “Glaubenskriegen auf deutschen Straßen” zu malen, um damit ganz bewusst Ängste und Vorurteile in der Bevölkerung zu schüren.
In einem zuvor im Internet verbreiteten Aufruf haben sich sowohl Vertreterinnen und Vertreter Dresdner Kirchen und Religionsgemeinschaften als auch zivilgesellschaftlicher Initiativen für die “Religionsfreiheit und die Aufnahme Asylsuchender” ausgesprochen. “Die Radikalisierung Einzelner darf nicht auf eine gesamte vielfältige Religion übertragen werden”, heißt es darin weiter. Vielmehr sei es in Anbetracht der weltweiten Krisen eine “humanitäre Pflicht”, geflüchtete Menschen in Dresden aufzunehmen und ihnen Schutz zu gewähren.
Obwohl die Organisatoren der PEGIDA-Demonstration seit Wochen versuchen, sich bei ihren Veranstaltungen demokratisch und diskussionsfreudig zu geben, lässt ein Blick auf die Kommunikation in den sozialen Netzwerken anderes erahnen. Dort reicht die Palette des Hasses auf Muslime generell, über Menschen die auf Hartz IV angewiesen sind bis hin zu den auch von den Veranstaltern selbst wahlweise als “rotlackierte Faschisten” oder “Gutmenschen” beichnete Personen mit einer politisch linken Einstellung.
Gänzlich anders verhält es sich mit dem in der Öffentlichkeit wahrnehmbaren Bild, so tendiert die Bereitschaft dazu, sich mit Pressevertreterinnen und Pressevertretern über Ziele oder das eigentliche Anliegen der Veranstaltung zu unterhalten, gegen null. Gleichzeitig dient dieses sehr zurückhaltende Auftreten später dazu, eine Medienhetze oder gar einen vermeintlichen Medienboykott gegenüber der neu enstandenen “Bewegung” herbei zu halluzinieren. Doch von Hetze kann angesichts der Kommentarflut des rechten Facebook-Mob auf Nachrichtenportalen längst schon keine Rede mehr sein. Spätestens dort wird unverhohlen das zur Sprache gebracht, was öffentlich ja bekanntlich nicht mehr gesagt werden darf. In der Anonymität des Internets finden sich dann genau die Versatzstücke, unter denen ein klassisch rechtes Weltbild verstanden werden kann: Rassismus, Sexismus und Nationalismus.
Genauso verhält es sich mit den durch den Veranstalter lautstark und mit sehr viel Beifall auf dem Postplatz verkündeten insgesamt acht Grundforderungen. In ihnen wird erkennbar, dass es bei ihrer vermeintlichen Religionskritik nicht nur um radikale Strömungen innerhalb des Islam, sondern vor allem darum geht, Stimmung gegen zugewanderte Menschen und Asylsuchende zu machen.
Unter dem Deckmantel einer ausgerechnet in Sachsen verorteten “christlich-jüdischen Abendlandkultur” werden Forderungen nach einer “Nulltoleranzpolitik” gegenüber einer völlig heterogenen migrantischen Community laut, von der beispielsweise in Dresden angesichts eines Ausländeranteils von aktuell gerade einmal 4,7% überhaupt nicht gesprochen werden kann. Von einer tatsächlichen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen oder sozialen Themen auch und gerade in Fragen der Zuwanderung, die über Phrasen auf Stammtischniveau hinausgehen, ist dabei jedoch kaum etwas zu erkennen.
Nicht etwa niedrige Löhne, jährlich steigende Mieten oder staatliche Subventionen im Milliardenbereich für maroden Banken, so scheint es, bringen die Menschen 25 Jahre nach dem Ende der DDR auf die Straße, sondern der Hass auf all jene, denen es in den meisten Fällen sehr viel schlechter geht, als den Menschen hierzulande.
Welche Auswirkungen dieser auch von den politisch Verantwortlichen und einer in der jüngsten Vergangenheit oft einseitig negativen Presseberichterstattung über Asylsuchende geschürter Rassismus haben kann, zeigt sich an drei sehr aktuellen Beispielen in Dresden.
So fanden parallel zur PEGIDA-Demonstration noch an drei weiteren Orten in Dresden und dessen unmittelbarer Umgebung Kundgebungen von “besorgten Bürgerinnen und Bürgern” statt. Während sich im Dresdner Stadtteil Gönnsdorf knapp 400 Menschen versammelten, waren es nahezu zeitgleich im Stadtteil Klotzsche 250 und in Ottendorf noch einmal etwa 200 Personen, die sich am Rande von Ortschaftsratsitzungen ähnlich der in Cotta, mit zum Teil offen rassistischen Argumenten gegen einen Zuzug von Flüchtlingen aussprachen.
Von einer Zivilgesellschaft war bis auf wenige Ausnahmen, nichts zu sehen. Erst am vergangenen Wochenende hatten in der 50 Kilometer östlich von Dresden entfernt gelegenen Stadt Bautzen rund 600 Menschen gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in ihrer Stadt demonstriert.
exakt-Beitrag: Wer steckt hinter Dresdner Montagsdemos?
dd eine misere
Die Unfähigkeit vernünftige Gegenproteste auf die Beine zu stellen, deutet auf etliche Baustellen hin die es in Dresden gibt. Die wohlgelobte Zivilgesellschaft die sich den Nazis entgegenstellte bestand damals schon immer aus einer eher kleinen Anzahl von Menschen, die in typischer Staatlicher-"Antifa" manier gegen die Nazis "vorgingen". Dabei wurde sie hauptsächlich von den Menschen von außerhalb in Bewegung gesetzt und mitgetragen. Die radikale Linke in Dresden ist praktisch nicht existent, zumindest in jeglicher Form von Fähigkeiten sich zu veräußern-über den Tellerrand hinnaus zu agieren. Gleichzeitig ist sie selber viel zu klein um sich eigenstädig Sachen annehmen zu können. Eine linksalternative Szene die sich zumindest gelegendlich begeistern läßt für linke Mobilisierungen, gibt es ebenfalls kaum. Viel zu sehr ist man in den wenigen Reproduktionsangeboten gefangen, die allesamt Kilometerweit weg sind von jeglichem politischen Anspruch.
Die Fixierung, die man aus der Sicht von heutigen protesten, schon fast als ein traumatisches Hinderniss sehen kann, auf die 25 Jahre "Revolution", ist ein allgegenwärtiger Fakt. Jegliche Fähigkeit sich außerparlamentarisch einzubringen und dabei kritisch zu sein ist abhanden gekommen.
Eine umfassende Ökonomisierung die, wie ich meine, in Dresden noch unglaublich traditionell verhaftet ist, zerstört jeden Rest von möglichen aktiven Regungen einer Zivilgesellschaft. Das Ressiment ist der einzig vorhandene Mobilisator, in einer Gegend in der NPD und AFD einen goldenen Horizont hatten und haben.
nicht so kritisch
die antifa in dresden hat es allerdings vor 1woche geschafft 300leute und diese woche 500leute auf die strasse zu ziehen. und ihren unmut gegenueber die rassisten auszudrücken. und das ist doch was worauf man aufbauen kann. die ura dresden ruft auch für nächsten montag wieder zu einer demonstration auf. und es ist tatsächlich schwierig etwas 1500rassisten aus dem stand entgegenzusetzen.
Hmmm.....
Du scheinst mir nicht auf dem Laufenden zu sein.
Nicht was die Dresdner Antifa, nicht was die AfD, und schon gar nicht was
die Heulsusen von der NPD angeht.
Aber warum schreibst Du dann nen Kommentar ?
Robert Üxton hilft
O bitte, seit der Wahl Hindenburgs zum Präsidenten 1925, seit alle neuen, auf Grundlage des Versailler Vertrages gegründeten Nationalstaaten in Osteuropa zu autoritären Regimen mutierten, wussten wir, dass so was passieren wird.
Robert Paxton meint, dass dies Faschismus ausmacht, die gewalttätige Abwehr von Demokratisierung. Der Ku Kux Klan, der die schwarzen Bürger_innen durch Lynchmord vom Wählen abbringt, der NSU, der jene Kleinunternehmer ermordet, welche die IHK gerade in das das duale Ausbildungssystem (ja. sowas gibt es, auch in der Gastronomie) einbeziehen will, die Duisburger Polizei, die im Stile des Südstaaten-Sheriffs aus "Missisipi Burning" wenn er nicht gerade seine Frau schlägt den rassistischen Mob schützt und nicht die völlig legal in D´land befindlichen Bewohner_innen eines völlig überbelegten Hauses.
So what? Keep calm an carry on. Antifaschist für immer
https://www.youtube.com/watch?v=4eUhNbps7Is